tiger Hingebung in den Schooß zu legen. Denn wenn auch mein Leben seit einiger Zeit noch leiser wie sonst dahin schleicht, weil mein schwächer gewordnes Gehör mir einen immer kleiner werdenden Antheil an der Gesellschaft zu nehmen erlaubt und ich mich in ihr auf die Defensive einschränken muß, so, daß ich lieber aus dem Wege trete als begegne, lieber antworte als frage oder anrede, lieber Besuche abwarte als selbst abgebe, so glaub ich doch nicht, daß Necker Recht hat, wenn er in seinen vorangeführten Manuscripts Seite 49 sagt: les vieillards menent une vie penible, lors- qu'ils sont encore en etat de tout appre- cier, de tout sentir. La riante perspec- tive de l'avenir ne leur appartient plus, et quand ils veulent parler du passe, on ne les ecoute gueres: chacun, court vers les combats du monde -- c'est beaucoup, quand on les salue en passant -- sondern halte diese Aeußerung für ein genommnes Aergerniß eines grämlichen Egoismus, den man indessen einem Necker nicht verüblen kann, und setze zum Beweise meines Beha- gens am Urtheil über mich, eine Stelle aus einem Briefe des Ministers von Schrötter
tiger Hingebung in den Schooß zu legen. Denn wenn auch mein Leben ſeit einiger Zeit noch leiſer wie ſonſt dahin ſchleicht, weil mein ſchwaͤcher gewordnes Gehoͤr mir einen immer kleiner werdenden Antheil an der Geſellſchaft zu nehmen erlaubt und ich mich in ihr auf die Defenſive einſchraͤnken muß, ſo, daß ich lieber aus dem Wege trete als begegne, lieber antworte als frage oder anrede, lieber Beſuche abwarte als ſelbſt abgebe, ſo glaub ich doch nicht, daß Necker Recht hat, wenn er in ſeinen vorangefuͤhrten Manuſcripts Seite 49 ſagt: les vieillards menent une vie penible, lors- qu’ils ſont encore en êtat de tout appre- cier, de tout ſentir. La riante perſpec- tive de l’avenir ne leur appartient plus, et quand ils veulent parler du paſſé, on ne les écoute gueres: chacun, court vers les combats du monde — c’eſt beaucoup, quand on les ſalue en paſſant — ſondern halte dieſe Aeußerung fuͤr ein genommnes Aergerniß eines graͤmlichen Egoismus, den man indeſſen einem Necker nicht veruͤblen kann, und ſetze zum Beweiſe meines Beha- gens am Urtheil uͤber mich, eine Stelle aus einem Briefe des Miniſters von Schroͤtter
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tiger Hingebung in den Schooß zu legen.
Denn wenn auch mein Leben ſeit einiger
Zeit noch leiſer wie ſonſt dahin ſchleicht,
weil mein ſchwaͤcher gewordnes Gehoͤr mir
einen immer kleiner werdenden Antheil an
der Geſellſchaft zu nehmen erlaubt und ich
mich in ihr auf die Defenſive einſchraͤnken
muß, ſo, daß ich lieber aus dem Wege
trete als begegne, lieber antworte als frage
oder anrede, lieber Beſuche abwarte als
ſelbſt abgebe, ſo glaub ich doch nicht, daß
Necker Recht hat, wenn er in ſeinen
vorangefuͤhrten Manuſcripts Seite 49 ſagt:
les vieillards menent une vie penible, lors-
qu’ils ſont encore en êtat de tout appre-
cier, de tout ſentir. La riante perſpec-
tive de l’avenir ne leur appartient plus,
et quand ils veulent parler du paſſé, on
ne les écoute gueres: chacun, court vers
les combats du monde — c’eſt beaucoup,
quand on les ſalue en paſſant — ſondern
halte dieſe Aeußerung fuͤr ein genommnes
Aergerniß eines graͤmlichen Egoismus, den
man indeſſen einem Necker nicht veruͤblen
kann, und ſetze zum Beweiſe meines Beha-
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/410>, abgerufen am 22.11.2024.
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