Unvermögens auf die gleiche Unvermögenheit des andern Theils zu schlüßen, und daher eine nähere Verbindung entbehrlich zu finden.
Mit jungen Menschen einen Freund- schaftsbund einzugehen vermag der Greis auch nicht. Ein neues Bret läßt sich an kein altes leimen, an dem alter Leim klebt, und wer mag sich die Mühe machen, den Altersleim abzuschaben, wer wollt es wagen, ihn mit dreusten Hobelstrichen wegzuschaffen?
Vereinen sich Greis und Jüngling, so veranlaßt und unterhält diese Verbindung gemeinhin bürgerliche Nothwendigkeit oder häußliches Bedürfniß, und nähern sie sich ja aus Gemüthlichkeit, so wird man finden, daß die Neigung der Alten zu den Jungen mehr von der Weichlichkeit der elterlichen Liebe, die der Jungen zu den Alten mehr von einer eigennützigen Schmeicheley oder Leichtsinnigkeit, oder kalter Ehrfurcht an sich hat.
Zwey gleichjunge Herzen schießen sym- pathetisch an einander, und ihre Freund- schaft hat daher etwas von der Unbedacht- samkeit der Schul- und Kriegs-Camerad- schaft an sich, dagegen sympathisirt das verknorpelte und verknöcherte Alter eigent-
Unvermoͤgens auf die gleiche Unvermoͤgenheit des andern Theils zu ſchluͤßen, und daher eine naͤhere Verbindung entbehrlich zu finden.
Mit jungen Menſchen einen Freund- ſchaftsbund einzugehen vermag der Greis auch nicht. Ein neues Bret laͤßt ſich an kein altes leimen, an dem alter Leim klebt, und wer mag ſich die Muͤhe machen, den Altersleim abzuſchaben, wer wollt es wagen, ihn mit dreuſten Hobelſtrichen wegzuſchaffen?
Vereinen ſich Greis und Juͤngling, ſo veranlaßt und unterhaͤlt dieſe Verbindung gemeinhin buͤrgerliche Nothwendigkeit oder haͤußliches Beduͤrfniß, und naͤhern ſie ſich ja aus Gemuͤthlichkeit, ſo wird man finden, daß die Neigung der Alten zu den Jungen mehr von der Weichlichkeit der elterlichen Liebe, die der Jungen zu den Alten mehr von einer eigennuͤtzigen Schmeicheley oder Leichtſinnigkeit, oder kalter Ehrfurcht an ſich hat.
Zwey gleichjunge Herzen ſchießen ſym- pathetiſch an einander, und ihre Freund- ſchaft hat daher etwas von der Unbedacht- ſamkeit der Schul- und Kriegs-Camerad- ſchaft an ſich, dagegen ſympathiſirt das verknorpelte und verknoͤcherte Alter eigent-
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Unvermoͤgens auf die gleiche Unvermoͤgenheit
des andern Theils zu ſchluͤßen, und daher
eine naͤhere Verbindung entbehrlich zu finden.
Mit jungen Menſchen einen Freund-
ſchaftsbund einzugehen vermag der Greis
auch nicht. Ein neues Bret laͤßt ſich an
kein altes leimen, an dem alter Leim klebt,
und wer mag ſich die Muͤhe machen, den
Altersleim abzuſchaben, wer wollt es wagen,
ihn mit dreuſten Hobelſtrichen wegzuſchaffen?
Vereinen ſich Greis und Juͤngling, ſo
veranlaßt und unterhaͤlt dieſe Verbindung
gemeinhin buͤrgerliche Nothwendigkeit oder
haͤußliches Beduͤrfniß, und naͤhern ſie ſich ja
aus Gemuͤthlichkeit, ſo wird man finden,
daß die Neigung der Alten zu den Jungen
mehr von der Weichlichkeit der elterlichen
Liebe, die der Jungen zu den Alten mehr
von einer eigennuͤtzigen Schmeicheley oder
Leichtſinnigkeit, oder kalter Ehrfurcht an
ſich hat.
Zwey gleichjunge Herzen ſchießen ſym-
pathetiſch an einander, und ihre Freund-
ſchaft hat daher etwas von der Unbedacht-
ſamkeit der Schul- und Kriegs-Camerad-
ſchaft an ſich, dagegen ſympathiſirt das
verknorpelte und verknoͤcherte Alter eigent-
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/432>, abgerufen am 22.11.2024.
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