friedigung war für mich in seinem Hause nichts zu merken;
5) lag von seinen wichtigsten Fehlern so wenig in meinem eignen Herzen, daß ich gar nicht auf den Gedanken kam, sie bey ihm zu suchen: wie hätt' ich also bey mei- nem vieljährigen Zutrauen zu ihm, bey sei- nen gegen mich so lebhaft geänßerten Grund- sätzen über Wahrheit, seine persönlichen Ab- weichungen argwöhnen sollen?
6) erlaubte mir der Antheil, den er an mir nahm, sein öfteres Eingehen in meine Jdeen, das herzliche Erkennen mancher Ge- fälligkeit, die ich ihm zu erweisen Gelegen- heit fand, nie den Gedanken an eine eigen- nützige Freundschaft von seiner Seite.
Der erste Verdachtsfunke gegen ihn sprühte aus einem Briefe hervor, den er mir aus Danzig über eine ganz unbefangen geäußerte Meinung vom weiblichen Geschlecht schrieb (im Vorbericht zu der 1792. gedruckten Aehrenlose vom Calenderfelde), wodurch er sein Autorschaftsgeheimniß des Buches über die bürgerliche Verbesserung der Weiber verrathen glaubte. Ob mir nun
gleich
friedigung war fuͤr mich in ſeinem Hauſe nichts zu merken;
5) lag von ſeinen wichtigſten Fehlern ſo wenig in meinem eignen Herzen, daß ich gar nicht auf den Gedanken kam, ſie bey ihm zu ſuchen: wie haͤtt’ ich alſo bey mei- nem vieljaͤhrigen Zutrauen zu ihm, bey ſei- nen gegen mich ſo lebhaft geaͤnßerten Grund- ſaͤtzen uͤber Wahrheit, ſeine perſoͤnlichen Ab- weichungen argwoͤhnen ſollen?
6) erlaubte mir der Antheil, den er an mir nahm, ſein oͤfteres Eingehen in meine Jdeen, das herzliche Erkennen mancher Ge- faͤlligkeit, die ich ihm zu erweiſen Gelegen- heit fand, nie den Gedanken an eine eigen- nuͤtzige Freundſchaft von ſeiner Seite.
Der erſte Verdachtsfunke gegen ihn ſpruͤhte aus einem Briefe hervor, den er mir aus Danzig uͤber eine ganz unbefangen geaͤußerte Meinung vom weiblichen Geſchlecht ſchrieb (im Vorbericht zu der 1792. gedruckten Aehrenloſe vom Calenderfelde), wodurch er ſein Autorſchaftsgeheimniß des Buches uͤber die buͤrgerliche Verbeſſerung der Weiber verrathen glaubte. Ob mir nun
gleich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0145"n="128"/>
friedigung war <hirendition="#g">fuͤr mich</hi> in ſeinem Hauſe<lb/>
nichts zu merken;</p><lb/><p>5) lag von ſeinen wichtigſten Fehlern ſo<lb/>
wenig in meinem eignen Herzen, daß ich<lb/>
gar nicht auf den Gedanken kam, ſie bey<lb/>
ihm zu ſuchen: wie haͤtt’ ich alſo bey mei-<lb/>
nem vieljaͤhrigen Zutrauen zu ihm, bey ſei-<lb/>
nen gegen mich ſo lebhaft geaͤnßerten Grund-<lb/>ſaͤtzen uͤber Wahrheit, ſeine perſoͤnlichen Ab-<lb/>
weichungen argwoͤhnen ſollen?</p><lb/><p>6) erlaubte mir der Antheil, den er an<lb/>
mir nahm, ſein oͤfteres Eingehen in meine<lb/>
Jdeen, das herzliche Erkennen mancher Ge-<lb/>
faͤlligkeit, die ich ihm zu erweiſen Gelegen-<lb/>
heit fand, nie den Gedanken an eine eigen-<lb/>
nuͤtzige Freundſchaft von ſeiner Seite.</p><lb/><p>Der erſte Verdachtsfunke gegen ihn ſpruͤhte<lb/>
aus einem Briefe hervor, den er mir aus<lb/>
Danzig uͤber eine ganz unbefangen geaͤußerte<lb/>
Meinung vom weiblichen Geſchlecht ſchrieb<lb/>
(im Vorbericht zu der 1792. gedruckten<lb/>
Aehrenloſe vom Calenderfelde), wodurch er<lb/>ſein Autorſchaftsgeheimniß des Buches <hirendition="#g">uͤber<lb/>
die buͤrgerliche Verbeſſerung der<lb/>
Weiber</hi> verrathen glaubte. Ob mir nun<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gleich</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[128/0145]
friedigung war fuͤr mich in ſeinem Hauſe
nichts zu merken;
5) lag von ſeinen wichtigſten Fehlern ſo
wenig in meinem eignen Herzen, daß ich
gar nicht auf den Gedanken kam, ſie bey
ihm zu ſuchen: wie haͤtt’ ich alſo bey mei-
nem vieljaͤhrigen Zutrauen zu ihm, bey ſei-
nen gegen mich ſo lebhaft geaͤnßerten Grund-
ſaͤtzen uͤber Wahrheit, ſeine perſoͤnlichen Ab-
weichungen argwoͤhnen ſollen?
6) erlaubte mir der Antheil, den er an
mir nahm, ſein oͤfteres Eingehen in meine
Jdeen, das herzliche Erkennen mancher Ge-
faͤlligkeit, die ich ihm zu erweiſen Gelegen-
heit fand, nie den Gedanken an eine eigen-
nuͤtzige Freundſchaft von ſeiner Seite.
Der erſte Verdachtsfunke gegen ihn ſpruͤhte
aus einem Briefe hervor, den er mir aus
Danzig uͤber eine ganz unbefangen geaͤußerte
Meinung vom weiblichen Geſchlecht ſchrieb
(im Vorbericht zu der 1792. gedruckten
Aehrenloſe vom Calenderfelde), wodurch er
ſein Autorſchaftsgeheimniß des Buches uͤber
die buͤrgerliche Verbeſſerung der
Weiber verrathen glaubte. Ob mir nun
gleich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/145>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.