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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Schrötter, welcher mir immer besonders
lieb gewesen, wegen einer zusprechenden,
freundschaftlichen, eine gewisse poetische Wär-
me verrathenden und nie tragischen, Art über
Welt, Wissenschaften und Menschen zu con-
versiren. *) Ueber diese mir immer interes-
sant bleibenden Personen würd' ich mich um-
ständlicher auslassen, wenn es dann nicht
meine Pflicht würde, auch an vielen andern
ein Gleiches zu thun: wozu könnte das aber
nützen? Zeitgenossen haben die Personen,
theils selbst noch genug gekannt, theils mein
unbefangnes Urtheil über sie mich selbst aus-
sprechen gehört, und andern, denen sie un-
bekannt geblieben, kann am Urtheil eines
Einzelnen wenig gelegen seyn. Jenen oder
diesen meine Aeußerungen zu wiederholen,
könnte sogar nach einer Vorliebe für meine
Charakterisirkunst aussehen und, im Fall
des Nichttreffens fremder Personen, das,
was ich über mich selbst zu sagen gesonnen
bin, in einen Unrichtigkeitsverdacht brin-
gen. -- Statt der Bildergallerie bleib es
also nur bey meinem Portrait.

*) Auch er starb am 30. Jun. 1815. in Berlin,
siehe in den Nachträgen.

Schroͤtter, welcher mir immer beſonders
lieb geweſen, wegen einer zuſprechenden,
freundſchaftlichen, eine gewiſſe poetiſche Waͤr-
me verrathenden und nie tragiſchen, Art uͤber
Welt, Wiſſenſchaften und Menſchen zu con-
verſiren. *) Ueber dieſe mir immer intereſ-
ſant bleibenden Perſonen wuͤrd’ ich mich um-
ſtaͤndlicher auslaſſen, wenn es dann nicht
meine Pflicht wuͤrde, auch an vielen andern
ein Gleiches zu thun: wozu koͤnnte das aber
nuͤtzen? Zeitgenoſſen haben die Perſonen,
theils ſelbſt noch genug gekannt, theils mein
unbefangnes Urtheil uͤber ſie mich ſelbſt aus-
ſprechen gehoͤrt, und andern, denen ſie un-
bekannt geblieben, kann am Urtheil eines
Einzelnen wenig gelegen ſeyn. Jenen oder
dieſen meine Aeußerungen zu wiederholen,
koͤnnte ſogar nach einer Vorliebe fuͤr meine
Charakteriſirkunſt ausſehen und, im Fall
des Nichttreffens fremder Perſonen, das,
was ich uͤber mich ſelbſt zu ſagen geſonnen
bin, in einen Unrichtigkeitsverdacht brin-
gen. — Statt der Bildergallerie bleib es
alſo nur bey meinem Portrait.

*) Auch er ſtarb am 30. Jun. 1815. in Berlin,
ſiehe in den Nachtraͤgen.
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[324/0341] Schroͤtter, welcher mir immer beſonders lieb geweſen, wegen einer zuſprechenden, freundſchaftlichen, eine gewiſſe poetiſche Waͤr- me verrathenden und nie tragiſchen, Art uͤber Welt, Wiſſenſchaften und Menſchen zu con- verſiren. *) Ueber dieſe mir immer intereſ- ſant bleibenden Perſonen wuͤrd’ ich mich um- ſtaͤndlicher auslaſſen, wenn es dann nicht meine Pflicht wuͤrde, auch an vielen andern ein Gleiches zu thun: wozu koͤnnte das aber nuͤtzen? Zeitgenoſſen haben die Perſonen, theils ſelbſt noch genug gekannt, theils mein unbefangnes Urtheil uͤber ſie mich ſelbſt aus- ſprechen gehoͤrt, und andern, denen ſie un- bekannt geblieben, kann am Urtheil eines Einzelnen wenig gelegen ſeyn. Jenen oder dieſen meine Aeußerungen zu wiederholen, koͤnnte ſogar nach einer Vorliebe fuͤr meine Charakteriſirkunſt ausſehen und, im Fall des Nichttreffens fremder Perſonen, das, was ich uͤber mich ſelbſt zu ſagen geſonnen bin, in einen Unrichtigkeitsverdacht brin- gen. — Statt der Bildergallerie bleib es alſo nur bey meinem Portrait. *) Auch er ſtarb am 30. Jun. 1815. in Berlin, ſiehe in den Nachtraͤgen.

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/341>, abgerufen am 25.11.2024.