ist. Dieses liegt einzig in der musikalischen Bestimmbarkeit der Töne. In dieser Beziehung ist nun Modulation die Kunst, die Identität des Tons, welcher in dem Ganzen eines musikalischen Werks der herrschende ist, in der qualitativen Differenz ebenso zu erhalten, wie durch den Rhythmus dieselbe Identität in der quantitativen Differenz beob- achtet wird.
Ich muß mich in dieser Allgemeinheit ausdrücken, weil Modulation in der Kunstsprache so verschiedene Bedeutungen hat, und damit nicht etwas von der Bedeutung sich einmische, die sie nur in der modernen Musik hat. Jene künstliche Art, durch die sogenannten Ausweichungen und Schlüsse Gesang und Harmonie durch mehrere Töne hindurchzu- führen, zuletzt aber wieder auf den ersten Hauptton zu kommen, gehört schon ganz der modernen Kunst an.
Da es unmöglich ist, daß ich in alle diese technischen Erörterungen eingehe, welche nur in einer Theorie der Musik und nicht in einer allgemeinen Construktion gegeben werden können, so bemerken Sie nur im Allgemeinen, daß sich die beiden Einheiten, die durch Rhythmus und Modulation bezeichnet werden können, jene als die quantitative, diese als die qualitative zu denken ist, daß aber jene in ihrer Absolut- heit die andere schon begreifen müsse, so daß die Unabhängigkeit der anderen Einheit von der ersten jene selbst in ihrer Absolutheit aufhebt, und die bloß auf Harmonie gegründete Musik zum Produkt gibt, was durch die Folge sogleich verständlicher werden soll: -- Rhythmus in dieser Bedeutung, d. h. sofern er die andere Einheit schon begreift, ist also die ganze Musik. -- Wir werden hierdurch schon auf die Idee einer Differenz geleitet, die dadurch entsteht, daß in dem einen Fall die ganze Musik der ersten Einheit, dem Rhythmus, in dem andern der zweiten oder der Modulation untergeordnet wird, wodurch zwei in ihrer Art zwar gleich absolute, aber verschiedene Gattungen der Musik entspringen.
§. 81. Die dritte Einheit, in welcher die beiden ersten gleich gesetzt sind, ist die Melodie. -- Da dieser Satz eigentlich nur Erklärung ist, und niemand in Zweifel ziehen wird, daß Vereinigung
iſt. Dieſes liegt einzig in der muſikaliſchen Beſtimmbarkeit der Töne. In dieſer Beziehung iſt nun Modulation die Kunſt, die Identität des Tons, welcher in dem Ganzen eines muſikaliſchen Werks der herrſchende iſt, in der qualitativen Differenz ebenſo zu erhalten, wie durch den Rhythmus dieſelbe Identität in der quantitativen Differenz beob- achtet wird.
Ich muß mich in dieſer Allgemeinheit ausdrücken, weil Modulation in der Kunſtſprache ſo verſchiedene Bedeutungen hat, und damit nicht etwas von der Bedeutung ſich einmiſche, die ſie nur in der modernen Muſik hat. Jene künſtliche Art, durch die ſogenannten Ausweichungen und Schlüſſe Geſang und Harmonie durch mehrere Töne hindurchzu- führen, zuletzt aber wieder auf den erſten Hauptton zu kommen, gehört ſchon ganz der modernen Kunſt an.
Da es unmöglich iſt, daß ich in alle dieſe techniſchen Erörterungen eingehe, welche nur in einer Theorie der Muſik und nicht in einer allgemeinen Conſtruktion gegeben werden können, ſo bemerken Sie nur im Allgemeinen, daß ſich die beiden Einheiten, die durch Rhythmus und Modulation bezeichnet werden können, jene als die quantitative, dieſe als die qualitative zu denken iſt, daß aber jene in ihrer Abſolut- heit die andere ſchon begreifen müſſe, ſo daß die Unabhängigkeit der anderen Einheit von der erſten jene ſelbſt in ihrer Abſolutheit aufhebt, und die bloß auf Harmonie gegründete Muſik zum Produkt gibt, was durch die Folge ſogleich verſtändlicher werden ſoll: — Rhythmus in dieſer Bedeutung, d. h. ſofern er die andere Einheit ſchon begreift, iſt alſo die ganze Muſik. — Wir werden hierdurch ſchon auf die Idee einer Differenz geleitet, die dadurch entſteht, daß in dem einen Fall die ganze Muſik der erſten Einheit, dem Rhythmus, in dem andern der zweiten oder der Modulation untergeordnet wird, wodurch zwei in ihrer Art zwar gleich abſolute, aber verſchiedene Gattungen der Muſik entſpringen.
§. 81. Die dritte Einheit, in welcher die beiden erſten gleich geſetzt ſind, iſt die Melodie. — Da dieſer Satz eigentlich nur Erklärung iſt, und niemand in Zweifel ziehen wird, daß Vereinigung
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iſt. Dieſes liegt einzig in der muſikaliſchen Beſtimmbarkeit der Töne.
In dieſer Beziehung iſt nun Modulation die Kunſt, die Identität des
Tons, welcher in dem Ganzen eines muſikaliſchen Werks der herrſchende
iſt, in der qualitativen Differenz ebenſo zu erhalten, wie durch
den Rhythmus dieſelbe Identität in der quantitativen Differenz beob-
achtet wird.
Ich muß mich in dieſer Allgemeinheit ausdrücken, weil Modulation
in der Kunſtſprache ſo verſchiedene Bedeutungen hat, und damit nicht
etwas von der Bedeutung ſich einmiſche, die ſie nur in der modernen
Muſik hat. Jene künſtliche Art, durch die ſogenannten Ausweichungen
und Schlüſſe Geſang und Harmonie durch mehrere Töne hindurchzu-
führen, zuletzt aber wieder auf den erſten Hauptton zu kommen, gehört
ſchon ganz der modernen Kunſt an.
Da es unmöglich iſt, daß ich in alle dieſe techniſchen Erörterungen
eingehe, welche nur in einer Theorie der Muſik und nicht in einer
allgemeinen Conſtruktion gegeben werden können, ſo bemerken Sie nur
im Allgemeinen, daß ſich die beiden Einheiten, die durch Rhythmus
und Modulation bezeichnet werden können, jene als die quantitative,
dieſe als die qualitative zu denken iſt, daß aber jene in ihrer Abſolut-
heit die andere ſchon begreifen müſſe, ſo daß die Unabhängigkeit der
anderen Einheit von der erſten jene ſelbſt in ihrer Abſolutheit aufhebt,
und die bloß auf Harmonie gegründete Muſik zum Produkt gibt, was
durch die Folge ſogleich verſtändlicher werden ſoll: — Rhythmus in dieſer
Bedeutung, d. h. ſofern er die andere Einheit ſchon begreift,
iſt alſo die ganze Muſik. — Wir werden hierdurch ſchon auf die Idee
einer Differenz geleitet, die dadurch entſteht, daß in dem einen Fall
die ganze Muſik der erſten Einheit, dem Rhythmus, in dem andern
der zweiten oder der Modulation untergeordnet wird, wodurch zwei in
ihrer Art zwar gleich abſolute, aber verſchiedene Gattungen der Muſik
entſpringen.
§. 81. Die dritte Einheit, in welcher die beiden erſten
gleich geſetzt ſind, iſt die Melodie. — Da dieſer Satz eigentlich
nur Erklärung iſt, und niemand in Zweifel ziehen wird, daß Vereinigung
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/171>, abgerufen am 22.11.2024.
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