Meine Rasirmesser stecken noch in dem al- ten Futteral, dessen sich mein Vater be- diente. Aus dieser Anhänglichkeit entspringt gewiß auch das Vergnügen, welches mir das Besorgen kleiner Hausgeschäfte macht, mit denen ich mich öfterer und mehr beschäftigen möchte, wenn meine Frau nicht ihrem De- partement mit einer Art von Eifersucht vor- gestanden hätte, oder die Prediger-Wittwe, die seit länger als ein Viertel Jahrhundert bey uns ist, es mir erlaubte. Jm Knaben- alter gab ich dem Stubenmädchen meine Frühstücksemmel, wenn es mir das Bett selbst zu machen gestattete. Zum Küchenzet- tel geb ich gern mein votum consultati- vum, vergeß aber bis zur Tischzeit mehren- theils seinen Jnhalt, besonders wenn er keins von meinen Lieblingsgerichten, die zu der strengsten Hausmannskost gehören, ent- hält. Die Tasse, aus der ich, nach viele Jahre lang abgeschafftem, jetzt (1813) aber wieder mit großem Appetit genossenen Nach- mittagscaffe, zwischen 6 und 7 Thee mit Honig trinke, wasch ich mehrentheils selbst aus.
Meine Anlage zum Auffinden der comi- schen Seite, oft bey für ganz ernsthaft ge-
Meine Raſirmeſſer ſtecken noch in dem al- ten Futteral, deſſen ſich mein Vater be- diente. Aus dieſer Anhaͤnglichkeit entſpringt gewiß auch das Vergnuͤgen, welches mir das Beſorgen kleiner Hausgeſchaͤfte macht, mit denen ich mich oͤfterer und mehr beſchaͤftigen moͤchte, wenn meine Frau nicht ihrem De- partement mit einer Art von Eiferſucht vor- geſtanden haͤtte, oder die Prediger-Wittwe, die ſeit laͤnger als ein Viertel Jahrhundert bey uns iſt, es mir erlaubte. Jm Knaben- alter gab ich dem Stubenmaͤdchen meine Fruͤhſtuͤckſemmel, wenn es mir das Bett ſelbſt zu machen geſtattete. Zum Kuͤchenzet- tel geb ich gern mein votum conſultati- vum, vergeß aber bis zur Tiſchzeit mehren- theils ſeinen Jnhalt, beſonders wenn er keins von meinen Lieblingsgerichten, die zu der ſtrengſten Hausmannskoſt gehoͤren, ent- haͤlt. Die Taſſe, aus der ich, nach viele Jahre lang abgeſchafftem, jetzt (1813) aber wieder mit großem Appetit genoſſenen Nach- mittagscaffe, zwiſchen 6 und 7 Thee mit Honig trinke, waſch ich mehrentheils ſelbſt aus.
Meine Anlage zum Auffinden der comi- ſchen Seite, oft bey fuͤr ganz ernſthaft ge-
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Meine Raſirmeſſer ſtecken noch in dem al-
ten Futteral, deſſen ſich mein Vater be-
diente. Aus dieſer Anhaͤnglichkeit entſpringt
gewiß auch das Vergnuͤgen, welches mir das
Beſorgen kleiner Hausgeſchaͤfte macht, mit
denen ich mich oͤfterer und mehr beſchaͤftigen
moͤchte, wenn meine Frau nicht ihrem De-
partement mit einer Art von Eiferſucht vor-
geſtanden haͤtte, oder die Prediger-Wittwe,
die ſeit laͤnger als ein Viertel Jahrhundert
bey uns iſt, es mir erlaubte. Jm Knaben-
alter gab ich dem Stubenmaͤdchen meine
Fruͤhſtuͤckſemmel, wenn es mir das Bett
ſelbſt zu machen geſtattete. Zum Kuͤchenzet-
tel geb ich gern mein votum conſultati-
vum, vergeß aber bis zur Tiſchzeit mehren-
theils ſeinen Jnhalt, beſonders wenn er
keins von meinen Lieblingsgerichten, die zu
der ſtrengſten Hausmannskoſt gehoͤren, ent-
haͤlt. Die Taſſe, aus der ich, nach viele
Jahre lang abgeſchafftem, jetzt (1813) aber
wieder mit großem Appetit genoſſenen Nach-
mittagscaffe, zwiſchen 6 und 7 Thee mit
Honig trinke, waſch ich mehrentheils ſelbſt
aus.
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/355>, abgerufen am 23.11.2024.
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