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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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um die Lust ihres Lieblings zu befriedigen. Aber dann wäre sie auch
nicht mehr die Göttin der Liebe, und darum kein Gegenstand der Phan-
tasie mehr, für die das Allgemeine und Absolute im Besonderen -- in
der Begrenzung -- das Höchste ist.

Man kann also, von dieser Seite die Sache angesehen, mit
Moriz sagen, daß es eben die gleichsam fehlenden Züge sind in den
Erscheinungen der Göttergestalten, was ihnen den höchsten Reiz gibt
und sie wieder untereinander verflicht. Das Geheimniß alles Lebens
ist Synthese des Absoluten mit der Begrenzung. Es gibt ein gewisses
Höchstes in der Weltanschauung, das wir zur vollkommenen Befriedi-
gung fordern, es ist: höchstes Leben, freiestes, eigenstes Daseyn und
Wirken ohne Beengung oder Begrenzung des Absoluten. Das Absolute
an und für sich bietet keine Mannichfaltigkeit dar, es ist insofern für
den Verstand eine absolute, bodenlose Leere. Nur im Besonderen ist
Leben. Aber Leben und Mannichfaltigkeit, oder überhaupt Besonde-
res
ohne Beschränkung des schlechthin Einen, ist ursprünglich und an
sich nur durch das Princip der göttlichen Imagination, oder, in der
abgeleiteten Welt, nur durch die Phantasie möglich, die das Absolute
mit der Begrenzung zusammenbringt und in das Besondere die ganze
Göttlichkeit des Allgemeinen bildet. Dadurch wird das Universum be-
völkert, nach diesem Gesetz strömt vom Absoluten, als dem schlechthin
Einen, das Leben aus in die Welt; nach demselben Gesetz bildet sich
wieder in dem Reflex der menschlichen Einbildungskraft das Universum
zu einer Welt der Phantasie aus, deren durchgängiges Gesetz Absolut-
heit in der Begrenzung ist.

Wir verlangen für die Vernunft sowohl als für die Einbildungs-
kraft, daß nichts im Universum gedrückt, rein beschränkt und unterge-
ordnet sey. Wir fordern für jedes Ding ein besonderes und freies
Leben. Nur der Verstand ordnet unter, in der Vernunft und in der
Einbildungskraft ist alles frei und bewegt sich in dem gleichen Aether,
ohne sich zu drängen und zu reiben. Denn jedes für sich ist wieder
das Ganze. Der Anblick der reinen Beschränktheit ist von dem unter-
geordneten Standpunkt aus bald lästig, bald schmerzlich, bald sogar

um die Luſt ihres Lieblings zu befriedigen. Aber dann wäre ſie auch
nicht mehr die Göttin der Liebe, und darum kein Gegenſtand der Phan-
taſie mehr, für die das Allgemeine und Abſolute im Beſonderen — in
der Begrenzung — das Höchſte iſt.

Man kann alſo, von dieſer Seite die Sache angeſehen, mit
Moriz ſagen, daß es eben die gleichſam fehlenden Züge ſind in den
Erſcheinungen der Göttergeſtalten, was ihnen den höchſten Reiz gibt
und ſie wieder untereinander verflicht. Das Geheimniß alles Lebens
iſt Syntheſe des Abſoluten mit der Begrenzung. Es gibt ein gewiſſes
Höchſtes in der Weltanſchauung, das wir zur vollkommenen Befriedi-
gung fordern, es iſt: höchſtes Leben, freieſtes, eigenſtes Daſeyn und
Wirken ohne Beengung oder Begrenzung des Abſoluten. Das Abſolute
an und für ſich bietet keine Mannichfaltigkeit dar, es iſt inſofern für
den Verſtand eine abſolute, bodenloſe Leere. Nur im Beſonderen iſt
Leben. Aber Leben und Mannichfaltigkeit, oder überhaupt Beſonde-
res
ohne Beſchränkung des ſchlechthin Einen, iſt urſprünglich und an
ſich nur durch das Princip der göttlichen Imagination, oder, in der
abgeleiteten Welt, nur durch die Phantaſie möglich, die das Abſolute
mit der Begrenzung zuſammenbringt und in das Beſondere die ganze
Göttlichkeit des Allgemeinen bildet. Dadurch wird das Univerſum be-
völkert, nach dieſem Geſetz ſtrömt vom Abſoluten, als dem ſchlechthin
Einen, das Leben aus in die Welt; nach demſelben Geſetz bildet ſich
wieder in dem Reflex der menſchlichen Einbildungskraft das Univerſum
zu einer Welt der Phantaſie aus, deren durchgängiges Geſetz Abſolut-
heit in der Begrenzung iſt.

Wir verlangen für die Vernunft ſowohl als für die Einbildungs-
kraft, daß nichts im Univerſum gedrückt, rein beſchränkt und unterge-
ordnet ſey. Wir fordern für jedes Ding ein beſonderes und freies
Leben. Nur der Verſtand ordnet unter, in der Vernunft und in der
Einbildungskraft iſt alles frei und bewegt ſich in dem gleichen Aether,
ohne ſich zu drängen und zu reiben. Denn jedes für ſich iſt wieder
das Ganze. Der Anblick der reinen Beſchränktheit iſt von dem unter-
geordneten Standpunkt aus bald läſtig, bald ſchmerzlich, bald ſogar

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[393/0069] um die Luſt ihres Lieblings zu befriedigen. Aber dann wäre ſie auch nicht mehr die Göttin der Liebe, und darum kein Gegenſtand der Phan- taſie mehr, für die das Allgemeine und Abſolute im Beſonderen — in der Begrenzung — das Höchſte iſt. Man kann alſo, von dieſer Seite die Sache angeſehen, mit Moriz ſagen, daß es eben die gleichſam fehlenden Züge ſind in den Erſcheinungen der Göttergeſtalten, was ihnen den höchſten Reiz gibt und ſie wieder untereinander verflicht. Das Geheimniß alles Lebens iſt Syntheſe des Abſoluten mit der Begrenzung. Es gibt ein gewiſſes Höchſtes in der Weltanſchauung, das wir zur vollkommenen Befriedi- gung fordern, es iſt: höchſtes Leben, freieſtes, eigenſtes Daſeyn und Wirken ohne Beengung oder Begrenzung des Abſoluten. Das Abſolute an und für ſich bietet keine Mannichfaltigkeit dar, es iſt inſofern für den Verſtand eine abſolute, bodenloſe Leere. Nur im Beſonderen iſt Leben. Aber Leben und Mannichfaltigkeit, oder überhaupt Beſonde- res ohne Beſchränkung des ſchlechthin Einen, iſt urſprünglich und an ſich nur durch das Princip der göttlichen Imagination, oder, in der abgeleiteten Welt, nur durch die Phantaſie möglich, die das Abſolute mit der Begrenzung zuſammenbringt und in das Beſondere die ganze Göttlichkeit des Allgemeinen bildet. Dadurch wird das Univerſum be- völkert, nach dieſem Geſetz ſtrömt vom Abſoluten, als dem ſchlechthin Einen, das Leben aus in die Welt; nach demſelben Geſetz bildet ſich wieder in dem Reflex der menſchlichen Einbildungskraft das Univerſum zu einer Welt der Phantaſie aus, deren durchgängiges Geſetz Abſolut- heit in der Begrenzung iſt. Wir verlangen für die Vernunft ſowohl als für die Einbildungs- kraft, daß nichts im Univerſum gedrückt, rein beſchränkt und unterge- ordnet ſey. Wir fordern für jedes Ding ein beſonderes und freies Leben. Nur der Verſtand ordnet unter, in der Vernunft und in der Einbildungskraft iſt alles frei und bewegt ſich in dem gleichen Aether, ohne ſich zu drängen und zu reiben. Denn jedes für ſich iſt wieder das Ganze. Der Anblick der reinen Beſchränktheit iſt von dem unter- geordneten Standpunkt aus bald läſtig, bald ſchmerzlich, bald ſogar

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/69>, abgerufen am 22.11.2024.