Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

schaft dieser Philosophie verschafft oder nicht.
In der Regel ist das letzte der Fall: wie kön¬
nen sie also urtheilen? Oder das erste: so
verdanken sie selbst dem Studium der Philo¬
sophie den Nutzen, einzusehen, daß sie keinen
Nutzen habe; wie man von Sokrates zu sa¬
gen pflegt, er habe seinem Wissen wenigstens
so viel verdankt, zu wissen, daß er nichts
wisse; diesen Nutzen sollten sie doch auch an¬
dern zu Theil werden lassen, und nicht ver¬
langen, daß man ihnen aufs Wort glaube,
da die eigene Erfahrung doch ohnehin einen
stärkeren Eindruck machen wird, als ihre Ver¬
sicherung: davon nichts zu sagen, daß, ohne
jene Kenntniß, für die Jugend auch ihre
scharfsinnige Polemik gegen diese Philosophie
unverständlich, und ihre Anspielungen dagegen,
so grob sie übrigens seyn mögen, verloren
waren.

Der gewöhnliche Trost, den sie bey der
Fruchtlosigkeit ihrer Warnungen und Vermah¬
nungen sich selbst und unter einander geben,
ist dann der: daß es mit der Philosophie

ſchaft dieſer Philoſophie verſchafft oder nicht.
In der Regel iſt das letzte der Fall: wie koͤn¬
nen ſie alſo urtheilen? Oder das erſte: ſo
verdanken ſie ſelbſt dem Studium der Philo¬
ſophie den Nutzen, einzuſehen, daß ſie keinen
Nutzen habe; wie man von Sokrates zu ſa¬
gen pflegt, er habe ſeinem Wiſſen wenigſtens
ſo viel verdankt, zu wiſſen, daß er nichts
wiſſe; dieſen Nutzen ſollten ſie doch auch an¬
dern zu Theil werden laſſen, und nicht ver¬
langen, daß man ihnen aufs Wort glaube,
da die eigene Erfahrung doch ohnehin einen
ſtaͤrkeren Eindruck machen wird, als ihre Ver¬
ſicherung: davon nichts zu ſagen, daß, ohne
jene Kenntniß, fuͤr die Jugend auch ihre
ſcharfſinnige Polemik gegen dieſe Philoſophie
unverſtaͤndlich, und ihre Anſpielungen dagegen,
ſo grob ſie uͤbrigens ſeyn moͤgen, verloren
waren.

Der gewoͤhnliche Troſt, den ſie bey der
Fruchtloſigkeit ihrer Warnungen und Vermah¬
nungen ſich ſelbſt und unter einander geben,
iſt dann der: daß es mit der Philoſophie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0123" n="114"/>
&#x017F;chaft die&#x017F;er Philo&#x017F;ophie ver&#x017F;chafft oder nicht.<lb/>
In der Regel i&#x017F;t das letzte der Fall: wie ko&#x0364;<lb/>
nen &#x017F;ie al&#x017F;o urtheilen? Oder das er&#x017F;te: &#x017F;o<lb/>
verdanken &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t dem Studium der Philo¬<lb/>
&#x017F;ophie den Nutzen, einzu&#x017F;ehen, daß &#x017F;ie keinen<lb/>
Nutzen habe; wie man von Sokrates zu &#x017F;<lb/>
gen pflegt, er habe &#x017F;einem Wi&#x017F;&#x017F;en wenig&#x017F;tens<lb/>
&#x017F;o viel verdankt, zu wi&#x017F;&#x017F;en, daß er nichts<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e; die&#x017F;en Nutzen &#x017F;ollten &#x017F;ie doch auch an¬<lb/>
dern zu Theil werden la&#x017F;&#x017F;en, und nicht ver¬<lb/>
langen, daß man ihnen aufs Wort glaube,<lb/>
da die eigene Erfahrung doch ohnehin einen<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rkeren Eindruck machen wird, als ihre Ver¬<lb/>
&#x017F;icherung: davon nichts zu &#x017F;agen, daß, ohne<lb/>
jene Kenntniß, fu&#x0364;r die Jugend auch ihre<lb/>
&#x017F;charf&#x017F;innige Polemik gegen die&#x017F;e Philo&#x017F;ophie<lb/>
unver&#x017F;ta&#x0364;ndlich, und ihre An&#x017F;pielungen dagegen,<lb/>
&#x017F;o grob &#x017F;ie u&#x0364;brigens &#x017F;eyn mo&#x0364;gen, verloren<lb/>
waren.</p><lb/>
        <p>Der gewo&#x0364;hnliche Tro&#x017F;t, den &#x017F;ie bey der<lb/>
Fruchtlo&#x017F;igkeit ihrer Warnungen und Vermah¬<lb/>
nungen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t und unter einander geben,<lb/>
i&#x017F;t dann der: daß es mit der Philo&#x017F;ophie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0123] ſchaft dieſer Philoſophie verſchafft oder nicht. In der Regel iſt das letzte der Fall: wie koͤn¬ nen ſie alſo urtheilen? Oder das erſte: ſo verdanken ſie ſelbſt dem Studium der Philo¬ ſophie den Nutzen, einzuſehen, daß ſie keinen Nutzen habe; wie man von Sokrates zu ſa¬ gen pflegt, er habe ſeinem Wiſſen wenigſtens ſo viel verdankt, zu wiſſen, daß er nichts wiſſe; dieſen Nutzen ſollten ſie doch auch an¬ dern zu Theil werden laſſen, und nicht ver¬ langen, daß man ihnen aufs Wort glaube, da die eigene Erfahrung doch ohnehin einen ſtaͤrkeren Eindruck machen wird, als ihre Ver¬ ſicherung: davon nichts zu ſagen, daß, ohne jene Kenntniß, fuͤr die Jugend auch ihre ſcharfſinnige Polemik gegen dieſe Philoſophie unverſtaͤndlich, und ihre Anſpielungen dagegen, ſo grob ſie uͤbrigens ſeyn moͤgen, verloren waren. Der gewoͤhnliche Troſt, den ſie bey der Fruchtloſigkeit ihrer Warnungen und Vermah¬ nungen ſich ſelbſt und unter einander geben, iſt dann der: daß es mit der Philoſophie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/123
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/123>, abgerufen am 28.11.2024.