logie als Wissenschaft ist, worinn die höchsten Ideen von dem göttlichen Wesen, der Na¬ tur als dem Werkzeug und der Geschichte als der Offenbarung Gottes objectiv werden. Es wird von selbst niemand die Behauptung der speculativen Bedeutung der vornehmsten Leh¬ ren der Theologie mit der Kantischen verwech¬ seln, deren Hauptabsicht am Ende allein dar¬ auf geht, das Positive und Historische aus dem Christenthum gänzlich zu entfernen und zur reinen Vernunftreligion zu läutern. Die wahre Vernunftreligion ist, einzusehen, daß nur zwey Erscheinungen der Religion über¬ haupt sind, die wirkliche Naturreligion, welche nothwendig Polytheismus im Sinn der Grie¬ chen ist, und die, welche, ganz sittlich, Gott in der Geschichte anschaut. In der Kanti¬ schen Läuterung ist auch keinesweges ein spe¬ culativer, sondern ein moralischer Sinn je¬ ner Lehren beabsichtigt, wodurch der empiri¬ sche Standpunct im Grunde nicht verlassen, auch die Wahrheit derselben nicht an sich, son¬ dern allein in der subjectiven Beziehung mög¬
logie als Wiſſenſchaft iſt, worinn die hoͤchſten Ideen von dem goͤttlichen Weſen, der Na¬ tur als dem Werkzeug und der Geſchichte als der Offenbarung Gottes objectiv werden. Es wird von ſelbſt niemand die Behauptung der ſpeculativen Bedeutung der vornehmſten Leh¬ ren der Theologie mit der Kantiſchen verwech¬ ſeln, deren Hauptabſicht am Ende allein dar¬ auf geht, das Poſitive und Hiſtoriſche aus dem Chriſtenthum gaͤnzlich zu entfernen und zur reinen Vernunftreligion zu laͤutern. Die wahre Vernunftreligion iſt, einzuſehen, daß nur zwey Erſcheinungen der Religion uͤber¬ haupt ſind, die wirkliche Naturreligion, welche nothwendig Polytheismus im Sinn der Grie¬ chen iſt, und die, welche, ganz ſittlich, Gott in der Geſchichte anſchaut. In der Kanti¬ ſchen Laͤuterung iſt auch keinesweges ein ſpe¬ culativer, ſondern ein moraliſcher Sinn je¬ ner Lehren beabſichtigt, wodurch der empiri¬ ſche Standpunct im Grunde nicht verlaſſen, auch die Wahrheit derſelben nicht an ſich, ſon¬ dern allein in der ſubjectiven Beziehung moͤg¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0205"n="196"/>
logie als Wiſſenſchaft iſt, worinn die hoͤchſten<lb/>
Ideen von dem goͤttlichen Weſen, der Na¬<lb/>
tur als dem Werkzeug und der Geſchichte als<lb/>
der Offenbarung Gottes objectiv werden. Es<lb/>
wird von ſelbſt niemand die Behauptung der<lb/>ſpeculativen Bedeutung der vornehmſten Leh¬<lb/>
ren der Theologie mit der Kantiſchen verwech¬<lb/>ſeln, deren Hauptabſicht am Ende allein dar¬<lb/>
auf geht, das Poſitive und Hiſtoriſche aus<lb/>
dem Chriſtenthum gaͤnzlich zu entfernen und<lb/>
zur reinen Vernunftreligion zu laͤutern. Die<lb/>
wahre Vernunftreligion iſt, einzuſehen, daß<lb/>
nur zwey Erſcheinungen der Religion uͤber¬<lb/>
haupt ſind, die wirkliche Naturreligion, welche<lb/>
nothwendig Polytheismus im Sinn der Grie¬<lb/>
chen iſt, und die, welche, ganz ſittlich, Gott<lb/>
in der Geſchichte anſchaut. In der Kanti¬<lb/>ſchen Laͤuterung iſt auch keinesweges ein ſpe¬<lb/>
culativer, ſondern ein moraliſcher Sinn je¬<lb/>
ner Lehren beabſichtigt, wodurch der empiri¬<lb/>ſche Standpunct im Grunde nicht verlaſſen,<lb/>
auch die Wahrheit derſelben nicht an ſich, ſon¬<lb/>
dern allein in der ſubjectiven Beziehung moͤg¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[196/0205]
logie als Wiſſenſchaft iſt, worinn die hoͤchſten
Ideen von dem goͤttlichen Weſen, der Na¬
tur als dem Werkzeug und der Geſchichte als
der Offenbarung Gottes objectiv werden. Es
wird von ſelbſt niemand die Behauptung der
ſpeculativen Bedeutung der vornehmſten Leh¬
ren der Theologie mit der Kantiſchen verwech¬
ſeln, deren Hauptabſicht am Ende allein dar¬
auf geht, das Poſitive und Hiſtoriſche aus
dem Chriſtenthum gaͤnzlich zu entfernen und
zur reinen Vernunftreligion zu laͤutern. Die
wahre Vernunftreligion iſt, einzuſehen, daß
nur zwey Erſcheinungen der Religion uͤber¬
haupt ſind, die wirkliche Naturreligion, welche
nothwendig Polytheismus im Sinn der Grie¬
chen iſt, und die, welche, ganz ſittlich, Gott
in der Geſchichte anſchaut. In der Kanti¬
ſchen Laͤuterung iſt auch keinesweges ein ſpe¬
culativer, ſondern ein moraliſcher Sinn je¬
ner Lehren beabſichtigt, wodurch der empiri¬
ſche Standpunct im Grunde nicht verlaſſen,
auch die Wahrheit derſelben nicht an ſich, ſon¬
dern allein in der ſubjectiven Beziehung moͤg¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/205>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.