wenigstens unter ihnen nicht den allgemeinen Enthusiasmus, mit dem sie in der neueren Welt aufgenommen wurden. Die höchste Re¬ ligiosität, die sich in dem christlichen Mysticis¬ mus ausdrückte, hielt das Geheimniß der Na¬ tur und das der Menschwerdung Gottes für Eins und Dasselbe.
Ich habe schon anderwärts (im System des transcendentalen Idealismus) gezeigt, daß wir überhaupt drey Perioden der Geschichte, die der Natur, des Schicksals und der Vorse¬ hung annehmen müssen. Diese drey Ideen drücken dieselbe Identität, aber auf verschiedene Weise aus. Auch das Schicksal ist Vorsehung, aber im Realen erkannt, wie die Vorsehung auch Schicksal ist, aber im Idealen angeschaut. Die ewige Nothwendigkeit offenbart sich, in der Zeit der Identität mit ihr, als Natur, wo der Widerstreit des Unendlichen und Endlichen noch im gemeinschaftlichen Keim des Endlichen verschlossen ruht. So in der Zeit der schönsten Blüthe der griechischen Religion und Poesie. Mit dem Abfall von ihr offenbart sie sich als
wenigſtens unter ihnen nicht den allgemeinen Enthuſiasmus, mit dem ſie in der neueren Welt aufgenommen wurden. Die hoͤchſte Re¬ ligioſitaͤt, die ſich in dem chriſtlichen Myſticis¬ mus ausdruͤckte, hielt das Geheimniß der Na¬ tur und das der Menſchwerdung Gottes fuͤr Eins und Daſſelbe.
Ich habe ſchon anderwaͤrts (im Syſtem des transcendentalen Idealismus) gezeigt, daß wir uͤberhaupt drey Perioden der Geſchichte, die der Natur, des Schickſals und der Vorſe¬ hung annehmen muͤſſen. Dieſe drey Ideen druͤcken dieſelbe Identitaͤt, aber auf verſchiedene Weiſe aus. Auch das Schickſal iſt Vorſehung, aber im Realen erkannt, wie die Vorſehung auch Schickſal iſt, aber im Idealen angeſchaut. Die ewige Nothwendigkeit offenbart ſich, in der Zeit der Identitaͤt mit ihr, als Natur, wo der Widerſtreit des Unendlichen und Endlichen noch im gemeinſchaftlichen Keim des Endlichen verſchloſſen ruht. So in der Zeit der ſchoͤnſten Bluͤthe der griechiſchen Religion und Poeſie. Mit dem Abfall von ihr offenbart ſie ſich als
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wenigſtens unter ihnen nicht den allgemeinen
Enthuſiasmus, mit dem ſie in der neueren
Welt aufgenommen wurden. Die hoͤchſte Re¬
ligioſitaͤt, die ſich in dem chriſtlichen Myſticis¬
mus ausdruͤckte, hielt das Geheimniß der Na¬
tur und das der Menſchwerdung Gottes fuͤr
Eins und Daſſelbe.
Ich habe ſchon anderwaͤrts (im Syſtem
des transcendentalen Idealismus) gezeigt, daß
wir uͤberhaupt drey Perioden der Geſchichte,
die der Natur, des Schickſals und der Vorſe¬
hung annehmen muͤſſen. Dieſe drey Ideen
druͤcken dieſelbe Identitaͤt, aber auf verſchiedene
Weiſe aus. Auch das Schickſal iſt Vorſehung,
aber im Realen erkannt, wie die Vorſehung
auch Schickſal iſt, aber im Idealen angeſchaut.
Die ewige Nothwendigkeit offenbart ſich, in
der Zeit der Identitaͤt mit ihr, als Natur, wo
der Widerſtreit des Unendlichen und Endlichen
noch im gemeinſchaftlichen Keim des Endlichen
verſchloſſen ruht. So in der Zeit der ſchoͤnſten
Bluͤthe der griechiſchen Religion und Poeſie.
Mit dem Abfall von ihr offenbart ſie ſich als
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/184>, abgerufen am 25.11.2024.
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