vater der Prinzessin war, so waren unsre Unterhaltungen über Hof- und Stadt-Ce- dern und Ysop ohne Zwang. Jhr Wohl- gefallen an Hebels allemannischen Gedich- ten veranlaßte mich 19 aus der Sammlung umzudeutschen, und viele versicherten mich, es sey mir ziemlich damit geglückt; als ich aber dem Kirchenrath H. sie gedruckt zuschickte, schrieb mir dieser wackre Mann unterm 2. Aug. 1811: "Sie haben Schwierigkei- "ten bekämpft, die vielleicht keiner besser als "ich durch Erfahrung kenne, ich kam da- "durch nie weiter, als zu der Ueberzeugung, "daß die Gedichte weniger übersetzt, als neu "ins Hochdeutsche hinüber gedichtet werden "sollten, denn die gefällige Naivität ei- "nes Landmädchens ist nicht mehr das, "was sie war, sobald es sich in modischer "Kleidung producirt," und Tiedge, ein gewiß nicht minder competenter Richter, schrieb mir unterm 29. Okt. 1811: "Jhre "Arbeit ist mir eine um so liebere Erschei- "nung, da auch ich schon längst die Ueber- "setzung einiger dieser allerliebsten Lieder "versucht hatte -- unter andern fand ich "den Morgenstern sehr gelungen. Ei- "nige dieser süßen naiven Lieder scheinen
vater der Prinzeſſin war, ſo waren unſre Unterhaltungen uͤber Hof- und Stadt-Ce- dern und Yſop ohne Zwang. Jhr Wohl- gefallen an Hebels allemanniſchen Gedich- ten veranlaßte mich 19 aus der Sammlung umzudeutſchen, und viele verſicherten mich, es ſey mir ziemlich damit gegluͤckt; als ich aber dem Kirchenrath H. ſie gedruckt zuſchickte, ſchrieb mir dieſer wackre Mann unterm 2. Aug. 1811: „Sie haben Schwierigkei- „ten bekaͤmpft, die vielleicht keiner beſſer als „ich durch Erfahrung kenne, ich kam da- „durch nie weiter, als zu der Ueberzeugung, „daß die Gedichte weniger uͤberſetzt, als neu „ins Hochdeutſche hinuͤber gedichtet werden „ſollten, denn die gefaͤllige Naivitaͤt ei- „nes Landmaͤdchens iſt nicht mehr das, „was ſie war, ſobald es ſich in modiſcher „Kleidung producirt,“ und Tiedge, ein gewiß nicht minder competenter Richter, ſchrieb mir unterm 29. Okt. 1811: „Jhre „Arbeit iſt mir eine um ſo liebere Erſchei- „nung, da auch ich ſchon laͤngſt die Ueber- „ſetzung einiger dieſer allerliebſten Lieder „verſucht hatte — unter andern fand ich „den Morgenſtern ſehr gelungen. Ei- „nige dieſer ſuͤßen naiven Lieder ſcheinen
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vater der Prinzeſſin war, ſo waren unſre
Unterhaltungen uͤber Hof- und Stadt-Ce-
dern und Yſop ohne Zwang. Jhr Wohl-
gefallen an Hebels allemanniſchen Gedich-
ten veranlaßte mich 19 aus der Sammlung
umzudeutſchen, und viele verſicherten mich, es
ſey mir ziemlich damit gegluͤckt; als ich aber
dem Kirchenrath H. ſie gedruckt zuſchickte,
ſchrieb mir dieſer wackre Mann unterm
2. Aug. 1811: „Sie haben Schwierigkei-
„ten bekaͤmpft, die vielleicht keiner beſſer als
„ich durch Erfahrung kenne, ich kam da-
„durch nie weiter, als zu der Ueberzeugung,
„daß die Gedichte weniger uͤberſetzt, als neu
„ins Hochdeutſche hinuͤber gedichtet werden
„ſollten, denn die gefaͤllige Naivitaͤt ei-
„nes Landmaͤdchens iſt nicht mehr das,
„was ſie war, ſobald es ſich in modiſcher
„Kleidung producirt,“ und Tiedge, ein
gewiß nicht minder competenter Richter,
ſchrieb mir unterm 29. Okt. 1811: „Jhre
„Arbeit iſt mir eine um ſo liebere Erſchei-
„nung, da auch ich ſchon laͤngſt die Ueber-
„ſetzung einiger dieſer allerliebſten Lieder
„verſucht hatte — unter andern fand ich
„den Morgenſtern ſehr gelungen. Ei-
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/280>, abgerufen am 27.11.2024.
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