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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Weg und sande ihn, der nicht das mindeste
von der ganzen Verhandlung wußte, zum
Empfang seines Lohnrestes nach Marienwer-
der zurück, von wo er sofort weiter geschafft
wurde. Diese Verheimlichung that mir un-
beschreiblich weh, aber mein Gewissen ließ
sich dadurch beruhigen, daß ich in unsrer
neuen Welt das Soldatwerden für eine
unerläßliche Bürgerpflicht halte, und daher
die Einführung der allgemeinen Verpflichtung
dazu, von der in den letzten Jahren sehr
vieles gesprochen, manches auch aufs Papier
gebracht worden, die aber noch jetzt den
3. Jul. 1812. unter den piis desideriis
steht, sehr nützlich finde. *)

Jch richtete mich nunmehr auf dem, bey
der französischen Belagerung beynah verwü-
steten und seitdem ganz öde gemachten

*) Daß nach den großen Erfahrungen über die Er-
folge der Volksbewaffnung der Verfasser des
Edikts von 1814. omne punctum über diesen
höchstwichtigen Punkt der Staatsweisheit getrof-
fen habe, mag ich nicht behaupten -- Geduld --
Rom ist nicht in einem Tage erbaut, und das
Wort, Volksthümlichkeit klingt nicht mehr
so fremd, und hat man nicht auch schon den Un-
terschied der Landstände von einer wahren
Volksrepräsentation einsehen gelernt?

Weg und ſande ihn, der nicht das mindeſte
von der ganzen Verhandlung wußte, zum
Empfang ſeines Lohnreſtes nach Marienwer-
der zuruͤck, von wo er ſofort weiter geſchafft
wurde. Dieſe Verheimlichung that mir un-
beſchreiblich weh, aber mein Gewiſſen ließ
ſich dadurch beruhigen, daß ich in unſrer
neuen Welt das Soldatwerden fuͤr eine
unerlaͤßliche Buͤrgerpflicht halte, und daher
die Einfuͤhrung der allgemeinen Verpflichtung
dazu, von der in den letzten Jahren ſehr
vieles geſprochen, manches auch aufs Papier
gebracht worden, die aber noch jetzt den
3. Jul. 1812. unter den piis deſideriis
ſteht, ſehr nuͤtzlich finde. *)

Jch richtete mich nunmehr auf dem, bey
der franzoͤſiſchen Belagerung beynah verwuͤ-
ſteten und ſeitdem ganz oͤde gemachten

*) Daß nach den großen Erfahrungen uͤber die Er-
folge der Volksbewaffnung der Verfaſſer des
Edikts von 1814. omne punctum uͤber dieſen
hoͤchſtwichtigen Punkt der Staatsweisheit getrof-
fen habe, mag ich nicht behaupten — Geduld —
Rom iſt nicht in einem Tage erbaut, und das
Wort, Volksthuͤmlichkeit klingt nicht mehr
ſo fremd, und hat man nicht auch ſchon den Un-
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[168/0185] Weg und ſande ihn, der nicht das mindeſte von der ganzen Verhandlung wußte, zum Empfang ſeines Lohnreſtes nach Marienwer- der zuruͤck, von wo er ſofort weiter geſchafft wurde. Dieſe Verheimlichung that mir un- beſchreiblich weh, aber mein Gewiſſen ließ ſich dadurch beruhigen, daß ich in unſrer neuen Welt das Soldatwerden fuͤr eine unerlaͤßliche Buͤrgerpflicht halte, und daher die Einfuͤhrung der allgemeinen Verpflichtung dazu, von der in den letzten Jahren ſehr vieles geſprochen, manches auch aufs Papier gebracht worden, die aber noch jetzt den 3. Jul. 1812. unter den piis deſideriis ſteht, ſehr nuͤtzlich finde. *) Jch richtete mich nunmehr auf dem, bey der franzoͤſiſchen Belagerung beynah verwuͤ- ſteten und ſeitdem ganz oͤde gemachten *) Daß nach den großen Erfahrungen uͤber die Er- folge der Volksbewaffnung der Verfaſſer des Edikts von 1814. omne punctum uͤber dieſen hoͤchſtwichtigen Punkt der Staatsweisheit getrof- fen habe, mag ich nicht behaupten — Geduld — Rom iſt nicht in einem Tage erbaut, und das Wort, Volksthuͤmlichkeit klingt nicht mehr ſo fremd, und hat man nicht auch ſchon den Un- terſchied der Landſtaͤnde von einer wahren Volksrepraͤſentation einſehen gelernt?

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/185>, abgerufen am 27.11.2024.