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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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las ich jedes Buch, das in mein Haus kam,
las aber und lese noch jedes Buch ohne Unter-
schied so schnell, wie man es mit Romanen
thut, und überlaß es meinem einst erwehn-
ten esprit primsautier, was er daraus be-
halten will oder kann. Nachzudenken beim
Lesen ist eben nicht meine Sache, Auszüge
zu machen noch weniger, und nur selten
streich ich eine Stelle mit dem Bleystift an.
Ein vornehmer Mann, der den Gracian
und Chesterfield fleißig fludirt hatte,
sagte mir einst, als ich ihn um die Mitthei-
lung eines Buchs ersuchte: "Wenn ich nicht
"wüste, daß sie mich von langer Zeit her
"schon kannten, so gäb ich es ihnen nicht,
"weil ich vieles darin angestrichen habe, und
"solche Beystriche Selbstbekenntniße sind,
die man nicht jedem machen mag." *)

Soviel bleibt mir indessen fast immer
vom Geiste des Buchs, daß ich, wenn
auch nicht einen Aufsatz darüber, wie der
ganz treffliche vom Regierungsrath Dell-
brück
über Göthes Wahlverwandschaften

*) Aus dem Durchsehen fremder Bücherrechnungen
im Buchladen hab' ich selbst manchen richtigen
Schluß auf den Charakter des Käufers gemacht.
A a

las ich jedes Buch, das in mein Haus kam,
las aber und leſe noch jedes Buch ohne Unter-
ſchied ſo ſchnell, wie man es mit Romanen
thut, und uͤberlaß es meinem einſt erwehn-
ten eſprit primſautièr, was er daraus be-
halten will oder kann. Nachzudenken beim
Leſen iſt eben nicht meine Sache, Auszuͤge
zu machen noch weniger, und nur ſelten
ſtreich ich eine Stelle mit dem Bleyſtift an.
Ein vornehmer Mann, der den Gracian
und Cheſterfield fleißig fludirt hatte,
ſagte mir einſt, als ich ihn um die Mitthei-
lung eines Buchs erſuchte: „Wenn ich nicht
„wuͤſte, daß ſie mich von langer Zeit her
„ſchon kannten, ſo gaͤb ich es ihnen nicht,
„weil ich vieles darin angeſtrichen habe, und
„ſolche Beyſtriche Selbſtbekenntniße ſind,
die man nicht jedem machen mag.“ *)

Soviel bleibt mir indeſſen faſt immer
vom Geiſte des Buchs, daß ich, wenn
auch nicht einen Aufſatz daruͤber, wie der
ganz treffliche vom Regierungsrath Dell-
bruͤck
uͤber Goͤthes Wahlverwandſchaften

*) Aus dem Durchſehen fremder Buͤcherrechnungen
im Buchladen hab’ ich ſelbſt manchen richtigen
Schluß auf den Charakter des Kaͤufers gemacht.
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[369/0386] las ich jedes Buch, das in mein Haus kam, las aber und leſe noch jedes Buch ohne Unter- ſchied ſo ſchnell, wie man es mit Romanen thut, und uͤberlaß es meinem einſt erwehn- ten eſprit primſautièr, was er daraus be- halten will oder kann. Nachzudenken beim Leſen iſt eben nicht meine Sache, Auszuͤge zu machen noch weniger, und nur ſelten ſtreich ich eine Stelle mit dem Bleyſtift an. Ein vornehmer Mann, der den Gracian und Cheſterfield fleißig fludirt hatte, ſagte mir einſt, als ich ihn um die Mitthei- lung eines Buchs erſuchte: „Wenn ich nicht „wuͤſte, daß ſie mich von langer Zeit her „ſchon kannten, ſo gaͤb ich es ihnen nicht, „weil ich vieles darin angeſtrichen habe, und „ſolche Beyſtriche Selbſtbekenntniße ſind, die man nicht jedem machen mag.“ *) Soviel bleibt mir indeſſen faſt immer vom Geiſte des Buchs, daß ich, wenn auch nicht einen Aufſatz daruͤber, wie der ganz treffliche vom Regierungsrath Dell- bruͤck uͤber Goͤthes Wahlverwandſchaften *) Aus dem Durchſehen fremder Buͤcherrechnungen im Buchladen hab’ ich ſelbſt manchen richtigen Schluß auf den Charakter des Kaͤufers gemacht. A a

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/386>, abgerufen am 26.11.2024.