Das Zutrauen des damaligen Pfarrers zu mir ließ mir bey der Ausbildung mei- nes Dorfschulmeisters und Einrichtung des Unterrichts, dem ich con amore häufig bey- wohnte, ziemlich freye Hand, und ich gestehe aufrichtig, daß das Verlassen der von mir gestifteten Schule mir beym Wegzuge fast am meisten kostete, so wie ich von den vie- len schönen Aussichten am ungernsten die verlor, aus dem Fenster meiner Schlafkam- mer auf den von mir angelegten und schick- lich verzierten Dorfkirchhof.
Die Besorgniß des Verfalls unsrer An- lagen hat etwas Niederschlagendes, und wenn man ihn sich ereignen sieht, so kostet es einem Ueberwindung, die nicht zu hassen, die keinen Sinn für die Beförderung des Schönen und Guten haben. Jch bin leider ein expertus Rupertus, dem man über die- sen Punkt glauben, und dessen Klagen man in einer von seinen 1804. gedruckten Epi- steln in Reimen lesen kann.
Da ich alle Weihnachten und Ostern Hippeln besuchte, so erneuerte sich auch bey ihm meine ehemalige Bekanntschaft mit Kant, der, wie nun die ganze Welt lesen kann, Scherz und Ernst in der Gesellschaft
Das Zutrauen des damaligen Pfarrers zu mir ließ mir bey der Ausbildung mei- nes Dorfſchulmeiſters und Einrichtung des Unterrichts, dem ich con amore haͤufig bey- wohnte, ziemlich freye Hand, und ich geſtehe aufrichtig, daß das Verlaſſen der von mir geſtifteten Schule mir beym Wegzuge faſt am meiſten koſtete, ſo wie ich von den vie- len ſchoͤnen Ausſichten am ungernſten die verlor, aus dem Fenſter meiner Schlafkam- mer auf den von mir angelegten und ſchick- lich verzierten Dorfkirchhof.
Die Beſorgniß des Verfalls unſrer An- lagen hat etwas Niederſchlagendes, und wenn man ihn ſich ereignen ſieht, ſo koſtet es einem Ueberwindung, die nicht zu haſſen, die keinen Sinn fuͤr die Befoͤrderung des Schoͤnen und Guten haben. Jch bin leider ein expertus Rupertus, dem man uͤber die- ſen Punkt glauben, und deſſen Klagen man in einer von ſeinen 1804. gedruckten Epi- ſteln in Reimen leſen kann.
Da ich alle Weihnachten und Oſtern Hippeln beſuchte, ſo erneuerte ſich auch bey ihm meine ehemalige Bekanntſchaft mit Kant, der, wie nun die ganze Welt leſen kann, Scherz und Ernſt in der Geſellſchaft
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0222"n="205"/><p>Das Zutrauen des damaligen Pfarrers<lb/>
zu mir ließ mir bey der Ausbildung mei-<lb/>
nes Dorfſchulmeiſters und Einrichtung des<lb/>
Unterrichts, dem ich <hirendition="#aq">con amore</hi> haͤufig bey-<lb/>
wohnte, ziemlich freye Hand, und ich geſtehe<lb/>
aufrichtig, daß das Verlaſſen der von mir<lb/>
geſtifteten Schule mir beym Wegzuge faſt<lb/>
am meiſten koſtete, ſo wie ich von den vie-<lb/>
len ſchoͤnen Ausſichten am ungernſten die<lb/>
verlor, aus dem Fenſter meiner Schlafkam-<lb/>
mer auf den von mir angelegten und ſchick-<lb/>
lich verzierten Dorfkirchhof.</p><lb/><p>Die Beſorgniß des Verfalls unſrer An-<lb/>
lagen hat etwas Niederſchlagendes, und<lb/>
wenn man ihn ſich ereignen ſieht, ſo koſtet<lb/>
es einem Ueberwindung, die nicht zu haſſen,<lb/>
die keinen Sinn fuͤr die Befoͤrderung des<lb/>
Schoͤnen und Guten haben. Jch bin leider<lb/>
ein <hirendition="#aq">expertus Rupertus,</hi> dem man uͤber die-<lb/>ſen Punkt glauben, und deſſen Klagen man<lb/>
in einer von ſeinen 1804. gedruckten Epi-<lb/>ſteln in Reimen leſen kann.</p><lb/><p>Da ich alle Weihnachten und Oſtern<lb/><hirendition="#g">Hippeln</hi> beſuchte, ſo erneuerte ſich auch<lb/>
bey ihm meine ehemalige Bekanntſchaft mit<lb/><hirendition="#g">Kant,</hi> der, wie nun die ganze Welt leſen<lb/>
kann, Scherz und Ernſt in der Geſellſchaft<lb/></p></div></body></text></TEI>
[205/0222]
Das Zutrauen des damaligen Pfarrers
zu mir ließ mir bey der Ausbildung mei-
nes Dorfſchulmeiſters und Einrichtung des
Unterrichts, dem ich con amore haͤufig bey-
wohnte, ziemlich freye Hand, und ich geſtehe
aufrichtig, daß das Verlaſſen der von mir
geſtifteten Schule mir beym Wegzuge faſt
am meiſten koſtete, ſo wie ich von den vie-
len ſchoͤnen Ausſichten am ungernſten die
verlor, aus dem Fenſter meiner Schlafkam-
mer auf den von mir angelegten und ſchick-
lich verzierten Dorfkirchhof.
Die Beſorgniß des Verfalls unſrer An-
lagen hat etwas Niederſchlagendes, und
wenn man ihn ſich ereignen ſieht, ſo koſtet
es einem Ueberwindung, die nicht zu haſſen,
die keinen Sinn fuͤr die Befoͤrderung des
Schoͤnen und Guten haben. Jch bin leider
ein expertus Rupertus, dem man uͤber die-
ſen Punkt glauben, und deſſen Klagen man
in einer von ſeinen 1804. gedruckten Epi-
ſteln in Reimen leſen kann.
Da ich alle Weihnachten und Oſtern
Hippeln beſuchte, ſo erneuerte ſich auch
bey ihm meine ehemalige Bekanntſchaft mit
Kant, der, wie nun die ganze Welt leſen
kann, Scherz und Ernſt in der Geſellſchaft
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/222>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.