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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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verbunden, das Allgemeine ist ganz das Besondere und das Be-
sondere das Allgemeine. Ebenso das Denken ist ein bloßes Schema-
tisiren, alles Handeln dagegen allegorisch (denn als Besonderes be-
deutend ein Allgemeines), die Kunst ist symbolisch. Auch auf die
Wissenschaften ist dieser Unterschied überzutragen. Die Arithmetik ist
allegorisirend, denn sie bedeutet durch das Besondere das Allgemeine.
Die Geometrie kann man schematisirend nennen, insofern als sie durch
das Allgemeine das Besondere bezeichnet. Endlich die Philosophie ist
unter diesen Wissenschaften die symbolische. (Wir werden zu denselben
Begriffen bei der Construktion der einzelnen Kunstformen zurückkehren.
Die Musik ist eine allegorisirende Kunst, die Malerei schematisirend,
die Plastik symbolisch. Ebenso in der Poesie die Lyrik allegorisch, die
epische Poesie hat die nothwendige Hinneigung zum Schematisiren, die
Dramatik ist symbolisch).

Als ein nothwendiger Folgesatz geht nun aus dieser ganzen
Untersuchung hervor: die Mythologie überhaupt und jede Dichtung der-
selben insbesondere ist weder schematisch noch allegorisch, sondern sym-
bolisch
zu begreifen.

Denn die Forderung der absoluten Kunstdarstellung ist: Darstel-
lung mit völliger Indifferenz, so nämlich, daß das Allgemeine
ganz das Besondere, das Besondere zugleich das ganze Allgemeine ist,
nicht es bedeutet. Diese Forderung ist poetisch gelöst in der Mytho-
logie. Denn jede Gestalt in ihr ist zu nehmen als das, was sie ist,
denn eben dadurch wird sie auch genommen als das, was sie bedeutet.
Die Bedeutung ist hier zugleich das Seyn selbst, übergegangen in den
Gegenstand, mit ihm eins. Sobald wir diese Wesen etwas bedeuten
lassen, sind sie selbst nichts mehr. Allein die Realität ist bei ihnen
mit der Idealität eins (§. 29), d. h. auch ihre Idee, ihr Begriff,
wird zerstört, wofern sie nicht als wirklich gedacht werden. Ihr höchster
Reiz beruht eben darauf, daß sie, indem sie bloß sind ohne alle Be-
ziehung -- in sich selbst absolut --, doch zugleich immer die Bedeutung
durchschimmern lassen. Wir begnügen uns allerdings nicht mit dem
bloßen bedeutungslosen Seyn, dergleichen z. B. das bloße Bild

verbunden, das Allgemeine iſt ganz das Beſondere und das Be-
ſondere das Allgemeine. Ebenſo das Denken iſt ein bloßes Schema-
tiſiren, alles Handeln dagegen allegoriſch (denn als Beſonderes be-
deutend ein Allgemeines), die Kunſt iſt ſymboliſch. Auch auf die
Wiſſenſchaften iſt dieſer Unterſchied überzutragen. Die Arithmetik iſt
allegoriſirend, denn ſie bedeutet durch das Beſondere das Allgemeine.
Die Geometrie kann man ſchematiſirend nennen, inſofern als ſie durch
das Allgemeine das Beſondere bezeichnet. Endlich die Philoſophie iſt
unter dieſen Wiſſenſchaften die ſymboliſche. (Wir werden zu denſelben
Begriffen bei der Conſtruktion der einzelnen Kunſtformen zurückkehren.
Die Muſik iſt eine allegoriſirende Kunſt, die Malerei ſchematiſirend,
die Plaſtik ſymboliſch. Ebenſo in der Poeſie die Lyrik allegoriſch, die
epiſche Poeſie hat die nothwendige Hinneigung zum Schematiſiren, die
Dramatik iſt ſymboliſch).

Als ein nothwendiger Folgeſatz geht nun aus dieſer ganzen
Unterſuchung hervor: die Mythologie überhaupt und jede Dichtung der-
ſelben insbeſondere iſt weder ſchematiſch noch allegoriſch, ſondern ſym-
boliſch
zu begreifen.

Denn die Forderung der abſoluten Kunſtdarſtellung iſt: Darſtel-
lung mit völliger Indifferenz, ſo nämlich, daß das Allgemeine
ganz das Beſondere, das Beſondere zugleich das ganze Allgemeine iſt,
nicht es bedeutet. Dieſe Forderung iſt poetiſch gelöst in der Mytho-
logie. Denn jede Geſtalt in ihr iſt zu nehmen als das, was ſie iſt,
denn eben dadurch wird ſie auch genommen als das, was ſie bedeutet.
Die Bedeutung iſt hier zugleich das Seyn ſelbſt, übergegangen in den
Gegenſtand, mit ihm eins. Sobald wir dieſe Weſen etwas bedeuten
laſſen, ſind ſie ſelbſt nichts mehr. Allein die Realität iſt bei ihnen
mit der Idealität eins (§. 29), d. h. auch ihre Idee, ihr Begriff,
wird zerſtört, wofern ſie nicht als wirklich gedacht werden. Ihr höchſter
Reiz beruht eben darauf, daß ſie, indem ſie bloß ſind ohne alle Be-
ziehung — in ſich ſelbſt abſolut —, doch zugleich immer die Bedeutung
durchſchimmern laſſen. Wir begnügen uns allerdings nicht mit dem
bloßen bedeutungsloſen Seyn, dergleichen z. B. das bloße Bild

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[411/0087] verbunden, das Allgemeine iſt ganz das Beſondere und das Be- ſondere das Allgemeine. Ebenſo das Denken iſt ein bloßes Schema- tiſiren, alles Handeln dagegen allegoriſch (denn als Beſonderes be- deutend ein Allgemeines), die Kunſt iſt ſymboliſch. Auch auf die Wiſſenſchaften iſt dieſer Unterſchied überzutragen. Die Arithmetik iſt allegoriſirend, denn ſie bedeutet durch das Beſondere das Allgemeine. Die Geometrie kann man ſchematiſirend nennen, inſofern als ſie durch das Allgemeine das Beſondere bezeichnet. Endlich die Philoſophie iſt unter dieſen Wiſſenſchaften die ſymboliſche. (Wir werden zu denſelben Begriffen bei der Conſtruktion der einzelnen Kunſtformen zurückkehren. Die Muſik iſt eine allegoriſirende Kunſt, die Malerei ſchematiſirend, die Plaſtik ſymboliſch. Ebenſo in der Poeſie die Lyrik allegoriſch, die epiſche Poeſie hat die nothwendige Hinneigung zum Schematiſiren, die Dramatik iſt ſymboliſch). Als ein nothwendiger Folgeſatz geht nun aus dieſer ganzen Unterſuchung hervor: die Mythologie überhaupt und jede Dichtung der- ſelben insbeſondere iſt weder ſchematiſch noch allegoriſch, ſondern ſym- boliſch zu begreifen. Denn die Forderung der abſoluten Kunſtdarſtellung iſt: Darſtel- lung mit völliger Indifferenz, ſo nämlich, daß das Allgemeine ganz das Beſondere, das Beſondere zugleich das ganze Allgemeine iſt, nicht es bedeutet. Dieſe Forderung iſt poetiſch gelöst in der Mytho- logie. Denn jede Geſtalt in ihr iſt zu nehmen als das, was ſie iſt, denn eben dadurch wird ſie auch genommen als das, was ſie bedeutet. Die Bedeutung iſt hier zugleich das Seyn ſelbſt, übergegangen in den Gegenſtand, mit ihm eins. Sobald wir dieſe Weſen etwas bedeuten laſſen, ſind ſie ſelbſt nichts mehr. Allein die Realität iſt bei ihnen mit der Idealität eins (§. 29), d. h. auch ihre Idee, ihr Begriff, wird zerſtört, wofern ſie nicht als wirklich gedacht werden. Ihr höchſter Reiz beruht eben darauf, daß ſie, indem ſie bloß ſind ohne alle Be- ziehung — in ſich ſelbſt abſolut —, doch zugleich immer die Bedeutung durchſchimmern laſſen. Wir begnügen uns allerdings nicht mit dem bloßen bedeutungsloſen Seyn, dergleichen z. B. das bloße Bild

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/87>, abgerufen am 24.11.2024.