präsident war. Einige meiner Gedichte wur- den ohne mein Vorwissen unter dem Titel Campagnengedichte gedruckt, vom da- maligen Berlinschen Buchhändler, nachmali- gen Hofrath, dann Cammerherr, auch Ba- ron gewordenen und als Graf auf seinen gro- ßen Güthern in Sachsen gestorbnen Rüdi- ger. Zwey Majors, bey deren Compagnien ich gestanden, hatten mich an ihren Tisch genommen, für den Magen hatt' ich also keine Sorge, außer wenn ich auf die Wache zog, wo mein Mittagsmahl jederzeit aus Rindfleisch mit Reis und das Abendbrod aus einer Suppe von Commisbrod, wo mög- lich mit Honig versüßt, bestand. Andre Sorgen macht ich mir nicht. Oft wußten meine Cameraden nicht meine rasche Jovia- lität in ihrer Gesellschaft und meine ernste Gleichmüthigkeit im Dienst zusammen zu reimen. Zum ersten trieb mich die Natur, zur letztern nöthigten mich Umstände und Rücksichten. Jch wußte gewiß, daß man auf mich Acht gab, und das half mir den Kopf ziemlich fest halten, als ich zum erstenmal beschossen wurde, das Herz schlug mir in- dessen doch etwas anders, wenn ich Kugeln pfeifen, als wenn ich ein Lied von einem
praͤſident war. Einige meiner Gedichte wur- den ohne mein Vorwiſſen unter dem Titel Campagnengedichte gedruckt, vom da- maligen Berlinſchen Buchhaͤndler, nachmali- gen Hofrath, dann Cammerherr, auch Ba- ron gewordenen und als Graf auf ſeinen gro- ßen Guͤthern in Sachſen geſtorbnen Ruͤdi- ger. Zwey Majors, bey deren Compagnien ich geſtanden, hatten mich an ihren Tiſch genommen, fuͤr den Magen hatt’ ich alſo keine Sorge, außer wenn ich auf die Wache zog, wo mein Mittagsmahl jederzeit aus Rindfleiſch mit Reis und das Abendbrod aus einer Suppe von Commisbrod, wo moͤg- lich mit Honig verſuͤßt, beſtand. Andre Sorgen macht ich mir nicht. Oft wußten meine Cameraden nicht meine raſche Jovia- litaͤt in ihrer Geſellſchaft und meine ernſte Gleichmuͤthigkeit im Dienſt zuſammen zu reimen. Zum erſten trieb mich die Natur, zur letztern noͤthigten mich Umſtaͤnde und Ruͤckſichten. Jch wußte gewiß, daß man auf mich Acht gab, und das half mir den Kopf ziemlich feſt halten, als ich zum erſtenmal beſchoſſen wurde, das Herz ſchlug mir in- deſſen doch etwas anders, wenn ich Kugeln pfeifen, als wenn ich ein Lied von einem
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praͤſident war. Einige meiner Gedichte wur-
den ohne mein Vorwiſſen unter dem Titel
Campagnengedichte gedruckt, vom da-
maligen Berlinſchen Buchhaͤndler, nachmali-
gen Hofrath, dann Cammerherr, auch Ba-
ron gewordenen und als Graf auf ſeinen gro-
ßen Guͤthern in Sachſen geſtorbnen Ruͤdi-
ger. Zwey Majors, bey deren Compagnien
ich geſtanden, hatten mich an ihren Tiſch
genommen, fuͤr den Magen hatt’ ich alſo
keine Sorge, außer wenn ich auf die Wache
zog, wo mein Mittagsmahl jederzeit aus
Rindfleiſch mit Reis und das Abendbrod
aus einer Suppe von Commisbrod, wo moͤg-
lich mit Honig verſuͤßt, beſtand. Andre
Sorgen macht ich mir nicht. Oft wußten
meine Cameraden nicht meine raſche Jovia-
litaͤt in ihrer Geſellſchaft und meine ernſte
Gleichmuͤthigkeit im Dienſt zuſammen zu
reimen. Zum erſten trieb mich die Natur,
zur letztern noͤthigten mich Umſtaͤnde und
Ruͤckſichten. Jch wußte gewiß, daß man auf
mich Acht gab, und das half mir den Kopf
ziemlich feſt halten, als ich zum erſtenmal
beſchoſſen wurde, das Herz ſchlug mir in-
deſſen doch etwas anders, wenn ich Kugeln
pfeifen, als wenn ich ein Lied von einem
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/125>, abgerufen am 24.11.2024.
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