Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweymal nahm mich Freund Uhl mit
nach Berlin, wo mir von mehr als Einem
Dienstmachthaber nicht unbedeutende Vor-
schläge zu neuer Dienstantretung, mit gro-
ßen Versprechungen baldiger wichtiger Wei-
terbeförderung gemacht wurden, allein ich
hatte mich in meine Dienstlosigkeit bereits
so eingelebt, und selbst erfahrne Rückfälle in
Krankheiten hatten mir vor jeder Art von
Recidiv eine solche Furcht eingejagt, daß ich
hohen Besoldungen und Titeln widerstand
und gewiß eben so froh in meine Hütte zu-
rückkam, als gerne ich diese Ausflüchte in
die Residenz gemacht hatte. Wie mich denn
nie die mindeste Reue über meine frühe
Dienstverlassung angewandelt hat.

Jn frühern Jahren hatt ich mir zwar
immer die persönliche Bekanntschaft der Au-
toren gewünscht, die über Natur und Sit-

ich Personen nachhängen gesehen, deren Namen
Aufsehen erregen würden, wenn ich sie nennte.
So wenig wir schon alles wissen, was aus dem
Schriftkasten der Seele gesetzt werden kann, so
wenig wissen wir auch wohl alles, was an un-
serm Leibe geschrieben sieht. Je freyer ich mich
felbst von vielen Vorurtheilen halte, desto weni-
ger trag ich Bedenken, dieses niederzuschreiben.

Zweymal nahm mich Freund Uhl mit
nach Berlin, wo mir von mehr als Einem
Dienſtmachthaber nicht unbedeutende Vor-
ſchlaͤge zu neuer Dienſtantretung, mit gro-
ßen Verſprechungen baldiger wichtiger Wei-
terbefoͤrderung gemacht wurden, allein ich
hatte mich in meine Dienſtloſigkeit bereits
ſo eingelebt, und ſelbſt erfahrne Ruͤckfaͤlle in
Krankheiten hatten mir vor jeder Art von
Recidiv eine ſolche Furcht eingejagt, daß ich
hohen Beſoldungen und Titeln widerſtand
und gewiß eben ſo froh in meine Huͤtte zu-
ruͤckkam, als gerne ich dieſe Ausfluͤchte in
die Reſidenz gemacht hatte. Wie mich denn
nie die mindeſte Reue uͤber meine fruͤhe
Dienſtverlaſſung angewandelt hat.

Jn fruͤhern Jahren hatt ich mir zwar
immer die perſoͤnliche Bekanntſchaft der Au-
toren gewuͤnſcht, die uͤber Natur und Sit-

ich Perſonen nachhaͤngen geſehen, deren Namen
Aufſehen erregen wuͤrden, wenn ich ſie nennte.
So wenig wir ſchon alles wiſſen, was aus dem
Schriftkaſten der Seele geſetzt werden kann, ſo
wenig wiſſen wir auch wohl alles, was an un-
ſerm Leibe geſchrieben ſieht. Je freyer ich mich
felbſt von vielen Vorurtheilen halte, deſto weni-
ger trag ich Bedenken, dieſes niederzuſchreiben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0195" n="178"/>
        <p>Zweymal nahm mich Freund Uhl mit<lb/>
nach Berlin, wo mir von mehr als Einem<lb/>
Dien&#x017F;tmachthaber nicht unbedeutende Vor-<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;ge zu neuer Dien&#x017F;tantretung, mit gro-<lb/>
ßen Ver&#x017F;prechungen baldiger wichtiger Wei-<lb/>
terbefo&#x0364;rderung gemacht wurden, allein ich<lb/>
hatte mich in meine Dien&#x017F;tlo&#x017F;igkeit bereits<lb/>
&#x017F;o eingelebt, und &#x017F;elb&#x017F;t erfahrne Ru&#x0364;ckfa&#x0364;lle in<lb/>
Krankheiten hatten mir vor jeder Art von<lb/>
Recidiv eine &#x017F;olche Furcht eingejagt, daß ich<lb/>
hohen Be&#x017F;oldungen und Titeln wider&#x017F;tand<lb/>
und gewiß eben &#x017F;o froh in meine Hu&#x0364;tte zu-<lb/>
ru&#x0364;ckkam, als gerne ich die&#x017F;e Ausflu&#x0364;chte in<lb/>
die Re&#x017F;idenz gemacht hatte. Wie mich denn<lb/>
nie die minde&#x017F;te Reue u&#x0364;ber meine fru&#x0364;he<lb/>
Dien&#x017F;tverla&#x017F;&#x017F;ung angewandelt hat.</p><lb/>
        <p>Jn fru&#x0364;hern Jahren hatt ich mir zwar<lb/>
immer die per&#x017F;o&#x0364;nliche Bekannt&#x017F;chaft der Au-<lb/>
toren gewu&#x0364;n&#x017F;cht, die u&#x0364;ber Natur und Sit-<lb/><note xml:id="seg2pn_16_2" prev="#seg2pn_16_1" place="foot" n="*)">ich Per&#x017F;onen nachha&#x0364;ngen ge&#x017F;ehen, deren Namen<lb/>
Auf&#x017F;ehen erregen wu&#x0364;rden, wenn ich &#x017F;ie nennte.<lb/>
So wenig wir &#x017F;chon alles wi&#x017F;&#x017F;en, was aus dem<lb/>
Schriftka&#x017F;ten der Seele ge&#x017F;etzt werden kann, &#x017F;o<lb/>
wenig wi&#x017F;&#x017F;en wir auch wohl alles, was an un-<lb/>
&#x017F;erm Leibe ge&#x017F;chrieben &#x017F;ieht. Je freyer ich mich<lb/>
felb&#x017F;t von vielen Vorurtheilen halte, de&#x017F;to weni-<lb/>
ger trag ich Bedenken, die&#x017F;es niederzu&#x017F;chreiben.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0195] Zweymal nahm mich Freund Uhl mit nach Berlin, wo mir von mehr als Einem Dienſtmachthaber nicht unbedeutende Vor- ſchlaͤge zu neuer Dienſtantretung, mit gro- ßen Verſprechungen baldiger wichtiger Wei- terbefoͤrderung gemacht wurden, allein ich hatte mich in meine Dienſtloſigkeit bereits ſo eingelebt, und ſelbſt erfahrne Ruͤckfaͤlle in Krankheiten hatten mir vor jeder Art von Recidiv eine ſolche Furcht eingejagt, daß ich hohen Beſoldungen und Titeln widerſtand und gewiß eben ſo froh in meine Huͤtte zu- ruͤckkam, als gerne ich dieſe Ausfluͤchte in die Reſidenz gemacht hatte. Wie mich denn nie die mindeſte Reue uͤber meine fruͤhe Dienſtverlaſſung angewandelt hat. Jn fruͤhern Jahren hatt ich mir zwar immer die perſoͤnliche Bekanntſchaft der Au- toren gewuͤnſcht, die uͤber Natur und Sit- *) *) ich Perſonen nachhaͤngen geſehen, deren Namen Aufſehen erregen wuͤrden, wenn ich ſie nennte. So wenig wir ſchon alles wiſſen, was aus dem Schriftkaſten der Seele geſetzt werden kann, ſo wenig wiſſen wir auch wohl alles, was an un- ſerm Leibe geſchrieben ſieht. Je freyer ich mich felbſt von vielen Vorurtheilen halte, deſto weni- ger trag ich Bedenken, dieſes niederzuſchreiben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/195
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/195>, abgerufen am 23.11.2024.