standesbegriffen läßt sich freylich so wenig ein Staat als eine Philosophie bauen, und eine Nation, die den Zugang zu den Ideen nicht hat, thut Recht, wenigstens Reste von solchen aus Trümmern vorhanden gewesener Formen hervorzusuchen.
Die Erhebung des gemeinen Verstandes zum Schiedsrichter in Sachen der Vernunft, führt ganz nothwendig die Ochlokratie im Reiche der Wissenschaften und mit dieser früher oder spä¬ ter die allgemeine Erhebung des Pöbels herbey. Fade oder heuchlerische Schwätzer, die da mey¬ nen, ein gewisses süßlichtes Gemenge sogenann¬ ter sittlicher Grundsätze an die Stelle der Ideen¬ herrschaft zu setzen, verrathen nur, wie wenig sie selbst von Sittlichkeit wissen. Es giebt keine ohne Ideen, und alles sittliche Handeln ist es nur als Ausdruck von Ideen.
Die andere Richtung, in welche sich die erste verliert und welche die Auflösung alles des¬ sen, was auf Ideen gegründet ist, herbeyfüh¬ ren muß, ist die auf das bloß Nützliche. Wenn Einmal dieses der höchste Maaßstab für alles
ſtandesbegriffen laͤßt ſich freylich ſo wenig ein Staat als eine Philoſophie bauen, und eine Nation, die den Zugang zu den Ideen nicht hat, thut Recht, wenigſtens Reſte von ſolchen aus Truͤmmern vorhanden geweſener Formen hervorzuſuchen.
Die Erhebung des gemeinen Verſtandes zum Schiedsrichter in Sachen der Vernunft, fuͤhrt ganz nothwendig die Ochlokratie im Reiche der Wiſſenſchaften und mit dieſer fruͤher oder ſpaͤ¬ ter die allgemeine Erhebung des Poͤbels herbey. Fade oder heuchleriſche Schwaͤtzer, die da mey¬ nen, ein gewiſſes ſuͤßlichtes Gemenge ſogenann¬ ter ſittlicher Grundſaͤtze an die Stelle der Ideen¬ herrſchaft zu ſetzen, verrathen nur, wie wenig ſie ſelbſt von Sittlichkeit wiſſen. Es giebt keine ohne Ideen, und alles ſittliche Handeln iſt es nur als Ausdruck von Ideen.
Die andere Richtung, in welche ſich die erſte verliert und welche die Aufloͤſung alles deſ¬ ſen, was auf Ideen gegruͤndet iſt, herbeyfuͤh¬ ren muß, iſt die auf das bloß Nuͤtzliche. Wenn Einmal dieſes der hoͤchſte Maaßſtab fuͤr alles
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0116"n="107"/>ſtandesbegriffen laͤßt ſich freylich ſo wenig ein<lb/>
Staat als eine Philoſophie bauen, und eine<lb/>
Nation, die den Zugang zu den Ideen nicht<lb/>
hat, thut Recht, wenigſtens Reſte von ſolchen<lb/>
aus Truͤmmern vorhanden geweſener Formen<lb/>
hervorzuſuchen.</p><lb/><p>Die Erhebung des gemeinen Verſtandes<lb/>
zum Schiedsrichter in Sachen der Vernunft,<lb/>
fuͤhrt ganz nothwendig die Ochlokratie im Reiche<lb/>
der Wiſſenſchaften und mit dieſer fruͤher oder ſpaͤ¬<lb/>
ter die allgemeine Erhebung des Poͤbels herbey.<lb/>
Fade oder heuchleriſche Schwaͤtzer, die da mey¬<lb/>
nen, ein gewiſſes ſuͤßlichtes Gemenge ſogenann¬<lb/>
ter ſittlicher Grundſaͤtze an die Stelle der Ideen¬<lb/>
herrſchaft zu ſetzen, verrathen nur, wie wenig<lb/>ſie ſelbſt von Sittlichkeit wiſſen. Es giebt keine<lb/>
ohne Ideen, und alles ſittliche Handeln iſt es<lb/>
nur als Ausdruck von Ideen.</p><lb/><p>Die andere Richtung, in welche ſich die<lb/>
erſte verliert und welche die Aufloͤſung alles deſ¬<lb/>ſen, was auf Ideen gegruͤndet iſt, herbeyfuͤh¬<lb/>
ren muß, iſt die auf das bloß Nuͤtzliche. Wenn<lb/>
Einmal dieſes der hoͤchſte Maaßſtab fuͤr alles<lb/></p></div></body></text></TEI>
[107/0116]
ſtandesbegriffen laͤßt ſich freylich ſo wenig ein
Staat als eine Philoſophie bauen, und eine
Nation, die den Zugang zu den Ideen nicht
hat, thut Recht, wenigſtens Reſte von ſolchen
aus Truͤmmern vorhanden geweſener Formen
hervorzuſuchen.
Die Erhebung des gemeinen Verſtandes
zum Schiedsrichter in Sachen der Vernunft,
fuͤhrt ganz nothwendig die Ochlokratie im Reiche
der Wiſſenſchaften und mit dieſer fruͤher oder ſpaͤ¬
ter die allgemeine Erhebung des Poͤbels herbey.
Fade oder heuchleriſche Schwaͤtzer, die da mey¬
nen, ein gewiſſes ſuͤßlichtes Gemenge ſogenann¬
ter ſittlicher Grundſaͤtze an die Stelle der Ideen¬
herrſchaft zu ſetzen, verrathen nur, wie wenig
ſie ſelbſt von Sittlichkeit wiſſen. Es giebt keine
ohne Ideen, und alles ſittliche Handeln iſt es
nur als Ausdruck von Ideen.
Die andere Richtung, in welche ſich die
erſte verliert und welche die Aufloͤſung alles deſ¬
ſen, was auf Ideen gegruͤndet iſt, herbeyfuͤh¬
ren muß, iſt die auf das bloß Nuͤtzliche. Wenn
Einmal dieſes der hoͤchſte Maaßſtab fuͤr alles
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/116>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.