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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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Linsen, durch die man das Licht gehen läßt, und wovon die erste das
Licht noch vollkommen weiß durchscheinen läßt, kann man in einem
dunklen Zimmer das erst weiße Licht endlich bis zum rothen Licht
trüben; durch eine weitere Fortsetzung würde man es bis ins Blaue
treiben. Nach diesem Gesetze färbt sich der Himmel für uns blau, die
Sonne dagegen im Aufgehen roth. Diese Phänomene, in welchen
durch das bloße Mehr oder Weniger der Trübung Farbe entsteht, sind
die einfachen, von denen man auszugehen hat. Von viel accidentelleren
Bedingungen sind alle Arten prismatischer Erscheinungen abhängig. Sie
beruhen, kann man allgemein sagen, darauf, daß ein Doppelbild gesehen
wird. Wir sehen Licht und Nicht-Licht zugleich (es findet eine subjek-
tive Synthese von Licht und Nicht-Licht im Auge statt). Durch die
Wirkung der Refraktion wird daher das betrachtete Bild verrückt, aber es
erleidet keine Veränderung, wenn es über einen andern relativ dunklen
oder erleuchteten Raum geführt wird, so daß das verrückte Bild zu-
gleich mit einem andern gesehen wird. Je nachdem nun dieser Raum
relativ gegen den andern hell oder dunkel ist, erscheint das Bild an
den Rändern verschiedentlich gefärbt; ist es nämlich der hellere Raum
auf dunklem Grund, der durch die Refraktion verrückt wird, so daß --
bei abwärts gekehrtem Brechungswinkel -- der dunkle Raum von oben ins
Helle, von unten der helle ins Dunkle geführt wird, so erscheinen an
jener Stelle die warmen, an dieser die kalten Farben.

Die Sonne in den Newtonschen Versuchen mit dem in einem
dunklen Zimmer auf das Prisma fallenden Licht stellt in der That dabei
nichts anderes als einen hellen Fleck auf dunklem Grund dar; sie wirkt
in der ganz allgemeinen Qualität eines Bilds von eminenter Helligkeit
auf einem durchaus dunklen Grund, dem Weltraum. Die prismatische
Erscheinung, sofern sie mit dem Sonnenlicht hervorgebracht wird, ist
also von den möglichen prismatischen Erscheinungen nur der Eine
Fall, der nämlich, wo auf einem dunklen Grunde ein heller Raum
gesehen wird.

Wichtiger ist es für uns, die ganze secundäre Stelle dieser Er-
scheinungen einzusehen.

Schelling, sämmtl. Werke. 1. Abth. V. 33

Linſen, durch die man das Licht gehen läßt, und wovon die erſte das
Licht noch vollkommen weiß durchſcheinen läßt, kann man in einem
dunklen Zimmer das erſt weiße Licht endlich bis zum rothen Licht
trüben; durch eine weitere Fortſetzung würde man es bis ins Blaue
treiben. Nach dieſem Geſetze färbt ſich der Himmel für uns blau, die
Sonne dagegen im Aufgehen roth. Dieſe Phänomene, in welchen
durch das bloße Mehr oder Weniger der Trübung Farbe entſteht, ſind
die einfachen, von denen man auszugehen hat. Von viel accidentelleren
Bedingungen ſind alle Arten prismatiſcher Erſcheinungen abhängig. Sie
beruhen, kann man allgemein ſagen, darauf, daß ein Doppelbild geſehen
wird. Wir ſehen Licht und Nicht-Licht zugleich (es findet eine ſubjek-
tive Syntheſe von Licht und Nicht-Licht im Auge ſtatt). Durch die
Wirkung der Refraktion wird daher das betrachtete Bild verrückt, aber es
erleidet keine Veränderung, wenn es über einen andern relativ dunklen
oder erleuchteten Raum geführt wird, ſo daß das verrückte Bild zu-
gleich mit einem andern geſehen wird. Je nachdem nun dieſer Raum
relativ gegen den andern hell oder dunkel iſt, erſcheint das Bild an
den Rändern verſchiedentlich gefärbt; iſt es nämlich der hellere Raum
auf dunklem Grund, der durch die Refraktion verrückt wird, ſo daß —
bei abwärts gekehrtem Brechungswinkel — der dunkle Raum von oben ins
Helle, von unten der helle ins Dunkle geführt wird, ſo erſcheinen an
jener Stelle die warmen, an dieſer die kalten Farben.

Die Sonne in den Newtonſchen Verſuchen mit dem in einem
dunklen Zimmer auf das Prisma fallenden Licht ſtellt in der That dabei
nichts anderes als einen hellen Fleck auf dunklem Grund dar; ſie wirkt
in der ganz allgemeinen Qualität eines Bilds von eminenter Helligkeit
auf einem durchaus dunklen Grund, dem Weltraum. Die prismatiſche
Erſcheinung, ſofern ſie mit dem Sonnenlicht hervorgebracht wird, iſt
alſo von den möglichen prismatiſchen Erſcheinungen nur der Eine
Fall, der nämlich, wo auf einem dunklen Grunde ein heller Raum
geſehen wird.

Wichtiger iſt es für uns, die ganze ſecundäre Stelle dieſer Er-
ſcheinungen einzuſehen.

Schelling, ſämmtl. Werke. 1. Abth. V. 33
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[513/0189] Linſen, durch die man das Licht gehen läßt, und wovon die erſte das Licht noch vollkommen weiß durchſcheinen läßt, kann man in einem dunklen Zimmer das erſt weiße Licht endlich bis zum rothen Licht trüben; durch eine weitere Fortſetzung würde man es bis ins Blaue treiben. Nach dieſem Geſetze färbt ſich der Himmel für uns blau, die Sonne dagegen im Aufgehen roth. Dieſe Phänomene, in welchen durch das bloße Mehr oder Weniger der Trübung Farbe entſteht, ſind die einfachen, von denen man auszugehen hat. Von viel accidentelleren Bedingungen ſind alle Arten prismatiſcher Erſcheinungen abhängig. Sie beruhen, kann man allgemein ſagen, darauf, daß ein Doppelbild geſehen wird. Wir ſehen Licht und Nicht-Licht zugleich (es findet eine ſubjek- tive Syntheſe von Licht und Nicht-Licht im Auge ſtatt). Durch die Wirkung der Refraktion wird daher das betrachtete Bild verrückt, aber es erleidet keine Veränderung, wenn es über einen andern relativ dunklen oder erleuchteten Raum geführt wird, ſo daß das verrückte Bild zu- gleich mit einem andern geſehen wird. Je nachdem nun dieſer Raum relativ gegen den andern hell oder dunkel iſt, erſcheint das Bild an den Rändern verſchiedentlich gefärbt; iſt es nämlich der hellere Raum auf dunklem Grund, der durch die Refraktion verrückt wird, ſo daß — bei abwärts gekehrtem Brechungswinkel — der dunkle Raum von oben ins Helle, von unten der helle ins Dunkle geführt wird, ſo erſcheinen an jener Stelle die warmen, an dieſer die kalten Farben. Die Sonne in den Newtonſchen Verſuchen mit dem in einem dunklen Zimmer auf das Prisma fallenden Licht ſtellt in der That dabei nichts anderes als einen hellen Fleck auf dunklem Grund dar; ſie wirkt in der ganz allgemeinen Qualität eines Bilds von eminenter Helligkeit auf einem durchaus dunklen Grund, dem Weltraum. Die prismatiſche Erſcheinung, ſofern ſie mit dem Sonnenlicht hervorgebracht wird, iſt alſo von den möglichen prismatiſchen Erſcheinungen nur der Eine Fall, der nämlich, wo auf einem dunklen Grunde ein heller Raum geſehen wird. Wichtiger iſt es für uns, die ganze ſecundäre Stelle dieſer Er- ſcheinungen einzuſehen. Schelling, ſämmtl. Werke. 1. Abth. V. 33

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/189>, abgerufen am 24.11.2024.