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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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dig warten, sobald es verlangt wird und
ich es verspreche; ist der Termin vorbey,
dann bin ich merklich ungeduldig und em-
pfindlich gegen den, der mich warten läßt.
Meine Abneigung gegen das Warten macht
es mir sogar unangenehm, andre zu sehen,
die warten lassen; ich thue es niemals.
Dieser Widerwille entspringt vielleicht aus
meiner Achtung für die Zeit, die man doch
wahrlich dem Wartenden raubt. Jch finde
daher im Wartenlassen eine Art von Hart-
herzigkeit, deren sich die Weiber öftrer wie
die Männer schuldig machen. Möchten doch
kleine und große Dienstleute bedenken, wie
viel Schaden sie oft dem thun, den sie
Stundenlang im Vorzimmer warten lassen,
ob sie ihn gleich in einer Minute hätten ab-
fertigen können.

Für den gemeinen Mann ist meine Vor-
liebe fast leidenschaftlich, weil ich ihn für
die eigentliche Basis des Menschengeschlech-
tes und alles seines Bösen und Guten hal-
te. Wenn ich daher etwas von ihm fodre,
so beurtheile ich die Miene, die er bey der
Ausrichtung macht, nach der, die ich selbst
machen würde, wenn man mir eben das be-
föhle. Aus dieser Ursache nehme ich meinen

dig warten, ſobald es verlangt wird und
ich es verſpreche; iſt der Termin vorbey,
dann bin ich merklich ungeduldig und em-
pfindlich gegen den, der mich warten laͤßt.
Meine Abneigung gegen das Warten macht
es mir ſogar unangenehm, andre zu ſehen,
die warten laſſen; ich thue es niemals.
Dieſer Widerwille entſpringt vielleicht aus
meiner Achtung fuͤr die Zeit, die man doch
wahrlich dem Wartenden raubt. Jch finde
daher im Wartenlaſſen eine Art von Hart-
herzigkeit, deren ſich die Weiber oͤftrer wie
die Maͤnner ſchuldig machen. Moͤchten doch
kleine und große Dienſtleute bedenken, wie
viel Schaden ſie oft dem thun, den ſie
Stundenlang im Vorzimmer warten laſſen,
ob ſie ihn gleich in einer Minute haͤtten ab-
fertigen koͤnnen.

Fuͤr den gemeinen Mann iſt meine Vor-
liebe faſt leidenſchaftlich, weil ich ihn fuͤr
die eigentliche Baſis des Menſchengeſchlech-
tes und alles ſeines Boͤſen und Guten hal-
te. Wenn ich daher etwas von ihm fodre,
ſo beurtheile ich die Miene, die er bey der
Ausrichtung macht, nach der, die ich ſelbſt
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[347/0364] dig warten, ſobald es verlangt wird und ich es verſpreche; iſt der Termin vorbey, dann bin ich merklich ungeduldig und em- pfindlich gegen den, der mich warten laͤßt. Meine Abneigung gegen das Warten macht es mir ſogar unangenehm, andre zu ſehen, die warten laſſen; ich thue es niemals. Dieſer Widerwille entſpringt vielleicht aus meiner Achtung fuͤr die Zeit, die man doch wahrlich dem Wartenden raubt. Jch finde daher im Wartenlaſſen eine Art von Hart- herzigkeit, deren ſich die Weiber oͤftrer wie die Maͤnner ſchuldig machen. Moͤchten doch kleine und große Dienſtleute bedenken, wie viel Schaden ſie oft dem thun, den ſie Stundenlang im Vorzimmer warten laſſen, ob ſie ihn gleich in einer Minute haͤtten ab- fertigen koͤnnen. Fuͤr den gemeinen Mann iſt meine Vor- liebe faſt leidenſchaftlich, weil ich ihn fuͤr die eigentliche Baſis des Menſchengeſchlech- tes und alles ſeines Boͤſen und Guten hal- te. Wenn ich daher etwas von ihm fodre, ſo beurtheile ich die Miene, die er bey der Ausrichtung macht, nach der, die ich ſelbſt machen wuͤrde, wenn man mir eben das be- foͤhle. Aus dieſer Urſache nehme ich meinen

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/364>, abgerufen am 24.11.2024.