Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

licher Motive der Sittlichkeit angenommen
wird.

Wie der Dogmatismus in der Philoso¬
phie ist der gleiche in der Theologie ein Ver¬
setzen dessen, was nur absolut erkannt wer¬
den kann, auf den empirischen Gesichtspunct
des Verstandes. Kant hat weder den einen
noch den andern in der Wurzel angegriffen,
da er nichts positives an ihre Stelle zu setzen
wußte. Insbesondere nach seinem Vorschlag,
beym Volksunterricht die Bibel moralisch aus¬
legen, hieße nur die empirische Erscheinung
des Christenthums zu Zwecken, die ohne Mis¬
deutung gar nicht erreicht werden können, ge¬
brauchen, aber nicht sich über dieselbe zur
Idee erheben.

Die ersten Bücher der Geschichte und
Lehre des Christenthums sind selbst nichts, als
auch eine besondere, noch dazu unvollkommne
Erscheinung desselben; seine Idee ist nicht in
diesen Büchern zu suchen, deren Werth erst
nach dem Maaß bestimmt werden muß, in
welchem sie jene ausdrücken und ihr angemes¬

licher Motive der Sittlichkeit angenommen
wird.

Wie der Dogmatismus in der Philoſo¬
phie iſt der gleiche in der Theologie ein Ver¬
ſetzen deſſen, was nur abſolut erkannt wer¬
den kann, auf den empiriſchen Geſichtspunct
des Verſtandes. Kant hat weder den einen
noch den andern in der Wurzel angegriffen,
da er nichts poſitives an ihre Stelle zu ſetzen
wußte. Insbeſondere nach ſeinem Vorſchlag,
beym Volksunterricht die Bibel moraliſch aus¬
legen, hieße nur die empiriſche Erſcheinung
des Chriſtenthums zu Zwecken, die ohne Mis¬
deutung gar nicht erreicht werden koͤnnen, ge¬
brauchen, aber nicht ſich uͤber dieſelbe zur
Idee erheben.

Die erſten Buͤcher der Geſchichte und
Lehre des Chriſtenthums ſind ſelbſt nichts, als
auch eine beſondere, noch dazu unvollkommne
Erſcheinung deſſelben; ſeine Idee iſt nicht in
dieſen Buͤchern zu ſuchen, deren Werth erſt
nach dem Maaß beſtimmt werden muß, in
welchem ſie jene ausdruͤcken und ihr angemeſ¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0206" n="197"/>
licher Motive der Sittlichkeit angenommen<lb/>
wird.</p><lb/>
        <p>Wie der Dogmatismus in der Philo&#x017F;<lb/>
phie i&#x017F;t der gleiche in der Theologie ein Ver¬<lb/>
&#x017F;etzen de&#x017F;&#x017F;en, was nur ab&#x017F;olut erkannt wer¬<lb/>
den kann, auf den empiri&#x017F;chen Ge&#x017F;ichtspunct<lb/>
des Ver&#x017F;tandes. Kant hat weder den einen<lb/>
noch den andern in der Wurzel angegriffen,<lb/>
da er nichts po&#x017F;itives an ihre Stelle zu &#x017F;etzen<lb/>
wußte. Insbe&#x017F;ondere nach &#x017F;einem Vor&#x017F;chlag,<lb/>
beym Volksunterricht die Bibel morali&#x017F;ch aus¬<lb/>
legen, hieße nur die empiri&#x017F;che Er&#x017F;cheinung<lb/>
des Chri&#x017F;tenthums zu Zwecken, die ohne Mis¬<lb/>
deutung gar nicht erreicht werden ko&#x0364;nnen, ge¬<lb/>
brauchen, aber nicht &#x017F;ich u&#x0364;ber die&#x017F;elbe zur<lb/>
Idee erheben.</p><lb/>
        <p>Die er&#x017F;ten Bu&#x0364;cher der Ge&#x017F;chichte und<lb/>
Lehre des Chri&#x017F;tenthums &#x017F;ind &#x017F;elb&#x017F;t nichts, als<lb/>
auch eine be&#x017F;ondere, noch dazu unvollkommne<lb/>
Er&#x017F;cheinung de&#x017F;&#x017F;elben; &#x017F;eine Idee i&#x017F;t nicht in<lb/>
die&#x017F;en Bu&#x0364;chern zu &#x017F;uchen, deren Werth er&#x017F;t<lb/>
nach dem Maaß be&#x017F;timmt werden muß, in<lb/>
welchem &#x017F;ie jene ausdru&#x0364;cken und ihr angeme&#x017F;¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0206] licher Motive der Sittlichkeit angenommen wird. Wie der Dogmatismus in der Philoſo¬ phie iſt der gleiche in der Theologie ein Ver¬ ſetzen deſſen, was nur abſolut erkannt wer¬ den kann, auf den empiriſchen Geſichtspunct des Verſtandes. Kant hat weder den einen noch den andern in der Wurzel angegriffen, da er nichts poſitives an ihre Stelle zu ſetzen wußte. Insbeſondere nach ſeinem Vorſchlag, beym Volksunterricht die Bibel moraliſch aus¬ legen, hieße nur die empiriſche Erſcheinung des Chriſtenthums zu Zwecken, die ohne Mis¬ deutung gar nicht erreicht werden koͤnnen, ge¬ brauchen, aber nicht ſich uͤber dieſelbe zur Idee erheben. Die erſten Buͤcher der Geſchichte und Lehre des Chriſtenthums ſind ſelbſt nichts, als auch eine beſondere, noch dazu unvollkommne Erſcheinung deſſelben; ſeine Idee iſt nicht in dieſen Buͤchern zu ſuchen, deren Werth erſt nach dem Maaß beſtimmt werden muß, in welchem ſie jene ausdruͤcken und ihr angemeſ¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/206
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/206>, abgerufen am 25.11.2024.