Augen sagen, wer mir aber scharf in die meinigen sieht, und Wort und Ton mit ihnen vergleicht, muß oder darf wenigstens nicht mir die Schuld beymessen, wenn er nicht merkt, was ich von und zu der Sache denke. Auch kann ich ohne die mindeste Gleisnerey versichern, daß mir keine, mir selbst ohne Umschweif gesagte Wahrheit, keine Critik im mindesten zuwider ist, und daß man sie mir ohne alle Besorgniß vor empfindlichem Nachtragen sagen und machen kann -- jede irgend geahnte Schonung kränkt mich aber.
So scheu und redekarg ich bis in mein Mittelalter in Gesellschaften war, *) so dreust und unverlegen bin ich um den Ausdruck im
*) Schiller sagte: "es gab eine Zeit, in welcher "Unverträglichkeit mit den Menschen ein Haupt- "zug meines Charakters war, nicht als wenn ich "ihnen diese Unverträglichkeit thätlich erwiesen "hätte, nein, es war eine stille Unverträglichkeit, "ein stilles Mißfallen an allem, was Menschen "unternehmen. Jch weiß wohl, woher das kam: "ich fühlte mich zu jener Zeit nicht in dem Wir- "kungskreise, den ich gern ausfüllen möchte." Schillers Biographie und Anleitung zur Kritik seiner Werke vom J. K. S. Wien p. 178.
Augen ſagen, wer mir aber ſcharf in die meinigen ſieht, und Wort und Ton mit ihnen vergleicht, muß oder darf wenigſtens nicht mir die Schuld beymeſſen, wenn er nicht merkt, was ich von und zu der Sache denke. Auch kann ich ohne die mindeſte Gleisnerey verſichern, daß mir keine, mir ſelbſt ohne Umſchweif geſagte Wahrheit, keine Critik im mindeſten zuwider iſt, und daß man ſie mir ohne alle Beſorgniß vor empfindlichem Nachtragen ſagen und machen kann — jede irgend geahnte Schonung kraͤnkt mich aber.
So ſcheu und redekarg ich bis in mein Mittelalter in Geſellſchaften war, *) ſo dreuſt und unverlegen bin ich um den Ausdruck im
*) Schiller ſagte: „es gab eine Zeit, in welcher „Unvertraͤglichkeit mit den Menſchen ein Haupt- „zug meines Charakters war, nicht als wenn ich „ihnen dieſe Unvertraͤglichkeit thaͤtlich erwieſen „haͤtte, nein, es war eine ſtille Unvertraͤglichkeit, „ein ſtilles Mißfallen an allem, was Menſchen „unternehmen. Jch weiß wohl, woher das kam: „ich fuͤhlte mich zu jener Zeit nicht in dem Wir- „kungskreiſe, den ich gern ausfuͤllen moͤchte.“ Schillers Biographie und Anleitung zur Kritik ſeiner Werke vom J. K. S. Wien p. 178.
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Augen ſagen, wer mir aber ſcharf in die
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ihnen vergleicht, muß oder darf wenigſtens
nicht mir die Schuld beymeſſen, wenn er
nicht merkt, was ich von und zu der Sache
denke. Auch kann ich ohne die mindeſte
Gleisnerey verſichern, daß mir keine, mir
ſelbſt ohne Umſchweif geſagte Wahrheit,
keine Critik im mindeſten zuwider iſt, und
daß man ſie mir ohne alle Beſorgniß vor
empfindlichem Nachtragen ſagen und machen
kann — jede irgend geahnte Schonung kraͤnkt
mich aber.
So ſcheu und redekarg ich bis in mein
Mittelalter in Geſellſchaften war, *) ſo dreuſt
und unverlegen bin ich um den Ausdruck im
*) Schiller ſagte: „es gab eine Zeit, in welcher
„Unvertraͤglichkeit mit den Menſchen ein Haupt-
„zug meines Charakters war, nicht als wenn ich
„ihnen dieſe Unvertraͤglichkeit thaͤtlich erwieſen
„haͤtte, nein, es war eine ſtille Unvertraͤglichkeit,
„ein ſtilles Mißfallen an allem, was Menſchen
„unternehmen. Jch weiß wohl, woher das kam:
„ich fuͤhlte mich zu jener Zeit nicht in dem Wir-
„kungskreiſe, den ich gern ausfuͤllen moͤchte.“
Schillers Biographie und Anleitung zur Kritik
ſeiner Werke vom J. K. S. Wien p. 178.
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/352>, abgerufen am 22.11.2024.
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