schauderhafte Lage war, in die zu gerathen, jeder etwas bemittelte Mensch vorzüglich sich hüten muß und kann.
Man wird auf dieses No. 4. sagen: ich hätte mich einschränken sollen, allein ich hatte be- reits, ohne es im Montaigne (IV. B. 3. Cap.) gelesen zu haben, erfahren, "daß man "seine Leute vielleicht besser bey Tisch, als "bey wichtigen Berathschlagungen entdecke," und daß sich oft durch ein Tischgespräch mehr gewinnen und machen lasse, als beym bün- digsten Vortrage an der förmlichen Confe- renztafel und durch die trefflichste Relation, ja daß man in Europa so gut wie in Ara- bien einen mit ganz andern Augen ansieht, mit dem man freundlich zu Tische gesessen, und war schon damals der Meinung, daß der Staat die vornehmen Dienstleute, die doch selten viel, und noch seltener die unan- genehmen Dienstparthien, bearbeiten, blos darum so reichlich besoldet, damit sie eine gute Tafel halten, und dabey Gelegenheit nehmen sollen, ihre Untergebnen anders und näher kennen zu lernen, als es in den Col- legien geschehen kann. Wie ganz anders aber die großen Herren darüber denken, wird jeden wohl seine Ortserfahrung lehren.
ſchauderhafte Lage war, in die zu gerathen, jeder etwas bemittelte Menſch vorzuͤglich ſich huͤten muß und kann.
Man wird auf dieſes No. 4. ſagen: ich haͤtte mich einſchraͤnken ſollen, allein ich hatte be- reits, ohne es im Montaigne (IV. B. 3. Cap.) geleſen zu haben, erfahren, „daß man „ſeine Leute vielleicht beſſer bey Tiſch, als „bey wichtigen Berathſchlagungen entdecke,“ und daß ſich oft durch ein Tiſchgeſpraͤch mehr gewinnen und machen laſſe, als beym buͤn- digſten Vortrage an der foͤrmlichen Confe- renztafel und durch die trefflichſte Relation, ja daß man in Europa ſo gut wie in Ara- bien einen mit ganz andern Augen anſieht, mit dem man freundlich zu Tiſche geſeſſen, und war ſchon damals der Meinung, daß der Staat die vornehmen Dienſtleute, die doch ſelten viel, und noch ſeltener die unan- genehmen Dienſtparthien, bearbeiten, blos darum ſo reichlich beſoldet, damit ſie eine gute Tafel halten, und dabey Gelegenheit nehmen ſollen, ihre Untergebnen anders und naͤher kennen zu lernen, als es in den Col- legien geſchehen kann. Wie ganz anders aber die großen Herren daruͤber denken, wird jeden wohl ſeine Ortserfahrung lehren.
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ſchauderhafte Lage war, in die zu gerathen,
jeder etwas bemittelte Menſch vorzuͤglich
ſich huͤten muß und kann.
Man wird auf dieſes No. 4. ſagen: ich haͤtte
mich einſchraͤnken ſollen, allein ich hatte be-
reits, ohne es im Montaigne (IV. B. 3.
Cap.) geleſen zu haben, erfahren, „daß man
„ſeine Leute vielleicht beſſer bey Tiſch, als
„bey wichtigen Berathſchlagungen entdecke,“
und daß ſich oft durch ein Tiſchgeſpraͤch mehr
gewinnen und machen laſſe, als beym buͤn-
digſten Vortrage an der foͤrmlichen Confe-
renztafel und durch die trefflichſte Relation,
ja daß man in Europa ſo gut wie in Ara-
bien einen mit ganz andern Augen anſieht,
mit dem man freundlich zu Tiſche geſeſſen,
und war ſchon damals der Meinung, daß
der Staat die vornehmen Dienſtleute, die
doch ſelten viel, und noch ſeltener die unan-
genehmen Dienſtparthien, bearbeiten, blos
darum ſo reichlich beſoldet, damit ſie eine
gute Tafel halten, und dabey Gelegenheit
nehmen ſollen, ihre Untergebnen anders und
naͤher kennen zu lernen, als es in den Col-
legien geſchehen kann. Wie ganz anders
aber die großen Herren daruͤber denken,
wird jeden wohl ſeine Ortserfahrung lehren.
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/172>, abgerufen am 25.11.2024.
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