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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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Eine Art von poetischem Still-Leben ist in einer Scene von
Goethes Faust ausgedrückt, wo dieser auf Margarethens Zimmer ist
und den Geist der Ordnung, der Zufriedenheit und die Fülle in
der Armuth darin schildert.

Die zweite Stufe der Darstellung wäre die von solchen Gegen-
ständen, wo die Farbe äußerlich und zwar organisch, aber doch unbe-
weglich ist. Dieß die Blumen- und Fruchtmalerei. Es ist nicht
zu leugnen, daß Blumen und Früchte in ihrer Frischheit lebendig sind,
und daß mit ihnen eine concrete Malerei möglich ist. Allein von der
andern Seite kann diese Art der Darstellung doch wieder nur im alle-
gorischen oder symbolischen Gebrauch einen Kunstwerth haben. Die
Farben sind an sich symbolisch, ein natürlicher Instinkt hat sie zu
Symbolen der Hoffnung, der Sehnsucht, der Liebe u. s. w. erhoben.
Inwiefern Blumen diese Farben in natürlicher Einfachheit darstellen,
sind sie an sich schon eines Charakters fähig, und in der Anordnung
derselben kann ein einfältiges Gemüth sein ruhiges Inneres ausdrücken.
Inwiefern es möglich wäre, in die Anordnung von Blumen so viel
Bedeutendes zu legen, daß wirklich ein innerer Zustand darin erkennbar
wäre, wäre diese Art von Bildern zur Allegorie geeignet.

Die dritte Stufe wäre Darstellung der Farbe, sofern sie beweg-
lich, organisch, aber doch bloß äußerlich ist. Dieß ist der Fall mit
der Thiermalerei. Beweglich, theils inwiefern überhaupt lebendige
Geschöpfe ein Vermögen der Selbstbewegung und der Veränderung in
sich haben, theils inwiefern die unbedeckten Theile der Thiere, z. B.
das Auge, wirklich ein bewegliches lebendiges Feuer haben. Allein dabei
bleibt die Farbe doch immer noch eine äußerliche, weil an den Thieren
das Fleisch als solches nicht erscheint, und die Darstellung also sich auf
die Abbildung ihrer farbigen Bedeckungen, ihrer Bewegungen, und bei
den gewaltigeren Naturen unter den Thieren auf Abbildung des Fun-
kelns ihrer Augen und des darin ausgedrückten Zustandes sich beschrän-
ken muß.

Die thierische Natur überhaupt und einzelne thierische Leiber sind
an sich von symbolischer Bedeutung, die Natur selbst wird in ihnen

Eine Art von poetiſchem Still-Leben iſt in einer Scene von
Goethes Fauſt ausgedrückt, wo dieſer auf Margarethens Zimmer iſt
und den Geiſt der Ordnung, der Zufriedenheit und die Fülle in
der Armuth darin ſchildert.

Die zweite Stufe der Darſtellung wäre die von ſolchen Gegen-
ſtänden, wo die Farbe äußerlich und zwar organiſch, aber doch unbe-
weglich iſt. Dieß die Blumen- und Fruchtmalerei. Es iſt nicht
zu leugnen, daß Blumen und Früchte in ihrer Friſchheit lebendig ſind,
und daß mit ihnen eine concrete Malerei möglich iſt. Allein von der
andern Seite kann dieſe Art der Darſtellung doch wieder nur im alle-
goriſchen oder ſymboliſchen Gebrauch einen Kunſtwerth haben. Die
Farben ſind an ſich ſymboliſch, ein natürlicher Inſtinkt hat ſie zu
Symbolen der Hoffnung, der Sehnſucht, der Liebe u. ſ. w. erhoben.
Inwiefern Blumen dieſe Farben in natürlicher Einfachheit darſtellen,
ſind ſie an ſich ſchon eines Charakters fähig, und in der Anordnung
derſelben kann ein einfältiges Gemüth ſein ruhiges Inneres ausdrücken.
Inwiefern es möglich wäre, in die Anordnung von Blumen ſo viel
Bedeutendes zu legen, daß wirklich ein innerer Zuſtand darin erkennbar
wäre, wäre dieſe Art von Bildern zur Allegorie geeignet.

Die dritte Stufe wäre Darſtellung der Farbe, ſofern ſie beweg-
lich, organiſch, aber doch bloß äußerlich iſt. Dieß iſt der Fall mit
der Thiermalerei. Beweglich, theils inwiefern überhaupt lebendige
Geſchöpfe ein Vermögen der Selbſtbewegung und der Veränderung in
ſich haben, theils inwiefern die unbedeckten Theile der Thiere, z. B.
das Auge, wirklich ein bewegliches lebendiges Feuer haben. Allein dabei
bleibt die Farbe doch immer noch eine äußerliche, weil an den Thieren
das Fleiſch als ſolches nicht erſcheint, und die Darſtellung alſo ſich auf
die Abbildung ihrer farbigen Bedeckungen, ihrer Bewegungen, und bei
den gewaltigeren Naturen unter den Thieren auf Abbildung des Fun-
kelns ihrer Augen und des darin ausgedrückten Zuſtandes ſich beſchrän-
ken muß.

Die thieriſche Natur überhaupt und einzelne thieriſche Leiber ſind
an ſich von ſymboliſcher Bedeutung, die Natur ſelbſt wird in ihnen

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[543/0219] Eine Art von poetiſchem Still-Leben iſt in einer Scene von Goethes Fauſt ausgedrückt, wo dieſer auf Margarethens Zimmer iſt und den Geiſt der Ordnung, der Zufriedenheit und die Fülle in der Armuth darin ſchildert. Die zweite Stufe der Darſtellung wäre die von ſolchen Gegen- ſtänden, wo die Farbe äußerlich und zwar organiſch, aber doch unbe- weglich iſt. Dieß die Blumen- und Fruchtmalerei. Es iſt nicht zu leugnen, daß Blumen und Früchte in ihrer Friſchheit lebendig ſind, und daß mit ihnen eine concrete Malerei möglich iſt. Allein von der andern Seite kann dieſe Art der Darſtellung doch wieder nur im alle- goriſchen oder ſymboliſchen Gebrauch einen Kunſtwerth haben. Die Farben ſind an ſich ſymboliſch, ein natürlicher Inſtinkt hat ſie zu Symbolen der Hoffnung, der Sehnſucht, der Liebe u. ſ. w. erhoben. Inwiefern Blumen dieſe Farben in natürlicher Einfachheit darſtellen, ſind ſie an ſich ſchon eines Charakters fähig, und in der Anordnung derſelben kann ein einfältiges Gemüth ſein ruhiges Inneres ausdrücken. Inwiefern es möglich wäre, in die Anordnung von Blumen ſo viel Bedeutendes zu legen, daß wirklich ein innerer Zuſtand darin erkennbar wäre, wäre dieſe Art von Bildern zur Allegorie geeignet. Die dritte Stufe wäre Darſtellung der Farbe, ſofern ſie beweg- lich, organiſch, aber doch bloß äußerlich iſt. Dieß iſt der Fall mit der Thiermalerei. Beweglich, theils inwiefern überhaupt lebendige Geſchöpfe ein Vermögen der Selbſtbewegung und der Veränderung in ſich haben, theils inwiefern die unbedeckten Theile der Thiere, z. B. das Auge, wirklich ein bewegliches lebendiges Feuer haben. Allein dabei bleibt die Farbe doch immer noch eine äußerliche, weil an den Thieren das Fleiſch als ſolches nicht erſcheint, und die Darſtellung alſo ſich auf die Abbildung ihrer farbigen Bedeckungen, ihrer Bewegungen, und bei den gewaltigeren Naturen unter den Thieren auf Abbildung des Fun- kelns ihrer Augen und des darin ausgedrückten Zuſtandes ſich beſchrän- ken muß. Die thieriſche Natur überhaupt und einzelne thieriſche Leiber ſind an ſich von ſymboliſcher Bedeutung, die Natur ſelbſt wird in ihnen

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/219>, abgerufen am 24.11.2024.