noß des Umganges zweyer von der Akade- mie her mir bekannten Freunde, von denen Kraft Feldprediger und Pietsch Regi- mentsquartiermeister war. Letzterer besaß außer seinem vortrefflichen Charakrer noch eine vorzügliche Kenntniß der römischen Classiker, aus denen er, wie aus den fran- zösischen Dichtern, große Stellen auswendig wußte, worin ich ihm nur den geheimen Staatsrath von Heydebreck gleich gesehen, den ich oft (1809.) solche Tiraden aus Rö- mern, Dentschen, Franzosen und Jtalienern reeitiren gehört habe. Wohl dem Dienst- mann, den das Lesen und im Gedächtniß Behalten schöner Stellen aus Alten und Neuen nicht hindert oder abgeneigt macht, auf die passus concernentes seiner Amtspapiere die nöthige Acht zu haben.
Pietsch konnte sehr heiter seyn, und seine sonderbar schwärmerische, oft etwas traurig gestimmte Religiosität gab jener mo- mentanen Aufgereimtheit noch einen beson- dern Reiz. Er war der Mutterbruder des durch die Söhne des Thals bekannt gewordenen Werners, privatisirte nachher seit 1772. in Elbing und starb daselbst 1806. Die Abende in dieser Trogloditerey waren
noß des Umganges zweyer von der Akade- mie her mir bekannten Freunde, von denen Kraft Feldprediger und Pietſch Regi- mentsquartiermeiſter war. Letzterer beſaß außer ſeinem vortrefflichen Charakrer noch eine vorzuͤgliche Kenntniß der roͤmiſchen Claſſiker, aus denen er, wie aus den fran- zoͤſiſchen Dichtern, große Stellen auswendig wußte, worin ich ihm nur den geheimen Staatsrath von Heydebreck gleich geſehen, den ich oft (1809.) ſolche Tiraden aus Roͤ- mern, Dentſchen, Franzoſen und Jtalienern reeitiren gehoͤrt habe. Wohl dem Dienſt- mann, den das Leſen und im Gedaͤchtniß Behalten ſchoͤner Stellen aus Alten und Neuen nicht hindert oder abgeneigt macht, auf die paſſus concernentes ſeiner Amtspapiere die noͤthige Acht zu haben.
Pietſch konnte ſehr heiter ſeyn, und ſeine ſonderbar ſchwaͤrmeriſche, oft etwas traurig geſtimmte Religioſitaͤt gab jener mo- mentanen Aufgereimtheit noch einen beſon- dern Reiz. Er war der Mutterbruder des durch die Soͤhne des Thals bekannt gewordenen Werners, privatiſirte nachher ſeit 1772. in Elbing und ſtarb daſelbſt 1806. Die Abende in dieſer Trogloditerey waren
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0120"n="103"/>
noß des Umganges zweyer von der Akade-<lb/>
mie her mir bekannten Freunde, von denen<lb/><hirendition="#g">Kraft</hi> Feldprediger und <hirendition="#g">Pietſch</hi> Regi-<lb/>
mentsquartiermeiſter war. Letzterer beſaß<lb/>
außer ſeinem vortrefflichen Charakrer noch<lb/>
eine vorzuͤgliche Kenntniß der roͤmiſchen<lb/>
Claſſiker, aus denen er, wie aus den fran-<lb/>
zoͤſiſchen Dichtern, große Stellen auswendig<lb/>
wußte, worin ich ihm nur den geheimen<lb/>
Staatsrath von Heydebreck gleich geſehen,<lb/>
den ich oft (1809.) ſolche Tiraden aus Roͤ-<lb/>
mern, Dentſchen, Franzoſen und Jtalienern<lb/>
reeitiren gehoͤrt habe. Wohl dem Dienſt-<lb/>
mann, den das Leſen und im Gedaͤchtniß<lb/>
Behalten ſchoͤner Stellen aus Alten und<lb/>
Neuen nicht hindert oder abgeneigt macht, auf<lb/>
die <hirendition="#aq">paſſus concernentes</hi>ſeiner Amtspapiere<lb/>
die noͤthige Acht zu haben.</p><lb/><p><hirendition="#g">Pietſch</hi> konnte ſehr heiter ſeyn, und<lb/>ſeine ſonderbar ſchwaͤrmeriſche, oft etwas<lb/>
traurig geſtimmte Religioſitaͤt gab jener mo-<lb/>
mentanen Aufgereimtheit noch einen beſon-<lb/>
dern Reiz. Er war der Mutterbruder des<lb/>
durch die <hirendition="#g">Soͤhne des Thals</hi> bekannt<lb/>
gewordenen <hirendition="#g">Werners,</hi> privatiſirte nachher<lb/>ſeit 1772. in Elbing und ſtarb daſelbſt 1806.<lb/>
Die Abende in dieſer Trogloditerey waren<lb/></p></div></body></text></TEI>
[103/0120]
noß des Umganges zweyer von der Akade-
mie her mir bekannten Freunde, von denen
Kraft Feldprediger und Pietſch Regi-
mentsquartiermeiſter war. Letzterer beſaß
außer ſeinem vortrefflichen Charakrer noch
eine vorzuͤgliche Kenntniß der roͤmiſchen
Claſſiker, aus denen er, wie aus den fran-
zoͤſiſchen Dichtern, große Stellen auswendig
wußte, worin ich ihm nur den geheimen
Staatsrath von Heydebreck gleich geſehen,
den ich oft (1809.) ſolche Tiraden aus Roͤ-
mern, Dentſchen, Franzoſen und Jtalienern
reeitiren gehoͤrt habe. Wohl dem Dienſt-
mann, den das Leſen und im Gedaͤchtniß
Behalten ſchoͤner Stellen aus Alten und
Neuen nicht hindert oder abgeneigt macht, auf
die paſſus concernentes ſeiner Amtspapiere
die noͤthige Acht zu haben.
Pietſch konnte ſehr heiter ſeyn, und
ſeine ſonderbar ſchwaͤrmeriſche, oft etwas
traurig geſtimmte Religioſitaͤt gab jener mo-
mentanen Aufgereimtheit noch einen beſon-
dern Reiz. Er war der Mutterbruder des
durch die Soͤhne des Thals bekannt
gewordenen Werners, privatiſirte nachher
ſeit 1772. in Elbing und ſtarb daſelbſt 1806.
Die Abende in dieſer Trogloditerey waren
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/120>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.