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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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dem Vater wieder befahl, zurückgab, und an sich das Endliche vernich-
tend, Opfer für die Welt wird. Diese symbolischen Handlungen werden
im Christenthum fortgesetzt durch das Nachtmahl und die Taufe.
Das Nachtmahl hat wieder zwei Seiten, von denen es betrachtet werden
kann, die ideelle, inwiefern es das Subjekt ist, das sich den Gott
schafft, und in das jene geheimnißvolle Einigung des Unendlichen und
Endlichen fällt, und die symbolische. Inwiefern die Handlung, wodurch
das Endliche hier zugleich das Unendliche wird, als Andacht in das
empfangende Subjekt selbst fällt, insofern ist sie nicht symbolisch, son-
dern mystisch; inwiefern sie aber eine äußere Handlung ist, ist sie
symbolisch. (Wir werden auf diesen sehr wichtigen Unterschied des
Mystischen und Symbolischen in der Folge zurückkommen).

Inwiefern nun die Kirche sich als den sichtbaren Leib Gottes
betrachtete, wovon alle einzelnen die Glieder wären, constituirte sie sich
selbst durch Handlung. Das öffentliche Leben der Kirche konnte also
allein symbolisch, ihr Cultus ein lebendiges Kunstwerk, gleichsam ein
geistliches Drama seyn, woran jedes Glied theilhatte. Die populäre
Richtung des Christenthums, das Princip der Kirche, alles wie ein
Ocean in sich aufzunehmen, auch die Elenden und Verachteten nicht
von sich auszuschließen, das Streben mit Einem Wort, katholisch,
universell zu seyn, mußte sie bald bestimmen, eine äußerliche Totalität,
gleichsam einen Leib sich zu geben; und so war die Kirche selbst in der
Ganzheit ihrer Erscheinung symbolisch und das Symbol der Verfassung
des Himmelreichs selbst.

Das Christenthum als die in Handlung ausgesprochene Ideenwelt
war ein sichtbares Reich, und bildete sich nothwendig zur Hierarchie,
deren Urbild in der Ideenwelt lag. In den Menschen fiel hier die
Forderung, Symbol der Ideenwelt zu seyn, nicht mehr in die Natur,
in das Handeln, nicht mehr in das Seyn. Die Hierarchie war das
einzige Institut seiner Art von einer Größe des Gedankens, die ins-
gemein viel zu einseitig gefaßt wird. Ewig merkwürdig wird es bleiben,
daß eben mit dem Untergang des römischen Reichs, welches den
größten Theil der bekannten Welt zur Totalität vereinigt hatte, das

dem Vater wieder befahl, zurückgab, und an ſich das Endliche vernich-
tend, Opfer für die Welt wird. Dieſe ſymboliſchen Handlungen werden
im Chriſtenthum fortgeſetzt durch das Nachtmahl und die Taufe.
Das Nachtmahl hat wieder zwei Seiten, von denen es betrachtet werden
kann, die ideelle, inwiefern es das Subjekt iſt, das ſich den Gott
ſchafft, und in das jene geheimnißvolle Einigung des Unendlichen und
Endlichen fällt, und die ſymboliſche. Inwiefern die Handlung, wodurch
das Endliche hier zugleich das Unendliche wird, als Andacht in das
empfangende Subjekt ſelbſt fällt, inſofern iſt ſie nicht ſymboliſch, ſon-
dern myſtiſch; inwiefern ſie aber eine äußere Handlung iſt, iſt ſie
ſymboliſch. (Wir werden auf dieſen ſehr wichtigen Unterſchied des
Myſtiſchen und Symboliſchen in der Folge zurückkommen).

Inwiefern nun die Kirche ſich als den ſichtbaren Leib Gottes
betrachtete, wovon alle einzelnen die Glieder wären, conſtituirte ſie ſich
ſelbſt durch Handlung. Das öffentliche Leben der Kirche konnte alſo
allein ſymboliſch, ihr Cultus ein lebendiges Kunſtwerk, gleichſam ein
geiſtliches Drama ſeyn, woran jedes Glied theilhatte. Die populäre
Richtung des Chriſtenthums, das Princip der Kirche, alles wie ein
Ocean in ſich aufzunehmen, auch die Elenden und Verachteten nicht
von ſich auszuſchließen, das Streben mit Einem Wort, katholiſch,
univerſell zu ſeyn, mußte ſie bald beſtimmen, eine äußerliche Totalität,
gleichſam einen Leib ſich zu geben; und ſo war die Kirche ſelbſt in der
Ganzheit ihrer Erſcheinung ſymboliſch und das Symbol der Verfaſſung
des Himmelreichs ſelbſt.

Das Chriſtenthum als die in Handlung ausgeſprochene Ideenwelt
war ein ſichtbares Reich, und bildete ſich nothwendig zur Hierarchie,
deren Urbild in der Ideenwelt lag. In den Menſchen fiel hier die
Forderung, Symbol der Ideenwelt zu ſeyn, nicht mehr in die Natur,
in das Handeln, nicht mehr in das Seyn. Die Hierarchie war das
einzige Inſtitut ſeiner Art von einer Größe des Gedankens, die ins-
gemein viel zu einſeitig gefaßt wird. Ewig merkwürdig wird es bleiben,
daß eben mit dem Untergang des römiſchen Reichs, welches den
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[434/0110] dem Vater wieder befahl, zurückgab, und an ſich das Endliche vernich- tend, Opfer für die Welt wird. Dieſe ſymboliſchen Handlungen werden im Chriſtenthum fortgeſetzt durch das Nachtmahl und die Taufe. Das Nachtmahl hat wieder zwei Seiten, von denen es betrachtet werden kann, die ideelle, inwiefern es das Subjekt iſt, das ſich den Gott ſchafft, und in das jene geheimnißvolle Einigung des Unendlichen und Endlichen fällt, und die ſymboliſche. Inwiefern die Handlung, wodurch das Endliche hier zugleich das Unendliche wird, als Andacht in das empfangende Subjekt ſelbſt fällt, inſofern iſt ſie nicht ſymboliſch, ſon- dern myſtiſch; inwiefern ſie aber eine äußere Handlung iſt, iſt ſie ſymboliſch. (Wir werden auf dieſen ſehr wichtigen Unterſchied des Myſtiſchen und Symboliſchen in der Folge zurückkommen). Inwiefern nun die Kirche ſich als den ſichtbaren Leib Gottes betrachtete, wovon alle einzelnen die Glieder wären, conſtituirte ſie ſich ſelbſt durch Handlung. Das öffentliche Leben der Kirche konnte alſo allein ſymboliſch, ihr Cultus ein lebendiges Kunſtwerk, gleichſam ein geiſtliches Drama ſeyn, woran jedes Glied theilhatte. Die populäre Richtung des Chriſtenthums, das Princip der Kirche, alles wie ein Ocean in ſich aufzunehmen, auch die Elenden und Verachteten nicht von ſich auszuſchließen, das Streben mit Einem Wort, katholiſch, univerſell zu ſeyn, mußte ſie bald beſtimmen, eine äußerliche Totalität, gleichſam einen Leib ſich zu geben; und ſo war die Kirche ſelbſt in der Ganzheit ihrer Erſcheinung ſymboliſch und das Symbol der Verfaſſung des Himmelreichs ſelbſt. Das Chriſtenthum als die in Handlung ausgeſprochene Ideenwelt war ein ſichtbares Reich, und bildete ſich nothwendig zur Hierarchie, deren Urbild in der Ideenwelt lag. In den Menſchen fiel hier die Forderung, Symbol der Ideenwelt zu ſeyn, nicht mehr in die Natur, in das Handeln, nicht mehr in das Seyn. Die Hierarchie war das einzige Inſtitut ſeiner Art von einer Größe des Gedankens, die ins- gemein viel zu einſeitig gefaßt wird. Ewig merkwürdig wird es bleiben, daß eben mit dem Untergang des römiſchen Reichs, welches den größten Theil der bekannten Welt zur Totalität vereinigt hatte, das

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/110>, abgerufen am 28.11.2024.