identität des Allgemeinen und Besonderen, in der Disjunktion, so daß entweder im Besonderen oder Allgemeinen. So entsteht auch hier ein Gegensatz, der Gegensatz von bildender und redender Kunst. Die bildende und die redende Kunst = der realen und idealen Reihe der Philosophie. Jener steht diejenige Einheit vor, in welcher das Unendliche ins Endliche aufgenommen wird -- die Construktion dieser Reihe entspricht der Naturphilosophie --, dieser steht die andere Einheit vor, in welcher das Endliche ins Unendliche gebildet wird, die Construktion dieser Reihe entspricht dem Idealismus in dem allgemeinen System der Philosophie. Die erste Einheit werde ich die reale, die andere die ideale nennen, die, welche beide begreift, die Indifferenz.
Fixiren wir nun jede dieser Einheiten für sich, so müssen, weil jede derselben für sich absolut ist, in jeder wieder dieselben Einheiten wiederkehren, in der realen also wiederum die reale, ideale, und die, worin beide eins sind. Ebenso in der idealen.
Jeder dieser Formen, insofern sie entweder in der realen oder idealen Einheit begriffen sind, entspricht eine besondere Form der Kunst, der realen, sofern in der realen, entspricht die Musik, der idealen die Malerei, der welche innerhalb der realen wieder beide Einheiten in- eins-gebildet darstellt, die Plastik.
Dasselbe ist der Fall in Ansehung der idealen Einheit, welche wieder die drei Formen der lyrischen, epischen und dramatischen Dicht- kunst in sich begreift. Lyrik = Einbildung des Unendlichen ins End- liche = Besonderem. Epos = Darstellung (Subsumtion) des Endlichen im Unendlichen = Allgemeinem. Drama = Synthese des Allgemeinen und Besonderen. Nach diesen Grundformen ist also die gesammte Kunst sowohl in ihrer realen als idealen Erscheinung zu construiren.
Indem wir die Kunst in jeder ihrer besonderen Formen bis aufs Concrete herab verfolgen, gelangen wir noch zu der Bestimmung der Kunst durch Bedingungen der Zeit. Wie die Kunst an sich ewig und nothwendig ist, so ist auch in ihrer Zeiterscheinung keine Zufälligkeit, sondern absolute Nothwendigkeit. Sie ist auch in dieser Beziehung noch
identität des Allgemeinen und Beſonderen, in der Disjunktion, ſo daß entweder im Beſonderen oder Allgemeinen. So entſteht auch hier ein Gegenſatz, der Gegenſatz von bildender und redender Kunſt. Die bildende und die redende Kunſt = der realen und idealen Reihe der Philoſophie. Jener ſteht diejenige Einheit vor, in welcher das Unendliche ins Endliche aufgenommen wird — die Conſtruktion dieſer Reihe entſpricht der Naturphiloſophie —, dieſer ſteht die andere Einheit vor, in welcher das Endliche ins Unendliche gebildet wird, die Conſtruktion dieſer Reihe entſpricht dem Idealismus in dem allgemeinen Syſtem der Philoſophie. Die erſte Einheit werde ich die reale, die andere die ideale nennen, die, welche beide begreift, die Indifferenz.
Fixiren wir nun jede dieſer Einheiten für ſich, ſo müſſen, weil jede derſelben für ſich abſolut iſt, in jeder wieder dieſelben Einheiten wiederkehren, in der realen alſo wiederum die reale, ideale, und die, worin beide eins ſind. Ebenſo in der idealen.
Jeder dieſer Formen, inſofern ſie entweder in der realen oder idealen Einheit begriffen ſind, entſpricht eine beſondere Form der Kunſt, der realen, ſofern in der realen, entſpricht die Muſik, der idealen die Malerei, der welche innerhalb der realen wieder beide Einheiten in- eins-gebildet darſtellt, die Plaſtik.
Daſſelbe iſt der Fall in Anſehung der idealen Einheit, welche wieder die drei Formen der lyriſchen, epiſchen und dramatiſchen Dicht- kunſt in ſich begreift. Lyrik = Einbildung des Unendlichen ins End- liche = Beſonderem. Epos = Darſtellung (Subſumtion) des Endlichen im Unendlichen = Allgemeinem. Drama = Syntheſe des Allgemeinen und Beſonderen. Nach dieſen Grundformen iſt alſo die geſammte Kunſt ſowohl in ihrer realen als idealen Erſcheinung zu conſtruiren.
Indem wir die Kunſt in jeder ihrer beſonderen Formen bis aufs Concrete herab verfolgen, gelangen wir noch zu der Beſtimmung der Kunſt durch Bedingungen der Zeit. Wie die Kunſt an ſich ewig und nothwendig iſt, ſo iſt auch in ihrer Zeiterſcheinung keine Zufälligkeit, ſondern abſolute Nothwendigkeit. Sie iſt auch in dieſer Beziehung noch
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0047"n="371"/>
identität des Allgemeinen und Beſonderen, in der Disjunktion, ſo<lb/>
daß entweder im Beſonderen oder Allgemeinen. So entſteht auch<lb/>
hier ein Gegenſatz, der Gegenſatz von bildender und redender Kunſt.<lb/>
Die bildende und die redende Kunſt = der realen und idealen Reihe<lb/>
der Philoſophie. Jener ſteht diejenige Einheit vor, in welcher das<lb/>
Unendliche ins Endliche aufgenommen wird — die Conſtruktion dieſer<lb/>
Reihe entſpricht der <hirendition="#g">Naturphiloſophie</hi>—, dieſer ſteht die andere<lb/>
Einheit vor, in welcher das Endliche ins Unendliche gebildet wird,<lb/>
die Conſtruktion dieſer Reihe entſpricht dem <hirendition="#g">Idealismus</hi> in dem<lb/>
allgemeinen Syſtem der Philoſophie. Die erſte Einheit werde ich<lb/>
die reale, die andere die ideale nennen, die, welche beide begreift, die<lb/>
Indifferenz.</p><lb/><p>Fixiren wir nun jede dieſer Einheiten für ſich, ſo müſſen, weil<lb/>
jede derſelben für ſich abſolut iſt, in jeder wieder dieſelben Einheiten<lb/>
wiederkehren, in der realen alſo wiederum die reale, ideale, und die,<lb/>
worin beide eins ſind. Ebenſo in der idealen.</p><lb/><p>Jeder dieſer Formen, inſofern ſie entweder in der realen oder<lb/>
idealen Einheit begriffen ſind, entſpricht eine beſondere Form der Kunſt,<lb/>
der realen, ſofern in der realen, entſpricht die <hirendition="#g">Muſik</hi>, der idealen die<lb/><hirendition="#g">Malerei</hi>, der welche innerhalb der realen wieder beide Einheiten in-<lb/>
eins-gebildet darſtellt, die <hirendition="#g">Plaſtik</hi>.</p><lb/><p>Daſſelbe iſt der Fall in Anſehung der idealen Einheit, welche<lb/>
wieder die drei Formen der lyriſchen, epiſchen und dramatiſchen Dicht-<lb/>
kunſt in ſich begreift. Lyrik = Einbildung des Unendlichen ins End-<lb/>
liche = Beſonderem. Epos = Darſtellung (Subſumtion) des Endlichen<lb/>
im Unendlichen = Allgemeinem. Drama = Syntheſe des Allgemeinen<lb/>
und Beſonderen. Nach dieſen Grundformen iſt alſo die geſammte Kunſt<lb/>ſowohl in ihrer realen als idealen Erſcheinung zu conſtruiren.</p><lb/><p>Indem wir die Kunſt in jeder ihrer beſonderen Formen bis aufs<lb/>
Concrete herab verfolgen, gelangen wir noch zu der Beſtimmung der<lb/>
Kunſt durch Bedingungen der Zeit. Wie die Kunſt an ſich ewig und<lb/>
nothwendig iſt, ſo iſt auch in ihrer Zeiterſcheinung keine Zufälligkeit,<lb/>ſondern abſolute Nothwendigkeit. Sie iſt auch in dieſer Beziehung noch<lb/></p></div></body></text></TEI>
[371/0047]
identität des Allgemeinen und Beſonderen, in der Disjunktion, ſo
daß entweder im Beſonderen oder Allgemeinen. So entſteht auch
hier ein Gegenſatz, der Gegenſatz von bildender und redender Kunſt.
Die bildende und die redende Kunſt = der realen und idealen Reihe
der Philoſophie. Jener ſteht diejenige Einheit vor, in welcher das
Unendliche ins Endliche aufgenommen wird — die Conſtruktion dieſer
Reihe entſpricht der Naturphiloſophie —, dieſer ſteht die andere
Einheit vor, in welcher das Endliche ins Unendliche gebildet wird,
die Conſtruktion dieſer Reihe entſpricht dem Idealismus in dem
allgemeinen Syſtem der Philoſophie. Die erſte Einheit werde ich
die reale, die andere die ideale nennen, die, welche beide begreift, die
Indifferenz.
Fixiren wir nun jede dieſer Einheiten für ſich, ſo müſſen, weil
jede derſelben für ſich abſolut iſt, in jeder wieder dieſelben Einheiten
wiederkehren, in der realen alſo wiederum die reale, ideale, und die,
worin beide eins ſind. Ebenſo in der idealen.
Jeder dieſer Formen, inſofern ſie entweder in der realen oder
idealen Einheit begriffen ſind, entſpricht eine beſondere Form der Kunſt,
der realen, ſofern in der realen, entſpricht die Muſik, der idealen die
Malerei, der welche innerhalb der realen wieder beide Einheiten in-
eins-gebildet darſtellt, die Plaſtik.
Daſſelbe iſt der Fall in Anſehung der idealen Einheit, welche
wieder die drei Formen der lyriſchen, epiſchen und dramatiſchen Dicht-
kunſt in ſich begreift. Lyrik = Einbildung des Unendlichen ins End-
liche = Beſonderem. Epos = Darſtellung (Subſumtion) des Endlichen
im Unendlichen = Allgemeinem. Drama = Syntheſe des Allgemeinen
und Beſonderen. Nach dieſen Grundformen iſt alſo die geſammte Kunſt
ſowohl in ihrer realen als idealen Erſcheinung zu conſtruiren.
Indem wir die Kunſt in jeder ihrer beſonderen Formen bis aufs
Concrete herab verfolgen, gelangen wir noch zu der Beſtimmung der
Kunſt durch Bedingungen der Zeit. Wie die Kunſt an ſich ewig und
nothwendig iſt, ſo iſt auch in ihrer Zeiterſcheinung keine Zufälligkeit,
ſondern abſolute Nothwendigkeit. Sie iſt auch in dieſer Beziehung noch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/47>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.