können, wird wissen, was das Lesen einer Seele in der andern für eine Glückseligkeit, was sein Verlust für eine gegründete Ursache zu trauren ist,
Möchten mich doch meine wenigen noch lebenden Freunde nicht durch ihren Tod zum vollkommnen Freundschafts-Eremiten machen.
Von seiner Religion muß Niemand viel reden, ihre Theorie gehört ins Kämmerlein, ihre Praxis in die Welt, in jenem muß sie herzlich und in der Welt und im Hause thätig seyn; *) doch will ich über mein Beten ein Paar Worte anführen. Jm väterlichen Hause wurde formaliter gebetet, in meinen Mitteljahren kamen die Formulare mir aus dem Sinn, fielen mir aber in den spätern wieder ein, und ihr Buchstabe verwandelte sich in ein Geistiges, so daß er mich nicht
hin-
*) Jm dritten Bändchen der Gedanken und Mei- nungen wird man vielleicht einen schlechtgeschrie- benen kleinen Aufsatz über meine Dogmatik finden, die aus der mir ganz zusprechenden des de Wette verbessert werden kann.
koͤnnen, wird wiſſen, was das Leſen einer Seele in der andern fuͤr eine Gluͤckſeligkeit, was ſein Verluſt fuͤr eine gegruͤndete Urſache zu trauren iſt,
Moͤchten mich doch meine wenigen noch lebenden Freunde nicht durch ihren Tod zum vollkommnen Freundſchafts-Eremiten machen.
Von ſeiner Religion muß Niemand viel reden, ihre Theorie gehoͤrt ins Kaͤmmerlein, ihre Praxis in die Welt, in jenem muß ſie herzlich und in der Welt und im Hauſe thaͤtig ſeyn; *) doch will ich uͤber mein Beten ein Paar Worte anfuͤhren. Jm vaͤterlichen Hauſe wurde formaliter gebetet, in meinen Mitteljahren kamen die Formulare mir aus dem Sinn, fielen mir aber in den ſpaͤtern wieder ein, und ihr Buchſtabe verwandelte ſich in ein Geiſtiges, ſo daß er mich nicht
hin-
*) Jm dritten Baͤndchen der Gedanken und Mei- nungen wird man vielleicht einen ſchlechtgeſchrie- benen kleinen Aufſatz uͤber meine Dogmatik finden, die aus der mir ganz zuſprechenden des de Wette verbeſſert werden kann.
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koͤnnen, wird wiſſen, was das Leſen
einer Seele in der andern fuͤr eine
Gluͤckſeligkeit, was ſein Verluſt fuͤr
eine gegruͤndete Urſache zu trauren iſt,
Moͤchten mich doch meine wenigen noch
lebenden Freunde nicht durch ihren Tod
zum vollkommnen Freundſchafts-Eremiten
machen.
Von ſeiner Religion muß Niemand viel
reden, ihre Theorie gehoͤrt ins Kaͤmmerlein,
ihre Praxis in die Welt, in jenem muß
ſie herzlich und in der Welt und im Hauſe
thaͤtig ſeyn; *) doch will ich uͤber mein Beten
ein Paar Worte anfuͤhren. Jm vaͤterlichen
Hauſe wurde formaliter gebetet, in meinen
Mitteljahren kamen die Formulare mir aus
dem Sinn, fielen mir aber in den ſpaͤtern
wieder ein, und ihr Buchſtabe verwandelte
ſich in ein Geiſtiges, ſo daß er mich nicht
hin-
*) Jm dritten Baͤndchen der Gedanken und Mei-
nungen wird man vielleicht einen ſchlechtgeſchrie-
benen kleinen Aufſatz uͤber meine Dogmatik finden,
die aus der mir ganz zuſprechenden des de
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/401>, abgerufen am 25.11.2024.
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