manchen Menschen Vergnügen macht, die Handschrift nicht unbedeutender Personen kennen zu lernen. Herders Briefe an mich sind unter die Papiere des Johannes Mül- ler gerathen, zum Behuf der Lebensbeschrei- bung Herders, die er aber, wie die von Friedrich dem Großen, schuldig geblieben.
Da mir im ganzen Leben nichts Ausge- zeichnetes begegnet, noch von mir ausgerich- tet ist, so weiß ich auch von den letzten zwey Jahren nichts Erhebliches anzuführen, es wäre denn, daß ich im Jahr 1809. auf den Gedanken kam, das ganz unbrauchbar ge- wordene Professorgewölbe an der Kneiphöf- schen Kirche, in dem auch Kant seine ganz unbemerkt gebliebene Grabstätte erhalten hatte, in einen Spaziergang für die auf dem Col- legio Albertino Wohnenden und andre Be- wegungsbedürftige zu verwandeln und bey der Gelegenheit auch etwas zu Kants An- denken zu stiften. Es wurde zu diesem Ende die 136 Fuß lange und 15 Fuß breite Gallerie mit Ziegeln ausgelegt, Kants Sarg auf einem Flügel des Ganges ange- bracht, und ob es nun gleich in der Mahle- rey abgeschafft ist, den Personen Zettel in den Mund zu geben, so hab ich doch über
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manchen Menſchen Vergnuͤgen macht, die Handſchrift nicht unbedeutender Perſonen kennen zu lernen. Herders Briefe an mich ſind unter die Papiere des Johannes Muͤl- ler gerathen, zum Behuf der Lebensbeſchrei- bung Herders, die er aber, wie die von Friedrich dem Großen, ſchuldig geblieben.
Da mir im ganzen Leben nichts Ausge- zeichnetes begegnet, noch von mir ausgerich- tet iſt, ſo weiß ich auch von den letzten zwey Jahren nichts Erhebliches anzufuͤhren, es waͤre denn, daß ich im Jahr 1809. auf den Gedanken kam, das ganz unbrauchbar ge- wordene Profeſſorgewoͤlbe an der Kneiphoͤf- ſchen Kirche, in dem auch Kant ſeine ganz unbemerkt gebliebene Grabſtaͤtte erhalten hatte, in einen Spaziergang fuͤr die auf dem Col- legio Albertino Wohnenden und andre Be- wegungsbeduͤrftige zu verwandeln und bey der Gelegenheit auch etwas zu Kants An- denken zu ſtiften. Es wurde zu dieſem Ende die 136 Fuß lange und 15 Fuß breite Gallerie mit Ziegeln ausgelegt, Kants Sarg auf einem Fluͤgel des Ganges ange- bracht, und ob es nun gleich in der Mahle- rey abgeſchafft iſt, den Perſonen Zettel in den Mund zu geben, ſo hab ich doch uͤber
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[305/0322]
manchen Menſchen Vergnuͤgen macht, die
Handſchrift nicht unbedeutender Perſonen
kennen zu lernen. Herders Briefe an mich
ſind unter die Papiere des Johannes Muͤl-
ler gerathen, zum Behuf der Lebensbeſchrei-
bung Herders, die er aber, wie die von
Friedrich dem Großen, ſchuldig geblieben.
Da mir im ganzen Leben nichts Ausge-
zeichnetes begegnet, noch von mir ausgerich-
tet iſt, ſo weiß ich auch von den letzten zwey
Jahren nichts Erhebliches anzufuͤhren, es
waͤre denn, daß ich im Jahr 1809. auf den
Gedanken kam, das ganz unbrauchbar ge-
wordene Profeſſorgewoͤlbe an der Kneiphoͤf-
ſchen Kirche, in dem auch Kant ſeine ganz
unbemerkt gebliebene Grabſtaͤtte erhalten hatte,
in einen Spaziergang fuͤr die auf dem Col-
legio Albertino Wohnenden und andre Be-
wegungsbeduͤrftige zu verwandeln und bey
der Gelegenheit auch etwas zu Kants An-
denken zu ſtiften. Es wurde zu dieſem
Ende die 136 Fuß lange und 15 Fuß breite
Gallerie mit Ziegeln ausgelegt, Kants
Sarg auf einem Fluͤgel des Ganges ange-
bracht, und ob es nun gleich in der Mahle-
rey abgeſchafft iſt, den Perſonen Zettel in
den Mund zu geben, ſo hab ich doch uͤber
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/322>, abgerufen am 22.11.2024.
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