Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

ren Gegensatz nicht kannte, daß wir eben des¬
wegen uns zu einer umfassenderen Idee und
Construction der Poesie als er erheben und
das, was er als das Verwerfliche der Poesie
seiner Zeit betrachtete, nur als die schöne
Schranke derselben bezeichnen, verdanken wir
der Erfahrung der späteren Zeit und sehen als
Erfüllung, was Plato weissagend vermißte.
Die christliche Religion und mit ihr der aufs
Intellectuelle gerichtete Sinn, der in der alten
Poesie weder seine vollkommene Befriedigung,
noch selbst die Mittel der Darstellung finden
konnte, hat sich eine eigene Poesie und Kunst
geschaffen, in der er sie findet: dadurch sind die
Bedingungen der vollständigen und ganz obje¬
ctiven Ansicht der Kunst, auch der antiken, ge¬
geben.

Es erhellt hieraus, daß die Construction
derselben ein würdiger Gegenstand nicht nur
überhaupt des Philosophen, sondern auch ins¬
besondere des christlichen Philosophen sey, der
sich ein eigenes Geschäft daraus zu machen hat,

ren Gegenſatz nicht kannte, daß wir eben des¬
wegen uns zu einer umfaſſenderen Idee und
Conſtruction der Poeſie als er erheben und
das, was er als das Verwerfliche der Poeſie
ſeiner Zeit betrachtete, nur als die ſchoͤne
Schranke derſelben bezeichnen, verdanken wir
der Erfahrung der ſpaͤteren Zeit und ſehen als
Erfuͤllung, was Plato weiſſagend vermißte.
Die chriſtliche Religion und mit ihr der aufs
Intellectuelle gerichtete Sinn, der in der alten
Poeſie weder ſeine vollkommene Befriedigung,
noch ſelbſt die Mittel der Darſtellung finden
konnte, hat ſich eine eigene Poeſie und Kunſt
geſchaffen, in der er ſie findet: dadurch ſind die
Bedingungen der vollſtaͤndigen und ganz obje¬
ctiven Anſicht der Kunſt, auch der antiken, ge¬
geben.

Es erhellt hieraus, daß die Conſtruction
derſelben ein wuͤrdiger Gegenſtand nicht nur
uͤberhaupt des Philoſophen, ſondern auch ins¬
beſondere des chriſtlichen Philoſophen ſey, der
ſich ein eigenes Geſchaͤft daraus zu machen hat,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0320" n="311"/>
ren Gegen&#x017F;atz nicht kannte, daß wir eben des¬<lb/>
wegen uns zu einer umfa&#x017F;&#x017F;enderen Idee und<lb/>
Con&#x017F;truction der Poe&#x017F;ie als er erheben und<lb/>
das, was er als das Verwerfliche der Poe&#x017F;ie<lb/>
&#x017F;einer Zeit betrachtete, nur als die &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Schranke der&#x017F;elben bezeichnen, verdanken wir<lb/>
der Erfahrung der &#x017F;pa&#x0364;teren Zeit und &#x017F;ehen als<lb/>
Erfu&#x0364;llung, was Plato wei&#x017F;&#x017F;agend vermißte.<lb/>
Die chri&#x017F;tliche Religion und mit ihr der aufs<lb/>
Intellectuelle gerichtete Sinn, der in der alten<lb/>
Poe&#x017F;ie weder &#x017F;eine vollkommene Befriedigung,<lb/>
noch &#x017F;elb&#x017F;t die Mittel der Dar&#x017F;tellung finden<lb/>
konnte, hat &#x017F;ich eine eigene Poe&#x017F;ie und Kun&#x017F;t<lb/>
ge&#x017F;chaffen, in der er &#x017F;ie findet: dadurch &#x017F;ind die<lb/>
Bedingungen der voll&#x017F;ta&#x0364;ndigen und ganz obje¬<lb/>
ctiven An&#x017F;icht der Kun&#x017F;t, auch der antiken, ge¬<lb/>
geben.</p><lb/>
        <p>Es erhellt hieraus, daß die Con&#x017F;truction<lb/>
der&#x017F;elben ein wu&#x0364;rdiger Gegen&#x017F;tand nicht nur<lb/>
u&#x0364;berhaupt des Philo&#x017F;ophen, &#x017F;ondern auch ins¬<lb/>
be&#x017F;ondere des chri&#x017F;tlichen Philo&#x017F;ophen &#x017F;ey, der<lb/>
&#x017F;ich ein eigenes Ge&#x017F;cha&#x0364;ft daraus zu machen hat,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0320] ren Gegenſatz nicht kannte, daß wir eben des¬ wegen uns zu einer umfaſſenderen Idee und Conſtruction der Poeſie als er erheben und das, was er als das Verwerfliche der Poeſie ſeiner Zeit betrachtete, nur als die ſchoͤne Schranke derſelben bezeichnen, verdanken wir der Erfahrung der ſpaͤteren Zeit und ſehen als Erfuͤllung, was Plato weiſſagend vermißte. Die chriſtliche Religion und mit ihr der aufs Intellectuelle gerichtete Sinn, der in der alten Poeſie weder ſeine vollkommene Befriedigung, noch ſelbſt die Mittel der Darſtellung finden konnte, hat ſich eine eigene Poeſie und Kunſt geſchaffen, in der er ſie findet: dadurch ſind die Bedingungen der vollſtaͤndigen und ganz obje¬ ctiven Anſicht der Kunſt, auch der antiken, ge¬ geben. Es erhellt hieraus, daß die Conſtruction derſelben ein wuͤrdiger Gegenſtand nicht nur uͤberhaupt des Philoſophen, ſondern auch ins¬ beſondere des chriſtlichen Philoſophen ſey, der ſich ein eigenes Geſchaͤft daraus zu machen hat,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/320
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/320>, abgerufen am 25.11.2024.