eine Art von Scheu vor ihr und Abneigung gegen sie, die sich selbst in den Jahren nicht verlohr, wo ich ihr weit übern Kopf gewachsen und sie meiner Dienste bedürftig war, die ich ihr auch bis an ihr Lebensende nie verweigert habe. Jch muß hier eine Stelle aus des vortrefflichen klugen Kraus Briefe an seinen Herzensfreund Auers- wald hersetzen, weil sie eine sehr richtige Bemerkung enthält. "Einer Bosheit find "ich mich leider fähig genug, nämlich einen "Menschen blos darum zu hassen, weil ich "ihn lieben will und doch nicht lieben kann. "Die Unmöglichkeit oder Schwierigkeit, ihm "von Herzen gut zu seyn, macht mich sinn- "reich in Erfindungen von allerley Ursachen, "die ich, statt sie in mir mit aufzusuchen, "nur in ihm allein voraussetze, und das "Bewußtseyn, ihm darin vielleicht Unrecht "zu thun, macht, daß ich ihm wirklich gram "werde, und so geschieht es dann, daß, "weil ich nicht halb lieben kann, ich Men- "schen, gegen die ich schlechterdings nicht "gleichgültig bleiben will, wirklich hasse, "wenn ich finde, daß sie sich nicht ganz lie- "ben lassen."
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eine Art von Scheu vor ihr und Abneigung gegen ſie, die ſich ſelbſt in den Jahren nicht verlohr, wo ich ihr weit uͤbern Kopf gewachſen und ſie meiner Dienſte beduͤrftig war, die ich ihr auch bis an ihr Lebensende nie verweigert habe. Jch muß hier eine Stelle aus des vortrefflichen klugen Kraus Briefe an ſeinen Herzensfreund Auers- wald herſetzen, weil ſie eine ſehr richtige Bemerkung enthaͤlt. „Einer Bosheit find „ich mich leider faͤhig genug, naͤmlich einen „Menſchen blos darum zu haſſen, weil ich „ihn lieben will und doch nicht lieben kann. „Die Unmoͤglichkeit oder Schwierigkeit, ihm „von Herzen gut zu ſeyn, macht mich ſinn- „reich in Erfindungen von allerley Urſachen, „die ich, ſtatt ſie in mir mit aufzuſuchen, „nur in ihm allein vorausſetze, und das „Bewußtſeyn, ihm darin vielleicht Unrecht „zu thun, macht, daß ich ihm wirklich gram „werde, und ſo geſchieht es dann, daß, „weil ich nicht halb lieben kann, ich Men- „ſchen, gegen die ich ſchlechterdings nicht „gleichguͤltig bleiben will, wirklich haſſe, „wenn ich finde, daß ſie ſich nicht ganz lie- „ben laſſen.“
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eine Art von Scheu vor ihr und Abneigung
gegen ſie, die ſich ſelbſt in den Jahren nicht
verlohr, wo ich ihr weit uͤbern Kopf
gewachſen und ſie meiner Dienſte beduͤrftig
war, die ich ihr auch bis an ihr Lebensende
nie verweigert habe. Jch muß hier eine
Stelle aus des vortrefflichen klugen Kraus
Briefe an ſeinen Herzensfreund Auers-
wald herſetzen, weil ſie eine ſehr richtige
Bemerkung enthaͤlt. „Einer Bosheit find
„ich mich leider faͤhig genug, naͤmlich einen
„Menſchen blos darum zu haſſen, weil ich
„ihn lieben will und doch nicht lieben kann.
„Die Unmoͤglichkeit oder Schwierigkeit, ihm
„von Herzen gut zu ſeyn, macht mich ſinn-
„reich in Erfindungen von allerley Urſachen,
„die ich, ſtatt ſie in mir mit aufzuſuchen,
„nur in ihm allein vorausſetze, und das
„Bewußtſeyn, ihm darin vielleicht Unrecht
„zu thun, macht, daß ich ihm wirklich gram
„werde, und ſo geſchieht es dann, daß,
„weil ich nicht halb lieben kann, ich Men-
„ſchen, gegen die ich ſchlechterdings nicht
„gleichguͤltig bleiben will, wirklich haſſe,
„wenn ich finde, daß ſie ſich nicht ganz lie-
„ben laſſen.“
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/370>, abgerufen am 24.11.2024.
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