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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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Symbol einer Idee betrachtet werden kann, erhellt daraus, daß die
drei Einheiten in der göttlichen Natur selbst ganz ideal gedacht werden,
und selbst Ideen, aber nicht Symbole von Ideen sind, daß diese Idee
von ganz philosophischem Gehalt ist. Das Ewige ist der Vater aller
Dinge, der nie aus seiner Ewigkeit herausgeht, aber sich von Ewigkeit
in zwei mit ihm gleich ewige Formen gebiert, das Endliche, welches
der an sich absolute, in der Erscheinung aber leidende und menschwer-
dende Sohn Gottes ist, dann der ewige Geist, das Unendliche, in dem
alle Dinge eins sind. Ueber dem der alles auflösende Gott.

Man kann sagen, daß, wenn diese Ideen an und für sich fähig
wären, poetische Realität zu haben, sie solche durch ihre Behandlung
im Christenthum erlangt hätten. Sie wurden gleich anfänglich völlig
unabhängig von ihrer speculativen Bedeutung, ganz historisch, buchstäb-
lich genommen. Aber es war der ersten Anlage nach unmöglich, daß
sie sich symbolisch gestalten konnten. Dante, der im letzten Gesang
seines Paradieses zur Anschauung Gottes gelangt, sieht in der Tiefe
der klaren Substanz der Gottheit drei Lichtkreise von drei Farben und
Einem Umfang; einer schien nur von dem andern wie Regenbogen von
Regenbogen reflektirt, und der dritte war der Brennpunkt, der nach allen
Seiten gleich ausathmete. Aber er selbst verglich seinen Zustand mit
dem des Geometers, der sich ganz auf die Messung des Kreises heftet,
und das Princip nicht findet, dessen er bedarf.

Nur die Idee des Sohns ist im Christenthum zur Gestalt ge-
worden; aber auch dieß nur durch Verlust ihres höchsten Sinns. Wenn
in dem Christenthum der Sohn Gottes eine wahrhaft symbolische Be-
deutung haben sollte, so hatte er diese als Symbol der ewigen Mensch-
werdung Gottes im Endlichen. Also dieß sollte er bedeuten und zu-
gleich
eine einzelne Person seyn; aber im Christenthum ist er bloß
dieses, seine Beziehung ist nur historisch, keine Beziehung auf Natur.
Christus war gleichsam der Gipfel der Menschwerdung Gottes, und
demnach der Mensch gewordene Gott selbst. Aber wie verschieden zeigt
sich diese Menschwerdung Gottes im Christenthum von der Verend-
lichung des Göttlichen im Heidenthum. Es ist im Christenthum nicht

Symbol einer Idee betrachtet werden kann, erhellt daraus, daß die
drei Einheiten in der göttlichen Natur ſelbſt ganz ideal gedacht werden,
und ſelbſt Ideen, aber nicht Symbole von Ideen ſind, daß dieſe Idee
von ganz philoſophiſchem Gehalt iſt. Das Ewige iſt der Vater aller
Dinge, der nie aus ſeiner Ewigkeit herausgeht, aber ſich von Ewigkeit
in zwei mit ihm gleich ewige Formen gebiert, das Endliche, welches
der an ſich abſolute, in der Erſcheinung aber leidende und menſchwer-
dende Sohn Gottes iſt, dann der ewige Geiſt, das Unendliche, in dem
alle Dinge eins ſind. Ueber dem der alles auflöſende Gott.

Man kann ſagen, daß, wenn dieſe Ideen an und für ſich fähig
wären, poetiſche Realität zu haben, ſie ſolche durch ihre Behandlung
im Chriſtenthum erlangt hätten. Sie wurden gleich anfänglich völlig
unabhängig von ihrer ſpeculativen Bedeutung, ganz hiſtoriſch, buchſtäb-
lich genommen. Aber es war der erſten Anlage nach unmöglich, daß
ſie ſich ſymboliſch geſtalten konnten. Dante, der im letzten Geſang
ſeines Paradieſes zur Anſchauung Gottes gelangt, ſieht in der Tiefe
der klaren Subſtanz der Gottheit drei Lichtkreiſe von drei Farben und
Einem Umfang; einer ſchien nur von dem andern wie Regenbogen von
Regenbogen reflektirt, und der dritte war der Brennpunkt, der nach allen
Seiten gleich ausathmete. Aber er ſelbſt verglich ſeinen Zuſtand mit
dem des Geometers, der ſich ganz auf die Meſſung des Kreiſes heftet,
und das Princip nicht findet, deſſen er bedarf.

Nur die Idee des Sohns iſt im Chriſtenthum zur Geſtalt ge-
worden; aber auch dieß nur durch Verluſt ihres höchſten Sinns. Wenn
in dem Chriſtenthum der Sohn Gottes eine wahrhaft ſymboliſche Be-
deutung haben ſollte, ſo hatte er dieſe als Symbol der ewigen Menſch-
werdung Gottes im Endlichen. Alſo dieß ſollte er bedeuten und zu-
gleich
eine einzelne Perſon ſeyn; aber im Chriſtenthum iſt er bloß
dieſes, ſeine Beziehung iſt nur hiſtoriſch, keine Beziehung auf Natur.
Chriſtus war gleichſam der Gipfel der Menſchwerdung Gottes, und
demnach der Menſch gewordene Gott ſelbſt. Aber wie verſchieden zeigt
ſich dieſe Menſchwerdung Gottes im Chriſtenthum von der Verend-
lichung des Göttlichen im Heidenthum. Es iſt im Chriſtenthum nicht

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[431/0107] Symbol einer Idee betrachtet werden kann, erhellt daraus, daß die drei Einheiten in der göttlichen Natur ſelbſt ganz ideal gedacht werden, und ſelbſt Ideen, aber nicht Symbole von Ideen ſind, daß dieſe Idee von ganz philoſophiſchem Gehalt iſt. Das Ewige iſt der Vater aller Dinge, der nie aus ſeiner Ewigkeit herausgeht, aber ſich von Ewigkeit in zwei mit ihm gleich ewige Formen gebiert, das Endliche, welches der an ſich abſolute, in der Erſcheinung aber leidende und menſchwer- dende Sohn Gottes iſt, dann der ewige Geiſt, das Unendliche, in dem alle Dinge eins ſind. Ueber dem der alles auflöſende Gott. Man kann ſagen, daß, wenn dieſe Ideen an und für ſich fähig wären, poetiſche Realität zu haben, ſie ſolche durch ihre Behandlung im Chriſtenthum erlangt hätten. Sie wurden gleich anfänglich völlig unabhängig von ihrer ſpeculativen Bedeutung, ganz hiſtoriſch, buchſtäb- lich genommen. Aber es war der erſten Anlage nach unmöglich, daß ſie ſich ſymboliſch geſtalten konnten. Dante, der im letzten Geſang ſeines Paradieſes zur Anſchauung Gottes gelangt, ſieht in der Tiefe der klaren Subſtanz der Gottheit drei Lichtkreiſe von drei Farben und Einem Umfang; einer ſchien nur von dem andern wie Regenbogen von Regenbogen reflektirt, und der dritte war der Brennpunkt, der nach allen Seiten gleich ausathmete. Aber er ſelbſt verglich ſeinen Zuſtand mit dem des Geometers, der ſich ganz auf die Meſſung des Kreiſes heftet, und das Princip nicht findet, deſſen er bedarf. Nur die Idee des Sohns iſt im Chriſtenthum zur Geſtalt ge- worden; aber auch dieß nur durch Verluſt ihres höchſten Sinns. Wenn in dem Chriſtenthum der Sohn Gottes eine wahrhaft ſymboliſche Be- deutung haben ſollte, ſo hatte er dieſe als Symbol der ewigen Menſch- werdung Gottes im Endlichen. Alſo dieß ſollte er bedeuten und zu- gleich eine einzelne Perſon ſeyn; aber im Chriſtenthum iſt er bloß dieſes, ſeine Beziehung iſt nur hiſtoriſch, keine Beziehung auf Natur. Chriſtus war gleichſam der Gipfel der Menſchwerdung Gottes, und demnach der Menſch gewordene Gott ſelbſt. Aber wie verſchieden zeigt ſich dieſe Menſchwerdung Gottes im Chriſtenthum von der Verend- lichung des Göttlichen im Heidenthum. Es iſt im Chriſtenthum nicht

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/107>, abgerufen am 28.11.2024.