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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Ueber meinen Zorn laß ich nie die Son-
ne untergehen, und bin nach einer Schelt-
explosion wieder so gelassen und freundlich,
als ob sie gar nicht vorgefallen wäre, oder
ich auf ihre gute Wirkung sicher rechnen
könnte. Rachsucht ist mir daher so fremd,
wie Drohen, beydes veracht ich förmlich,
und da mein haarscharfes Gewissen mir nicht
die mindeste eigne Schwachheit ungerügt him
gehen läßt, so schieb ich gerne meine Rache
dem ins Gewissen, der sich an mir versün-
diget.

Jn meinen jüngern Jahren war ich ein
unermüdlicher Briefschreiber, wurde aber in
spätern Jahren, außer gegen Hippel, lässi-
ger. Doch war ich durch Borowsky in
eine Correspondenz gerathen mit dem Dia-
conus und Beichtvater der Gemahlin König
Friedrich Wilhelms II., Lüdeke, den
ich noch von seiner Hofmeisterschaft im
Domhardtschen Hause her kannte, und des-
sen unerschöpfliche Witzergießungen in Prose
und Versen bis zu seinem Anno 1806. er-
folgten Tode aushielten.

Der Umgang mit klugen lebenskundigen
Menschen hat für mich unendlichen Werth,
der mit blos gelehrten fast gar keinen. Bey

Ueber meinen Zorn laß ich nie die Son-
ne untergehen, und bin nach einer Schelt-
exploſion wieder ſo gelaſſen und freundlich,
als ob ſie gar nicht vorgefallen waͤre, oder
ich auf ihre gute Wirkung ſicher rechnen
koͤnnte. Rachſucht iſt mir daher ſo fremd,
wie Drohen, beydes veracht ich foͤrmlich,
und da mein haarſcharfes Gewiſſen mir nicht
die mindeſte eigne Schwachheit ungeruͤgt him
gehen laͤßt, ſo ſchieb ich gerne meine Rache
dem ins Gewiſſen, der ſich an mir verſuͤn-
diget.

Jn meinen juͤngern Jahren war ich ein
unermuͤdlicher Briefſchreiber, wurde aber in
ſpaͤtern Jahren, außer gegen Hippel, laͤſſi-
ger. Doch war ich durch Borowsky in
eine Correſpondenz gerathen mit dem Dia-
conus und Beichtvater der Gemahlin Koͤnig
Friedrich Wilhelms II., Luͤdeke, den
ich noch von ſeiner Hofmeiſterſchaft im
Domhardtſchen Hauſe her kannte, und deſ-
ſen unerſchoͤpfliche Witzergießungen in Proſe
und Verſen bis zu ſeinem Anno 1806. er-
folgten Tode aushielten.

Der Umgang mit klugen lebenskundigen
Menſchen hat fuͤr mich unendlichen Werth,
der mit blos gelehrten faſt gar keinen. Bey

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[354/0371] Ueber meinen Zorn laß ich nie die Son- ne untergehen, und bin nach einer Schelt- exploſion wieder ſo gelaſſen und freundlich, als ob ſie gar nicht vorgefallen waͤre, oder ich auf ihre gute Wirkung ſicher rechnen koͤnnte. Rachſucht iſt mir daher ſo fremd, wie Drohen, beydes veracht ich foͤrmlich, und da mein haarſcharfes Gewiſſen mir nicht die mindeſte eigne Schwachheit ungeruͤgt him gehen laͤßt, ſo ſchieb ich gerne meine Rache dem ins Gewiſſen, der ſich an mir verſuͤn- diget. Jn meinen juͤngern Jahren war ich ein unermuͤdlicher Briefſchreiber, wurde aber in ſpaͤtern Jahren, außer gegen Hippel, laͤſſi- ger. Doch war ich durch Borowsky in eine Correſpondenz gerathen mit dem Dia- conus und Beichtvater der Gemahlin Koͤnig Friedrich Wilhelms II., Luͤdeke, den ich noch von ſeiner Hofmeiſterſchaft im Domhardtſchen Hauſe her kannte, und deſ- ſen unerſchoͤpfliche Witzergießungen in Proſe und Verſen bis zu ſeinem Anno 1806. er- folgten Tode aushielten. Der Umgang mit klugen lebenskundigen Menſchen hat fuͤr mich unendlichen Werth, der mit blos gelehrten faſt gar keinen. Bey

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/371>, abgerufen am 25.11.2024.