Meine Neigung, allen Menschen etwas zu gefallen zu thun und zu dienen, ist so uneingeschränkt, daß man mich oft über mein Bemühen, meinen Hausleuten eine Arbeit zu ersparen oder zu erleichtern und Gänge zu verkürzen, ausgelacht hat, und daß ich es nie habe begreifen können, wie ein Herr seinen fortreitenden Diener, der, auf einem unruhigen Pferde sitzend, den Huth verliert, lieber absteigen und Zeit ver- lieren lassen kann, als ihm den Huth auf- zuheben und zuzureichen.
Wenn meine Leute eine beschwerliche Arbeit befonders unverdrossen ausführen, suche ich ihnen gleich dafür aus Erkenntlich- keit eine kleine Freude zu machen, so wie ich mich förmlich ärgre, wenn ich Menschen ein Thier auf irgend eine Art überladen sehe.
Meine stets bereitwillige Dienstleistung *) leidet aber eine Einschränkung, sobald sie
*) Ueber die Dienstfertigkeit sollte man die Begriffe der Kinder in Zeiten gehörig berichtigen, und sie besonders auch belehren, daß Geschenke geben und Dienste erzeigen, an innern Werth sehr verschie- den sind, ja daß ersteres oft beinah gar keinen Werth habe, wenn der Geber sich dadurch nichts
Meine Neigung, allen Menſchen etwas zu gefallen zu thun und zu dienen, iſt ſo uneingeſchraͤnkt, daß man mich oft uͤber mein Bemuͤhen, meinen Hausleuten eine Arbeit zu erſparen oder zu erleichtern und Gaͤnge zu verkuͤrzen, ausgelacht hat, und daß ich es nie habe begreifen koͤnnen, wie ein Herr ſeinen fortreitenden Diener, der, auf einem unruhigen Pferde ſitzend, den Huth verliert, lieber abſteigen und Zeit ver- lieren laſſen kann, als ihm den Huth auf- zuheben und zuzureichen.
Wenn meine Leute eine beſchwerliche Arbeit befonders unverdroſſen ausfuͤhren, ſuche ich ihnen gleich dafuͤr aus Erkenntlich- keit eine kleine Freude zu machen, ſo wie ich mich foͤrmlich aͤrgre, wenn ich Menſchen ein Thier auf irgend eine Art uͤberladen ſehe.
Meine ſtets bereitwillige Dienſtleiſtung *) leidet aber eine Einſchraͤnkung, ſobald ſie
*) Ueber die Dienſtfertigkeit ſollte man die Begriffe der Kinder in Zeiten gehoͤrig berichtigen, und ſie beſonders auch belehren, daß Geſchenke geben und Dienſte erzeigen, an innern Werth ſehr verſchie- den ſind, ja daß erſteres oft beinah gar keinen Werth habe, wenn der Geber ſich dadurch nichts
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Meine Neigung, allen Menſchen etwas
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mein Bemuͤhen, meinen Hausleuten eine
Arbeit zu erſparen oder zu erleichtern und
Gaͤnge zu verkuͤrzen, ausgelacht hat, und
daß ich es nie habe begreifen koͤnnen, wie
ein Herr ſeinen fortreitenden Diener, der,
auf einem unruhigen Pferde ſitzend, den
Huth verliert, lieber abſteigen und Zeit ver-
lieren laſſen kann, als ihm den Huth auf-
zuheben und zuzureichen.
Wenn meine Leute eine beſchwerliche
Arbeit befonders unverdroſſen ausfuͤhren,
ſuche ich ihnen gleich dafuͤr aus Erkenntlich-
keit eine kleine Freude zu machen, ſo wie
ich mich foͤrmlich aͤrgre, wenn ich Menſchen
ein Thier auf irgend eine Art uͤberladen
ſehe.
Meine ſtets bereitwillige Dienſtleiſtung *)
leidet aber eine Einſchraͤnkung, ſobald ſie
*) Ueber die Dienſtfertigkeit ſollte man die Begriffe
der Kinder in Zeiten gehoͤrig berichtigen, und ſie
beſonders auch belehren, daß Geſchenke geben und
Dienſte erzeigen, an innern Werth ſehr verſchie-
den ſind, ja daß erſteres oft beinah gar keinen
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/362>, abgerufen am 24.11.2024.
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