werth gemacht hat, daß ich ihn für den Fach- baum in der Lebensmühle halte.
Tiedgen läßt in einem höchfl naiven Liede das Mädchen sagen:
So schupp' ich den Verdruß Mit einem Seufzer nieder, Was kann man denn dawider, Wenn man nun einmal muß?
Jn das, wenigstens damals, spartanisch ge- richtete und in der neuern Zeit (1806.) ge- wiß nicht wenig Kriegslärm machende Ber- lin hofft ich als ein junger Held einzuzie- hen, hatte mich fleißig auf das Salutiren beym Vorbeymarsch vor der königlichen Familie eingeübt, wurde aber ein Paar Tage vorher krank, und ob ich gleich am Einmarschtage alle meine Kräfte zur Toilette anstrengte, so mußte ich mich doch in mein Uebel erge- ben und, statt in die Residenz einzuparadi- ren, mich von meinem Bedienten auf dem Pferde halten lassen, damit der Leib nicht gleich dem schwankenden Kopf das Gleich- gewicht verlöre.
Meine Krankheit wurde dem alten Regi- mentsarzt, den König Friedrich einst sehr übel angelassen hatte, weil er im Lazareth Brechmittel und nicht Emetique brauchte,
werth gemacht hat, daß ich ihn fuͤr den Fach- baum in der Lebensmuͤhle halte.
Tiedgen laͤßt in einem hoͤchfl naiven Liede das Maͤdchen ſagen:
So ſchupp’ ich den Verdruß Mit einem Seufzer nieder, Was kann man denn dawider, Wenn man nun einmal muß?
Jn das, wenigſtens damals, ſpartaniſch ge- richtete und in der neuern Zeit (1806.) ge- wiß nicht wenig Kriegslaͤrm machende Ber- lin hofft ich als ein junger Held einzuzie- hen, hatte mich fleißig auf das Salutiren beym Vorbeymarſch vor der koͤniglichen Familie eingeuͤbt, wurde aber ein Paar Tage vorher krank, und ob ich gleich am Einmarſchtage alle meine Kraͤfte zur Toilette anſtrengte, ſo mußte ich mich doch in mein Uebel erge- ben und, ſtatt in die Reſidenz einzuparadi- ren, mich von meinem Bedienten auf dem Pferde halten laſſen, damit der Leib nicht gleich dem ſchwankenden Kopf das Gleich- gewicht verloͤre.
Meine Krankheit wurde dem alten Regi- mentsarzt, den Koͤnig Friedrich einſt ſehr uͤbel angelaſſen hatte, weil er im Lazareth Brechmittel und nicht Emetique brauchte,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0128"n="111"/>
werth gemacht hat, daß ich ihn fuͤr den Fach-<lb/>
baum in der Lebensmuͤhle halte.</p><lb/><p><hirendition="#g">Tiedgen</hi> laͤßt in einem hoͤchfl naiven<lb/>
Liede das Maͤdchen ſagen:</p><lb/><cit><quote><lgtype="poem"><l>So ſchupp’ ich den Verdruß</l><lb/><l>Mit einem Seufzer nieder,</l><lb/><l>Was kann man denn dawider,</l><lb/><l>Wenn man nun einmal <hirendition="#g">muß?</hi></l></lg></quote></cit><lb/><p>Jn das, wenigſtens damals, ſpartaniſch ge-<lb/>
richtete und in der neuern Zeit (1806.) ge-<lb/>
wiß nicht wenig Kriegslaͤrm machende Ber-<lb/>
lin hofft ich als ein junger Held einzuzie-<lb/>
hen, hatte mich fleißig auf das Salutiren<lb/>
beym Vorbeymarſch vor der koͤniglichen Familie<lb/>
eingeuͤbt, wurde aber ein Paar Tage vorher<lb/>
krank, und ob ich gleich am Einmarſchtage<lb/>
alle meine Kraͤfte zur Toilette anſtrengte,<lb/>ſo mußte ich mich doch in mein Uebel erge-<lb/>
ben und, ſtatt in die Reſidenz einzuparadi-<lb/>
ren, mich von meinem Bedienten auf dem<lb/>
Pferde halten laſſen, damit der Leib nicht<lb/>
gleich dem ſchwankenden Kopf das Gleich-<lb/>
gewicht verloͤre.</p><lb/><p>Meine Krankheit wurde dem alten Regi-<lb/>
mentsarzt, den Koͤnig Friedrich einſt ſehr<lb/>
uͤbel angelaſſen hatte, weil er im Lazareth<lb/>
Brechmittel und nicht <hirendition="#aq">Emetique</hi> brauchte,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[111/0128]
werth gemacht hat, daß ich ihn fuͤr den Fach-
baum in der Lebensmuͤhle halte.
Tiedgen laͤßt in einem hoͤchfl naiven
Liede das Maͤdchen ſagen:
So ſchupp’ ich den Verdruß
Mit einem Seufzer nieder,
Was kann man denn dawider,
Wenn man nun einmal muß?
Jn das, wenigſtens damals, ſpartaniſch ge-
richtete und in der neuern Zeit (1806.) ge-
wiß nicht wenig Kriegslaͤrm machende Ber-
lin hofft ich als ein junger Held einzuzie-
hen, hatte mich fleißig auf das Salutiren
beym Vorbeymarſch vor der koͤniglichen Familie
eingeuͤbt, wurde aber ein Paar Tage vorher
krank, und ob ich gleich am Einmarſchtage
alle meine Kraͤfte zur Toilette anſtrengte,
ſo mußte ich mich doch in mein Uebel erge-
ben und, ſtatt in die Reſidenz einzuparadi-
ren, mich von meinem Bedienten auf dem
Pferde halten laſſen, damit der Leib nicht
gleich dem ſchwankenden Kopf das Gleich-
gewicht verloͤre.
Meine Krankheit wurde dem alten Regi-
mentsarzt, den Koͤnig Friedrich einſt ſehr
uͤbel angelaſſen hatte, weil er im Lazareth
Brechmittel und nicht Emetique brauchte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/128>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.