eine meistens treffende Antwort geben konn- te, so vermochte ich doch höchst selten ein Räthsel oder eine Charade zu lösen, und wurde über diese Unfähigkeit oft ausgelacht, mit eben so vielem Recht, wie mancher be- kanntmittelmäßige Kopf durch solche Ent- räthselungen in Verstandsrenomee gekommen ist. *)
Auch mag aus solcher verfehlten Mi- schung mein Eigensinn entspringen, von dessen lauter Aeußerung mich oft nur die Schüchternheit abhält, die sich aus meinen frühesten Jahren herschreibt, mich aber nicht hindert, meine vorschnellen Meinungen, oft ohne die mindeste Rücksicht auf meine Gegner, vorzubringen, wiewohl nie mit langem Be- harren bey selbigen, oder einem sichtbaren Bestreben, den andern für sie zu gewinnen.
Meinem Eigensinn, der mir nicht er- laubte, zur Meinung eines andern leicht über- zugehen, verdank ich manches Beharren bey einem Guten, das ich als solches einmal erkannt und angenommen hatte, so wie er
*) Der verst. Prof. Kraus soll gesagt haben: sein Kopf sey in solchen Dingen ordentlich vernagelt, aber ein guter Kopf müsse sich auch mit solchen Dingen nicht abgeben.
eine meiſtens treffende Antwort geben konn- te, ſo vermochte ich doch hoͤchſt ſelten ein Raͤthſel oder eine Charade zu loͤſen, und wurde uͤber dieſe Unfaͤhigkeit oft ausgelacht, mit eben ſo vielem Recht, wie mancher be- kanntmittelmaͤßige Kopf durch ſolche Ent- raͤthſelungen in Verſtandsrenomee gekommen iſt. *)
Auch mag aus ſolcher verfehlten Mi- ſchung mein Eigenſinn entſpringen, von deſſen lauter Aeußerung mich oft nur die Schuͤchternheit abhaͤlt, die ſich aus meinen fruͤheſten Jahren herſchreibt, mich aber nicht hindert, meine vorſchnellen Meinungen, oft ohne die mindeſte Ruͤckſicht auf meine Gegner, vorzubringen, wiewohl nie mit langem Be- harren bey ſelbigen, oder einem ſichtbaren Beſtreben, den andern fuͤr ſie zu gewinnen.
Meinem Eigenſinn, der mir nicht er- laubte, zur Meinung eines andern leicht uͤber- zugehen, verdank ich manches Beharren bey einem Guten, das ich als ſolches einmal erkannt und angenommen hatte, ſo wie er
*) Der verſt. Prof. Kraus ſoll geſagt haben: ſein Kopf ſey in ſolchen Dingen ordentlich vernagelt, aber ein guter Kopf muͤſſe ſich auch mit ſolchen Dingen nicht abgeben.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0350"n="333"/>
eine meiſtens treffende Antwort geben konn-<lb/>
te, ſo vermochte ich doch hoͤchſt ſelten ein<lb/>
Raͤthſel oder eine Charade zu loͤſen, und<lb/>
wurde uͤber dieſe Unfaͤhigkeit oft ausgelacht,<lb/>
mit eben ſo vielem Recht, wie mancher be-<lb/>
kanntmittelmaͤßige Kopf durch ſolche Ent-<lb/>
raͤthſelungen in Verſtandsrenomee gekommen<lb/>
iſt. <noteplace="foot"n="*)">Der verſt. Prof. Kraus ſoll geſagt haben: ſein<lb/>
Kopf ſey in ſolchen Dingen ordentlich vernagelt,<lb/>
aber ein guter Kopf muͤſſe ſich auch mit ſolchen<lb/>
Dingen nicht abgeben.</note></p><lb/><p>Auch mag aus ſolcher verfehlten Mi-<lb/>ſchung mein <hirendition="#g">Eigenſinn</hi> entſpringen, von<lb/>
deſſen lauter Aeußerung mich oft nur die<lb/>
Schuͤchternheit abhaͤlt, die ſich aus meinen<lb/>
fruͤheſten Jahren herſchreibt, mich aber nicht<lb/>
hindert, meine vorſchnellen Meinungen, oft<lb/>
ohne die mindeſte Ruͤckſicht auf meine Gegner,<lb/>
vorzubringen, wiewohl nie mit langem Be-<lb/>
harren bey ſelbigen, oder einem ſichtbaren<lb/>
Beſtreben, den andern fuͤr ſie zu gewinnen.</p><lb/><p>Meinem Eigenſinn, der mir nicht er-<lb/>
laubte, zur Meinung eines andern leicht uͤber-<lb/>
zugehen, verdank ich manches Beharren bey<lb/>
einem Guten, das ich als ſolches einmal<lb/>
erkannt und angenommen hatte, ſo wie er<lb/></p></div></body></text></TEI>
[333/0350]
eine meiſtens treffende Antwort geben konn-
te, ſo vermochte ich doch hoͤchſt ſelten ein
Raͤthſel oder eine Charade zu loͤſen, und
wurde uͤber dieſe Unfaͤhigkeit oft ausgelacht,
mit eben ſo vielem Recht, wie mancher be-
kanntmittelmaͤßige Kopf durch ſolche Ent-
raͤthſelungen in Verſtandsrenomee gekommen
iſt. *)
Auch mag aus ſolcher verfehlten Mi-
ſchung mein Eigenſinn entſpringen, von
deſſen lauter Aeußerung mich oft nur die
Schuͤchternheit abhaͤlt, die ſich aus meinen
fruͤheſten Jahren herſchreibt, mich aber nicht
hindert, meine vorſchnellen Meinungen, oft
ohne die mindeſte Ruͤckſicht auf meine Gegner,
vorzubringen, wiewohl nie mit langem Be-
harren bey ſelbigen, oder einem ſichtbaren
Beſtreben, den andern fuͤr ſie zu gewinnen.
Meinem Eigenſinn, der mir nicht er-
laubte, zur Meinung eines andern leicht uͤber-
zugehen, verdank ich manches Beharren bey
einem Guten, das ich als ſolches einmal
erkannt und angenommen hatte, ſo wie er
*) Der verſt. Prof. Kraus ſoll geſagt haben: ſein
Kopf ſey in ſolchen Dingen ordentlich vernagelt,
aber ein guter Kopf muͤſſe ſich auch mit ſolchen
Dingen nicht abgeben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/350>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.