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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Liegt es blos an der Schwäche des
hohen Alters und an seiner absoluten Unfä-
higkeit zu manchen leiblichen und geistigen
Genüssen, oder liegt es an der warnenden
Wiedererinnerung des vielen schon Erlebten,
daß es beynah unvermögend ist, neue Freund-
schaften zu schlüßen, ja selbst die in spätern
Jahren angeknüpften gehörig fortzusetzen?
Führt etwa der Spiritus Rektor, der dem
Dicasterio der Seelenfähigkeiten vorsteht, im
hohen Alter sein Regiment mit härterm Ei-
gensinn, und hält er Verstand, Willen,
Einbildungskraft und Empfindung so streng
im Zügel, daß keines von ihnen seinen eig-
nen Schritt fortgehen und sich über irgend
etwas nach Belieben ein und auslassen kann?

Einbildungskraft und Empfindung sind
die Wählerinnen in der Freundschaft, und
ob sich gleich der Verstand das Bestätigungs-
recht zueignet, so ergiebt sich doch der Wille,
dieser Stiefbruder des Eigensiuns, selten sei-
nes Einspruchrechts und läßt es sich noch
seltner nehmen, so daß mehrentheils dem
Willen und dem Eigensinn die endliche Ent-
scheidung überlassen bleibt: es dürfte daher
wohl im Eigensinn, der mit den Jahren so
lange zunimmt, bis der Marasmus senilis

Liegt es blos an der Schwaͤche des
hohen Alters und an ſeiner abſoluten Unfaͤ-
higkeit zu manchen leiblichen und geiſtigen
Genuͤſſen, oder liegt es an der warnenden
Wiedererinnerung des vielen ſchon Erlebten,
daß es beynah unvermoͤgend iſt, neue Freund-
ſchaften zu ſchluͤßen, ja ſelbſt die in ſpaͤtern
Jahren angeknuͤpften gehoͤrig fortzuſetzen?
Fuͤhrt etwa der Spiritus Rektor, der dem
Dicaſterio der Seelenfaͤhigkeiten vorſteht, im
hohen Alter ſein Regiment mit haͤrterm Ei-
genſinn, und haͤlt er Verſtand, Willen,
Einbildungskraft und Empfindung ſo ſtreng
im Zuͤgel, daß keines von ihnen ſeinen eig-
nen Schritt fortgehen und ſich uͤber irgend
etwas nach Belieben ein und auslaſſen kann?

Einbildungskraft und Empfindung ſind
die Waͤhlerinnen in der Freundſchaft, und
ob ſich gleich der Verſtand das Beſtaͤtigungs-
recht zueignet, ſo ergiebt ſich doch der Wille,
dieſer Stiefbruder des Eigenſiuns, ſelten ſei-
nes Einſpruchrechts und laͤßt es ſich noch
ſeltner nehmen, ſo daß mehrentheils dem
Willen und dem Eigenſinn die endliche Ent-
ſcheidung uͤberlaſſen bleibt: es duͤrfte daher
wohl im Eigenſinn, der mit den Jahren ſo
lange zunimmt, bis der Marasmus ſenilis

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[413/0430] Liegt es blos an der Schwaͤche des hohen Alters und an ſeiner abſoluten Unfaͤ- higkeit zu manchen leiblichen und geiſtigen Genuͤſſen, oder liegt es an der warnenden Wiedererinnerung des vielen ſchon Erlebten, daß es beynah unvermoͤgend iſt, neue Freund- ſchaften zu ſchluͤßen, ja ſelbſt die in ſpaͤtern Jahren angeknuͤpften gehoͤrig fortzuſetzen? Fuͤhrt etwa der Spiritus Rektor, der dem Dicaſterio der Seelenfaͤhigkeiten vorſteht, im hohen Alter ſein Regiment mit haͤrterm Ei- genſinn, und haͤlt er Verſtand, Willen, Einbildungskraft und Empfindung ſo ſtreng im Zuͤgel, daß keines von ihnen ſeinen eig- nen Schritt fortgehen und ſich uͤber irgend etwas nach Belieben ein und auslaſſen kann? Einbildungskraft und Empfindung ſind die Waͤhlerinnen in der Freundſchaft, und ob ſich gleich der Verſtand das Beſtaͤtigungs- recht zueignet, ſo ergiebt ſich doch der Wille, dieſer Stiefbruder des Eigenſiuns, ſelten ſei- nes Einſpruchrechts und laͤßt es ſich noch ſeltner nehmen, ſo daß mehrentheils dem Willen und dem Eigenſinn die endliche Ent- ſcheidung uͤberlaſſen bleibt: es duͤrfte daher wohl im Eigenſinn, der mit den Jahren ſo lange zunimmt, bis der Marasmus ſenilis

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/430>, abgerufen am 22.11.2024.