sind, alle Dinge in absoluter Schönheit gebildet, die Urbilder aller Dinge, wie sie absolut wahr, auch absolut schön sind, das Verkehrte, Häßliche daher, ebenso wie der Irrthum oder das Falsche, in einer bloßen Privation besteht und nur zur zeitlichen Betrachtung der Dinge gehört.
§. 22. Wie Gott als Urbild im Gegenbild zur Schön- heit wird, so werden die Ideen der Vernunft im Gegen- bild angeschaut, zur Schönheit; und das Verhältniß der Ver- nunft zu der Kunst ist daher dasselbe wie das Verhältniß Gottes zu den Ideen. Durch die Kunst wird die göttliche Schöpfung objektiv dar- gestellt, denn diese beruht auf derselben Einbildung der unendlichen Idealität ins Reale, auf welcher auch jene beruht. Das treffliche deutsche Wort Einbildungskraft bedeutet eigentlich die Kraft der In- einsbildung, auf welcher in der That alle Schöpfung beruht. Sie ist die Kraft, wodurch ein Ideales zugleich auch ein Reales, die Seele Leib ist, die Kraft der Individuation, welche die eigentlich schöpferische ist.
§. 23. Die unmittelbare Ursache aller Kunst ist Gott. -- Denn Gott ist durch seine absolute Identität der Quell aller In- einsbildung des Realen und Idealen, worauf alle Kunst beruht. Oder: Gott ist der Quell der Ideen. Nur in Gott sind ursprünglich die Ideen. Nun ist aber die Kunst Darstellung der Urbilder, also Gott selbst die unmittelbare Ursache, die letzte Möglichkeit aller Kunst, er selbst der Quell aller Schönheit.
§. 24. Die wahre Construktion der Kunst ist Darstel- lung ihrer Formen als Formen der Dinge, wie sie an sich, oder wie sie im Absoluten sind. -- Denn nach Satz 21 ist das Universum in Gott als ewige Schönheit und als absolutes Kunstwerk gebildet; nicht minder sind alle Dinge, wie sie an sich oder in Gott sind, ebenso absolut schön, als sie absolut wahr sind. Demnach sind auch die Formen der Kunst, da sie die Formen schöner Dinge sind, Formen der Dinge, wie sie in Gott, oder wie sie an sich sind, und da alle Construktion Darstellung der Dinge im Absoluten ist, so
ſind, alle Dinge in abſoluter Schönheit gebildet, die Urbilder aller Dinge, wie ſie abſolut wahr, auch abſolut ſchön ſind, das Verkehrte, Häßliche daher, ebenſo wie der Irrthum oder das Falſche, in einer bloßen Privation beſteht und nur zur zeitlichen Betrachtung der Dinge gehört.
§. 22. Wie Gott als Urbild im Gegenbild zur Schön- heit wird, ſo werden die Ideen der Vernunft im Gegen- bild angeſchaut, zur Schönheit; und das Verhältniß der Ver- nunft zu der Kunſt iſt daher daſſelbe wie das Verhältniß Gottes zu den Ideen. Durch die Kunſt wird die göttliche Schöpfung objektiv dar- geſtellt, denn dieſe beruht auf derſelben Einbildung der unendlichen Idealität ins Reale, auf welcher auch jene beruht. Das treffliche deutſche Wort Einbildungskraft bedeutet eigentlich die Kraft der In- einsbildung, auf welcher in der That alle Schöpfung beruht. Sie iſt die Kraft, wodurch ein Ideales zugleich auch ein Reales, die Seele Leib iſt, die Kraft der Individuation, welche die eigentlich ſchöpferiſche iſt.
§. 23. Die unmittelbare Urſache aller Kunſt iſt Gott. — Denn Gott iſt durch ſeine abſolute Identität der Quell aller In- einsbildung des Realen und Idealen, worauf alle Kunſt beruht. Oder: Gott iſt der Quell der Ideen. Nur in Gott ſind urſprünglich die Ideen. Nun iſt aber die Kunſt Darſtellung der Urbilder, alſo Gott ſelbſt die unmittelbare Urſache, die letzte Möglichkeit aller Kunſt, er ſelbſt der Quell aller Schönheit.
§. 24. Die wahre Conſtruktion der Kunſt iſt Darſtel- lung ihrer Formen als Formen der Dinge, wie ſie an ſich, oder wie ſie im Abſoluten ſind. — Denn nach Satz 21 iſt das Univerſum in Gott als ewige Schönheit und als abſolutes Kunſtwerk gebildet; nicht minder ſind alle Dinge, wie ſie an ſich oder in Gott ſind, ebenſo abſolut ſchön, als ſie abſolut wahr ſind. Demnach ſind auch die Formen der Kunſt, da ſie die Formen ſchöner Dinge ſind, Formen der Dinge, wie ſie in Gott, oder wie ſie an ſich ſind, und da alle Conſtruktion Darſtellung der Dinge im Abſoluten iſt, ſo
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ſind, alle Dinge in abſoluter Schönheit gebildet, die Urbilder aller
Dinge, wie ſie abſolut wahr, auch abſolut ſchön ſind, das Verkehrte,
Häßliche daher, ebenſo wie der Irrthum oder das Falſche, in einer
bloßen Privation beſteht und nur zur zeitlichen Betrachtung der Dinge
gehört.
§. 22. Wie Gott als Urbild im Gegenbild zur Schön-
heit wird, ſo werden die Ideen der Vernunft im Gegen-
bild angeſchaut, zur Schönheit; und das Verhältniß der Ver-
nunft zu der Kunſt iſt daher daſſelbe wie das Verhältniß Gottes zu
den Ideen. Durch die Kunſt wird die göttliche Schöpfung objektiv dar-
geſtellt, denn dieſe beruht auf derſelben Einbildung der unendlichen
Idealität ins Reale, auf welcher auch jene beruht. Das treffliche
deutſche Wort Einbildungskraft bedeutet eigentlich die Kraft der In-
einsbildung, auf welcher in der That alle Schöpfung beruht.
Sie iſt die Kraft, wodurch ein Ideales zugleich auch ein Reales, die
Seele Leib iſt, die Kraft der Individuation, welche die eigentlich
ſchöpferiſche iſt.
§. 23. Die unmittelbare Urſache aller Kunſt iſt Gott.
— Denn Gott iſt durch ſeine abſolute Identität der Quell aller In-
einsbildung des Realen und Idealen, worauf alle Kunſt beruht.
Oder: Gott iſt der Quell der Ideen. Nur in Gott ſind urſprünglich
die Ideen. Nun iſt aber die Kunſt Darſtellung der Urbilder, alſo
Gott ſelbſt die unmittelbare Urſache, die letzte Möglichkeit aller Kunſt,
er ſelbſt der Quell aller Schönheit.
§. 24. Die wahre Conſtruktion der Kunſt iſt Darſtel-
lung ihrer Formen als Formen der Dinge, wie ſie an
ſich, oder wie ſie im Abſoluten ſind. — Denn nach Satz 21
iſt das Univerſum in Gott als ewige Schönheit und als abſolutes
Kunſtwerk gebildet; nicht minder ſind alle Dinge, wie ſie an ſich oder
in Gott ſind, ebenſo abſolut ſchön, als ſie abſolut wahr ſind. Demnach
ſind auch die Formen der Kunſt, da ſie die Formen ſchöner Dinge
ſind, Formen der Dinge, wie ſie in Gott, oder wie ſie an ſich ſind,
und da alle Conſtruktion Darſtellung der Dinge im Abſoluten iſt, ſo
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/62>, abgerufen am 24.11.2024.
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