Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Dieser Pantoffelparade, so nannte
man diesen Zweig der akademischen Volks-
justitz, wohnte ich nur ein paarmal, im zweyten
Gliede stehend, bey, weil sie mich so sehr
anwiderte, daß ich nicht allein selbst weg-
blieb, sondern auch meinen Bekannten da-
von abzurathen versuchte. Meine Misbilli-
gung solcher, auch noch in neuern Zeiten
unter der Firma von Burschenfreyheit vor-
kommender, Aeußerungen hat mit der Ver-
mehrung der Mittel zur Sittenverfeinerung
sehr zugenommen, und es ekelt mich förm-
lich, wenn ich anständiger Eltern Söhne,
die ihren humanistischen Studien gemäß
Humanitätsmuster seyn sollten, sich so höchst
inhuman betragen sehe. Denn so geneigt
ich auch bin, Jünglingen einen mit Verstand
oder wenigstens mit witziger Laune gewürz-
ten Streich zu verzeihen, so verdrießen mich
doch alle Späße, die mit Belerdigungen au-
heben oder darauf ausgehen, und, wie bey
Studentenneckereyen mehr entheils der Fall
ist, das Zeichen eines bloßen Muthwillens an
der Stirn tragen, dann aber auch gemein-
hin mit dem Schaden der Witzmeister oder
Fenstereinwerfen enden. Eine andere Stu-
dentensitte damaliger Zeit war das sogenannte

Dieſer Pantoffelparade, ſo nannte
man dieſen Zweig der akademiſchen Volks-
juſtitz, wohnte ich nur ein paarmal, im zweyten
Gliede ſtehend, bey, weil ſie mich ſo ſehr
anwiderte, daß ich nicht allein ſelbſt weg-
blieb, ſondern auch meinen Bekannten da-
von abzurathen verſuchte. Meine Misbilli-
gung ſolcher, auch noch in neuern Zeiten
unter der Firma von Burſchenfreyheit vor-
kommender, Aeußerungen hat mit der Ver-
mehrung der Mittel zur Sittenverfeinerung
ſehr zugenommen, und es ekelt mich foͤrm-
lich, wenn ich anſtaͤndiger Eltern Soͤhne,
die ihren humaniſtiſchen Studien gemaͤß
Humanitaͤtsmuſter ſeyn ſollten, ſich ſo hoͤchſt
inhuman betragen ſehe. Denn ſo geneigt
ich auch bin, Juͤnglingen einen mit Verſtand
oder wenigſtens mit witziger Laune gewuͤrz-
ten Streich zu verzeihen, ſo verdrießen mich
doch alle Spaͤße, die mit Beleꝛdigungen au-
heben oder darauf ausgehen, und, wie bey
Studentenneckereyen mehꝛ entheils der Fall
iſt, das Zeichen eines bloßen Muthwillens an
der Stirn tragen, dann aber auch gemein-
hin mit dem Schaden der Witzmeiſter oder
Fenſtereinwerfen enden. Eine andere Stu-
dentenſitte damaliger Zeit war das ſogenannte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="46"/>
Die&#x017F;er <hi rendition="#g">Pantoffelparade,</hi> &#x017F;o nannte<lb/>
man die&#x017F;en Zweig der akademi&#x017F;chen Volks-<lb/>
ju&#x017F;titz, wohnte ich nur ein paarmal, im zweyten<lb/>
Gliede &#x017F;tehend, bey, weil &#x017F;ie mich &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
anwiderte, daß ich nicht allein &#x017F;elb&#x017F;t weg-<lb/>
blieb, &#x017F;ondern auch meinen Bekannten da-<lb/>
von abzurathen ver&#x017F;uchte. Meine Misbilli-<lb/>
gung &#x017F;olcher, auch noch in neuern Zeiten<lb/>
unter der Firma von Bur&#x017F;chenfreyheit vor-<lb/>
kommender, Aeußerungen hat mit der Ver-<lb/>
mehrung der Mittel zur Sittenverfeinerung<lb/>
&#x017F;ehr zugenommen, und es ekelt mich fo&#x0364;rm-<lb/>
lich, wenn ich an&#x017F;ta&#x0364;ndiger Eltern So&#x0364;hne,<lb/>
die ihren humani&#x017F;ti&#x017F;chen Studien gema&#x0364;ß<lb/>
Humanita&#x0364;tsmu&#x017F;ter &#x017F;eyn &#x017F;ollten, &#x017F;ich &#x017F;o ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
inhuman betragen &#x017F;ehe. Denn &#x017F;o geneigt<lb/>
ich auch bin, Ju&#x0364;nglingen einen mit Ver&#x017F;tand<lb/>
oder wenig&#x017F;tens mit witziger Laune gewu&#x0364;rz-<lb/>
ten Streich zu verzeihen, &#x017F;o verdrießen mich<lb/>
doch alle Spa&#x0364;ße, die mit Bele&#xA75B;digungen au-<lb/>
heben oder darauf ausgehen, und, wie bey<lb/>
Studentenneckereyen meh&#xA75B; entheils der Fall<lb/>
i&#x017F;t, das Zeichen eines bloßen Muthwillens an<lb/>
der Stirn tragen, dann aber auch gemein-<lb/>
hin mit dem Schaden der Witzmei&#x017F;ter oder<lb/>
Fen&#x017F;tereinwerfen enden. Eine andere Stu-<lb/>
denten&#x017F;itte damaliger Zeit war das &#x017F;ogenannte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0063] Dieſer Pantoffelparade, ſo nannte man dieſen Zweig der akademiſchen Volks- juſtitz, wohnte ich nur ein paarmal, im zweyten Gliede ſtehend, bey, weil ſie mich ſo ſehr anwiderte, daß ich nicht allein ſelbſt weg- blieb, ſondern auch meinen Bekannten da- von abzurathen verſuchte. Meine Misbilli- gung ſolcher, auch noch in neuern Zeiten unter der Firma von Burſchenfreyheit vor- kommender, Aeußerungen hat mit der Ver- mehrung der Mittel zur Sittenverfeinerung ſehr zugenommen, und es ekelt mich foͤrm- lich, wenn ich anſtaͤndiger Eltern Soͤhne, die ihren humaniſtiſchen Studien gemaͤß Humanitaͤtsmuſter ſeyn ſollten, ſich ſo hoͤchſt inhuman betragen ſehe. Denn ſo geneigt ich auch bin, Juͤnglingen einen mit Verſtand oder wenigſtens mit witziger Laune gewuͤrz- ten Streich zu verzeihen, ſo verdrießen mich doch alle Spaͤße, die mit Beleꝛdigungen au- heben oder darauf ausgehen, und, wie bey Studentenneckereyen mehꝛ entheils der Fall iſt, das Zeichen eines bloßen Muthwillens an der Stirn tragen, dann aber auch gemein- hin mit dem Schaden der Witzmeiſter oder Fenſtereinwerfen enden. Eine andere Stu- dentenſitte damaliger Zeit war das ſogenannte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/63
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/63>, abgerufen am 24.11.2024.