Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite
I.
Allgemeiner Theil der Philosophie der Kunst.

Erster Abschnitt.
Construktion der Kunst überhaupt und im Allgemeinen.

Die Kunst construiren heißt, ihre Stellung im Universum bestim-
men. Die Bestimmung dieser Stelle ist die einzige Erklärung, die es
von ihr gibt. Wir müssen demnach auf die ersten Principien der Phi-
losophie zurückgehen. Jedoch versteht es sich, daß wir diese Principien
hier nicht in jeder möglichen Richtung verfolgen, sondern nur in der,
welche uns durch den bestimmten Gegenstand vorgezeichnet ist; ferner,
daß die meisten Sätze im Anfang als bloße Lehnsätze aus der Philo-
sophie aufgestellt werden, die nicht sowohl bewiesen, als vielmehr nur
erläutert werden. Dieß vorausgesetzt stelle ich die folgenden Sätze auf.

§. 1. Das Absolute oder Gott ist dasjenige, in An-
sehung dessen das Seyn oder die Realität unmittelbar,
d. h. kraft des bloßen Gesetzes der Identität aus der
Idee folgt
, oder: Gott ist die unmittelbare Affirmation
von sich selbst
.

Erläuterung. Folgte das Seyn nicht unmittelbar aus der
Idee Gottes, d. h. wäre seine Idee nicht selbst die der absoluten, der
unendlichen Realität, so wäre er durch irgend etwas bestimmt, was
nicht seine Idee ist, d. h. er wäre bedingt durch etwas von seinem

I.
Allgemeiner Theil der Philoſophie der Kunſt.

Erſter Abſchnitt.
Conſtruktion der Kunſt überhaupt und im Allgemeinen.

Die Kunſt conſtruiren heißt, ihre Stellung im Univerſum beſtim-
men. Die Beſtimmung dieſer Stelle iſt die einzige Erklärung, die es
von ihr gibt. Wir müſſen demnach auf die erſten Principien der Phi-
loſophie zurückgehen. Jedoch verſteht es ſich, daß wir dieſe Principien
hier nicht in jeder möglichen Richtung verfolgen, ſondern nur in der,
welche uns durch den beſtimmten Gegenſtand vorgezeichnet iſt; ferner,
daß die meiſten Sätze im Anfang als bloße Lehnſätze aus der Philo-
ſophie aufgeſtellt werden, die nicht ſowohl bewieſen, als vielmehr nur
erläutert werden. Dieß vorausgeſetzt ſtelle ich die folgenden Sätze auf.

§. 1. Das Abſolute oder Gott iſt dasjenige, in An-
ſehung deſſen das Seyn oder die Realität unmittelbar,
d. h. kraft des bloßen Geſetzes der Identität aus der
Idee folgt
, oder: Gott iſt die unmittelbare Affirmation
von ſich ſelbſt
.

Erläuterung. Folgte das Seyn nicht unmittelbar aus der
Idee Gottes, d. h. wäre ſeine Idee nicht ſelbſt die der abſoluten, der
unendlichen Realität, ſo wäre er durch irgend etwas beſtimmt, was
nicht ſeine Idee iſt, d. h. er wäre bedingt durch etwas von ſeinem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0049" n="[373]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
Allgemeiner Theil der Philo&#x017F;ophie der Kun&#x017F;t.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#b">Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chnitt.</hi><lb/><hi rendition="#g">Con&#x017F;truktion der Kun&#x017F;t überhaupt und im Allgemeinen</hi>.</head><lb/>
            <p>Die Kun&#x017F;t con&#x017F;truiren heißt, ihre Stellung im Univer&#x017F;um be&#x017F;tim-<lb/>
men. Die Be&#x017F;timmung die&#x017F;er Stelle i&#x017F;t die einzige Erklärung, die es<lb/>
von ihr gibt. Wir mü&#x017F;&#x017F;en demnach auf die er&#x017F;ten Principien der Phi-<lb/>
lo&#x017F;ophie zurückgehen. Jedoch ver&#x017F;teht es &#x017F;ich, daß wir die&#x017F;e Principien<lb/>
hier nicht in jeder möglichen Richtung verfolgen, &#x017F;ondern nur in der,<lb/>
welche uns durch den be&#x017F;timmten Gegen&#x017F;tand vorgezeichnet i&#x017F;t; ferner,<lb/>
daß die mei&#x017F;ten Sätze im Anfang als bloße Lehn&#x017F;ätze aus der Philo-<lb/>
&#x017F;ophie aufge&#x017F;tellt werden, die nicht &#x017F;owohl bewie&#x017F;en, als vielmehr nur<lb/>
erläutert werden. Dieß vorausge&#x017F;etzt &#x017F;telle ich die folgenden Sätze auf.</p><lb/>
            <p>§. 1. <hi rendition="#g">Das Ab&#x017F;olute oder Gott i&#x017F;t dasjenige, in An-<lb/>
&#x017F;ehung de&#x017F;&#x017F;en das Seyn oder die Realität <hi rendition="#b">unmittelbar,</hi><lb/>
d. h. kraft des bloßen Ge&#x017F;etzes der Identität aus der<lb/>
Idee folgt</hi>, oder: <hi rendition="#g">Gott i&#x017F;t die unmittelbare Affirmation<lb/>
von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t</hi>.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Erläuterung</hi>. Folgte das Seyn nicht unmittelbar aus der<lb/>
Idee Gottes, d. h. wäre &#x017F;eine Idee nicht &#x017F;elb&#x017F;t die der <hi rendition="#g">ab&#x017F;oluten</hi>, der<lb/><hi rendition="#g">unendlichen</hi> Realität, &#x017F;o wäre er durch irgend etwas be&#x017F;timmt, was<lb/>
nicht &#x017F;eine Idee i&#x017F;t, d. h. er wäre bedingt durch etwas von &#x017F;einem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[373]/0049] I. Allgemeiner Theil der Philoſophie der Kunſt. Erſter Abſchnitt. Conſtruktion der Kunſt überhaupt und im Allgemeinen. Die Kunſt conſtruiren heißt, ihre Stellung im Univerſum beſtim- men. Die Beſtimmung dieſer Stelle iſt die einzige Erklärung, die es von ihr gibt. Wir müſſen demnach auf die erſten Principien der Phi- loſophie zurückgehen. Jedoch verſteht es ſich, daß wir dieſe Principien hier nicht in jeder möglichen Richtung verfolgen, ſondern nur in der, welche uns durch den beſtimmten Gegenſtand vorgezeichnet iſt; ferner, daß die meiſten Sätze im Anfang als bloße Lehnſätze aus der Philo- ſophie aufgeſtellt werden, die nicht ſowohl bewieſen, als vielmehr nur erläutert werden. Dieß vorausgeſetzt ſtelle ich die folgenden Sätze auf. §. 1. Das Abſolute oder Gott iſt dasjenige, in An- ſehung deſſen das Seyn oder die Realität unmittelbar, d. h. kraft des bloßen Geſetzes der Identität aus der Idee folgt, oder: Gott iſt die unmittelbare Affirmation von ſich ſelbſt. Erläuterung. Folgte das Seyn nicht unmittelbar aus der Idee Gottes, d. h. wäre ſeine Idee nicht ſelbſt die der abſoluten, der unendlichen Realität, ſo wäre er durch irgend etwas beſtimmt, was nicht ſeine Idee iſt, d. h. er wäre bedingt durch etwas von ſeinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/49
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. [373]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/49>, abgerufen am 20.11.2024.