Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

solche Wissenschaft sey überhaupt nothwendig,
und man kann sicher seyn, beweisen zu können,
daß jeder andere Begriff, den man etwa von
Philosophie aufstellen möchte, kein Begriff,
nicht etwa nur dieser, sondern überhaupt einer
möglichen Wissenschaft sey.

Philosophie und Mathematik sind sich da¬
rinn gleich, daß beyde in der absoluten Iden¬
tität des Allgemeinen und Besondern gegrün¬
det, beyde also auch, in wie fern jede Einheit
dieser Art Anschauung ist, überhaupt in der
Anschauung sind; aber die Anschauung der er¬
sten kann nicht wieder wie die der letzten eine
reflectirte seyn, sie ist eine unmittelbare Ver¬
nunft- oder intellectuelle Anschauung, die mit ih¬
rem Gegenstande, dem Urwissen selbst, schlechthin
identisch ist. Darstellung in intellectueller An¬
schauung ist philosophische Construction, aber
wie die allgemeine Einheit, die allen zu Grunde
liegt, so können auch die besondern, in deren
jeder die gleiche Absolutheit des Urwissens auf¬
genommen wird, nur in der Vernunftanschau¬
ung enthalten seyn und sind in so fern Ideen.

7

ſolche Wiſſenſchaft ſey uͤberhaupt nothwendig,
und man kann ſicher ſeyn, beweiſen zu koͤnnen,
daß jeder andere Begriff, den man etwa von
Philoſophie aufſtellen moͤchte, kein Begriff,
nicht etwa nur dieſer, ſondern uͤberhaupt einer
moͤglichen Wiſſenſchaft ſey.

Philoſophie und Mathematik ſind ſich da¬
rinn gleich, daß beyde in der abſoluten Iden¬
titaͤt des Allgemeinen und Beſondern gegruͤn¬
det, beyde alſo auch, in wie fern jede Einheit
dieſer Art Anſchauung iſt, uͤberhaupt in der
Anſchauung ſind; aber die Anſchauung der er¬
ſten kann nicht wieder wie die der letzten eine
reflectirte ſeyn, ſie iſt eine unmittelbare Ver¬
nunft- oder intellectuelle Anſchauung, die mit ih¬
rem Gegenſtande, dem Urwiſſen ſelbſt, ſchlechthin
identiſch iſt. Darſtellung in intellectueller An¬
ſchauung iſt philoſophiſche Conſtruction, aber
wie die allgemeine Einheit, die allen zu Grunde
liegt, ſo koͤnnen auch die beſondern, in deren
jeder die gleiche Abſolutheit des Urwiſſens auf¬
genommen wird, nur in der Vernunftanſchau¬
ung enthalten ſeyn und ſind in ſo fern Ideen.

7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0106" n="97"/>
&#x017F;olche Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;ey u&#x0364;berhaupt nothwendig,<lb/>
und man kann &#x017F;icher &#x017F;eyn, bewei&#x017F;en zu ko&#x0364;nnen,<lb/>
daß jeder andere Begriff, den man etwa von<lb/>
Philo&#x017F;ophie auf&#x017F;tellen mo&#x0364;chte, kein Begriff,<lb/>
nicht etwa nur die&#x017F;er, &#x017F;ondern u&#x0364;berhaupt einer<lb/>
mo&#x0364;glichen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;ey.</p><lb/>
        <p>Philo&#x017F;ophie und Mathematik &#x017F;ind &#x017F;ich da¬<lb/>
rinn gleich, daß beyde in der ab&#x017F;oluten Iden¬<lb/>
tita&#x0364;t des Allgemeinen und Be&#x017F;ondern gegru&#x0364;<lb/>
det, beyde al&#x017F;o auch, in wie fern jede Einheit<lb/>
die&#x017F;er Art An&#x017F;chauung i&#x017F;t, u&#x0364;berhaupt in der<lb/>
An&#x017F;chauung &#x017F;ind; aber die An&#x017F;chauung der er¬<lb/>
&#x017F;ten kann nicht wieder wie die der letzten eine<lb/>
reflectirte &#x017F;eyn, &#x017F;ie i&#x017F;t eine unmittelbare Ver¬<lb/>
nunft- oder intellectuelle An&#x017F;chauung, die mit ih¬<lb/>
rem Gegen&#x017F;tande, dem Urwi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;chlechthin<lb/>
identi&#x017F;ch i&#x017F;t. Dar&#x017F;tellung in intellectueller An¬<lb/>
&#x017F;chauung i&#x017F;t philo&#x017F;ophi&#x017F;che Con&#x017F;truction, aber<lb/>
wie die allgemeine Einheit, die allen zu Grunde<lb/>
liegt, &#x017F;o ko&#x0364;nnen auch die be&#x017F;ondern, in deren<lb/>
jeder die gleiche Ab&#x017F;olutheit des Urwi&#x017F;&#x017F;ens auf¬<lb/>
genommen wird, nur in der Vernunftan&#x017F;chau¬<lb/>
ung enthalten &#x017F;eyn und &#x017F;ind in &#x017F;o fern Ideen.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">7<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0106] ſolche Wiſſenſchaft ſey uͤberhaupt nothwendig, und man kann ſicher ſeyn, beweiſen zu koͤnnen, daß jeder andere Begriff, den man etwa von Philoſophie aufſtellen moͤchte, kein Begriff, nicht etwa nur dieſer, ſondern uͤberhaupt einer moͤglichen Wiſſenſchaft ſey. Philoſophie und Mathematik ſind ſich da¬ rinn gleich, daß beyde in der abſoluten Iden¬ titaͤt des Allgemeinen und Beſondern gegruͤn¬ det, beyde alſo auch, in wie fern jede Einheit dieſer Art Anſchauung iſt, uͤberhaupt in der Anſchauung ſind; aber die Anſchauung der er¬ ſten kann nicht wieder wie die der letzten eine reflectirte ſeyn, ſie iſt eine unmittelbare Ver¬ nunft- oder intellectuelle Anſchauung, die mit ih¬ rem Gegenſtande, dem Urwiſſen ſelbſt, ſchlechthin identiſch iſt. Darſtellung in intellectueller An¬ ſchauung iſt philoſophiſche Conſtruction, aber wie die allgemeine Einheit, die allen zu Grunde liegt, ſo koͤnnen auch die beſondern, in deren jeder die gleiche Abſolutheit des Urwiſſens auf¬ genommen wird, nur in der Vernunftanſchau¬ ung enthalten ſeyn und ſind in ſo fern Ideen. 7

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/106
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/106>, abgerufen am 22.11.2024.