Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

unverständig ich indessen auch im Ackerbau-
wesen war und blieb, so machte mir doch
manches viel Vergnügen, und ich erinnere
mich noch jetzt sehr angenehm des Anblicks
eines Kornfeldes, bey dem ich am Abend
vorbeygegangen war, ohne die mindeste Spur
einer Vegetation wahrgenommen zu haben,
und als ich den Morgen darauf bald nach
Sonnenaufgang wieder vorbey ging, die auf-
gegangne Saat in ihrer Schillerfarbe, an-
geglänzt von den Sonnenstralen, erblickte.

Meine Freunde pflegten mir vorzuwer-
fen, daß ich an keiner von mir vollendeten
Arbeit weiter Vergnügen fände, und sie ha-
ben Recht. Denn der Geist der Ordnung,
der mich zuweilen dämonenhaft besitzt,
macht mir die Sorge für bloße Erhaltung
bald langweilig und so lästig, daß ich schon
oft nach einer schwereren neuen Last gegrif-
fen habe, um die alte leichtere mit einigem
Vorwande einem andern überlassen zu kön-
nen, und so ging es auch hier.

Meine Umstände änderten sich durch die
Beerbung meiner ältesten Schwägerin sehr
zu ihrem Vortheil, und ich that, um selbige
in Empfang zu nehmen, in Gesellschaft
meiner Gattin meine letzte Reise nach Ber-

unverſtaͤndig ich indeſſen auch im Ackerbau-
weſen war und blieb, ſo machte mir doch
manches viel Vergnuͤgen, und ich erinnere
mich noch jetzt ſehr angenehm des Anblicks
eines Kornfeldes, bey dem ich am Abend
vorbeygegangen war, ohne die mindeſte Spur
einer Vegetation wahrgenommen zu haben,
und als ich den Morgen darauf bald nach
Sonnenaufgang wieder vorbey ging, die auf-
gegangne Saat in ihrer Schillerfarbe, an-
geglaͤnzt von den Sonnenſtralen, erblickte.

Meine Freunde pflegten mir vorzuwer-
fen, daß ich an keiner von mir vollendeten
Arbeit weiter Vergnuͤgen faͤnde, und ſie ha-
ben Recht. Denn der Geiſt der Ordnung,
der mich zuweilen daͤmonenhaft beſitzt,
macht mir die Sorge fuͤr bloße Erhaltung
bald langweilig und ſo laͤſtig, daß ich ſchon
oft nach einer ſchwereren neuen Laſt gegrif-
fen habe, um die alte leichtere mit einigem
Vorwande einem andern uͤberlaſſen zu koͤn-
nen, und ſo ging es auch hier.

Meine Umſtaͤnde aͤnderten ſich durch die
Beerbung meiner aͤlteſten Schwaͤgerin ſehr
zu ihrem Vortheil, und ich that, um ſelbige
in Empfang zu nehmen, in Geſellſchaft
meiner Gattin meine letzte Reiſe nach Ber-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0230" n="213"/>
unver&#x017F;ta&#x0364;ndig ich inde&#x017F;&#x017F;en auch im Ackerbau-<lb/>
we&#x017F;en war und blieb, &#x017F;o machte mir doch<lb/>
manches viel Vergnu&#x0364;gen, und ich erinnere<lb/>
mich noch jetzt &#x017F;ehr angenehm des Anblicks<lb/>
eines Kornfeldes, bey dem ich am Abend<lb/>
vorbeygegangen war, ohne die minde&#x017F;te Spur<lb/>
einer Vegetation wahrgenommen zu haben,<lb/>
und als ich den Morgen darauf bald nach<lb/>
Sonnenaufgang wieder vorbey ging, die auf-<lb/>
gegangne Saat in ihrer Schillerfarbe, an-<lb/>
gegla&#x0364;nzt von den Sonnen&#x017F;tralen, erblickte.</p><lb/>
        <p>Meine Freunde pflegten mir vorzuwer-<lb/>
fen, daß ich an keiner von mir vollendeten<lb/>
Arbeit weiter Vergnu&#x0364;gen fa&#x0364;nde, und &#x017F;ie ha-<lb/>
ben Recht. Denn der Gei&#x017F;t der Ordnung,<lb/>
der mich zuweilen da&#x0364;monenhaft be&#x017F;itzt,<lb/>
macht mir die Sorge fu&#x0364;r bloße Erhaltung<lb/>
bald langweilig und &#x017F;o la&#x0364;&#x017F;tig, daß ich &#x017F;chon<lb/>
oft nach einer &#x017F;chwereren neuen La&#x017F;t gegrif-<lb/>
fen habe, um die alte leichtere mit einigem<lb/>
Vorwande einem andern u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en zu ko&#x0364;n-<lb/>
nen, und &#x017F;o ging es auch hier.</p><lb/>
        <p>Meine Um&#x017F;ta&#x0364;nde a&#x0364;nderten &#x017F;ich durch die<lb/>
Beerbung meiner a&#x0364;lte&#x017F;ten Schwa&#x0364;gerin &#x017F;ehr<lb/>
zu ihrem Vortheil, und ich that, um &#x017F;elbige<lb/>
in Empfang zu nehmen, in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
meiner Gattin meine letzte Rei&#x017F;e nach Ber-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0230] unverſtaͤndig ich indeſſen auch im Ackerbau- weſen war und blieb, ſo machte mir doch manches viel Vergnuͤgen, und ich erinnere mich noch jetzt ſehr angenehm des Anblicks eines Kornfeldes, bey dem ich am Abend vorbeygegangen war, ohne die mindeſte Spur einer Vegetation wahrgenommen zu haben, und als ich den Morgen darauf bald nach Sonnenaufgang wieder vorbey ging, die auf- gegangne Saat in ihrer Schillerfarbe, an- geglaͤnzt von den Sonnenſtralen, erblickte. Meine Freunde pflegten mir vorzuwer- fen, daß ich an keiner von mir vollendeten Arbeit weiter Vergnuͤgen faͤnde, und ſie ha- ben Recht. Denn der Geiſt der Ordnung, der mich zuweilen daͤmonenhaft beſitzt, macht mir die Sorge fuͤr bloße Erhaltung bald langweilig und ſo laͤſtig, daß ich ſchon oft nach einer ſchwereren neuen Laſt gegrif- fen habe, um die alte leichtere mit einigem Vorwande einem andern uͤberlaſſen zu koͤn- nen, und ſo ging es auch hier. Meine Umſtaͤnde aͤnderten ſich durch die Beerbung meiner aͤlteſten Schwaͤgerin ſehr zu ihrem Vortheil, und ich that, um ſelbige in Empfang zu nehmen, in Geſellſchaft meiner Gattin meine letzte Reiſe nach Ber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/230
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/230>, abgerufen am 24.11.2024.