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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Dem Herrn Vetter als Redakteur des Neue-
sten in der Gelehrsamkeit
mußte ich
eine Uebersetzung der Ode des J. B. Rous-
seaus an den Frieden für dieses Jour-
nal besorgen, auch macht' er mich mit dem
bis zur Ungebühr verschrienen Freiherrn von
Schönaich bekannt, den ich nachher in
Crossen traf. Ein gewiß lieber Mann, des-
sen Heldengedichte und Trauerspiele sicher
anders gerathen wären, wenn er seine Lehr-
jahre unter einem andern Meister als Gott-
sched bestanden hätte. Von Guben aus hab
ich ihn oft auf dem Familienguthe Amtiz
besucht, wo er mit seiner Gemahlin unter
einem lästigen väterlichen Druck lebte und
wo er auch nach vieljähriger Blindheit ge-
storben ist. Unser Briefwechsel hat ver-
schiedene Jahre gedauert.

Die in jedem Sinn unvortheilhafte Win-
tereampagne bey Collberg, in der man bis
in die Mitte des Decembers ohne Zelte
herumzog und Häuser und Gärten zum un-
entbehrlichsten Feurungsbedarf zerstörte, ge-
hört zu meinem Soldatenkreuz. Beym Stür-
men der von den Russen stark besetzten
Schanze bey Spy ward ich zum Lohn mei-
ner Naseweisheit, indem ich die Anführung

G

Dem Herrn Vetter als Redakteur des Neue-
ſten in der Gelehrſamkeit
mußte ich
eine Ueberſetzung der Ode des J. B. Rouſ-
ſeaus an den Frieden fuͤr dieſes Jour-
nal beſorgen, auch macht’ er mich mit dem
bis zur Ungebuͤhr verſchrienen Freiherrn von
Schoͤnaich bekannt, den ich nachher in
Croſſen traf. Ein gewiß lieber Mann, deſ-
ſen Heldengedichte und Trauerſpiele ſicher
anders gerathen waͤren, wenn er ſeine Lehr-
jahre unter einem andern Meiſter als Gott-
ſched beſtanden haͤtte. Von Guben aus hab
ich ihn oft auf dem Familienguthe Amtiz
beſucht, wo er mit ſeiner Gemahlin unter
einem laͤſtigen vaͤterlichen Druck lebte und
wo er auch nach vieljaͤhriger Blindheit ge-
ſtorben iſt. Unſer Briefwechſel hat ver-
ſchiedene Jahre gedauert.

Die in jedem Sinn unvortheilhafte Win-
tereampagne bey Collberg, in der man bis
in die Mitte des Decembers ohne Zelte
herumzog und Haͤuſer und Gaͤrten zum un-
entbehrlichſten Feurungsbedarf zerſtoͤrte, ge-
hoͤrt zu meinem Soldatenkreuz. Beym Stuͤr-
men der von den Ruſſen ſtark beſetzten
Schanze bey Spy ward ich zum Lohn mei-
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[97/0114] Dem Herrn Vetter als Redakteur des Neue- ſten in der Gelehrſamkeit mußte ich eine Ueberſetzung der Ode des J. B. Rouſ- ſeaus an den Frieden fuͤr dieſes Jour- nal beſorgen, auch macht’ er mich mit dem bis zur Ungebuͤhr verſchrienen Freiherrn von Schoͤnaich bekannt, den ich nachher in Croſſen traf. Ein gewiß lieber Mann, deſ- ſen Heldengedichte und Trauerſpiele ſicher anders gerathen waͤren, wenn er ſeine Lehr- jahre unter einem andern Meiſter als Gott- ſched beſtanden haͤtte. Von Guben aus hab ich ihn oft auf dem Familienguthe Amtiz beſucht, wo er mit ſeiner Gemahlin unter einem laͤſtigen vaͤterlichen Druck lebte und wo er auch nach vieljaͤhriger Blindheit ge- ſtorben iſt. Unſer Briefwechſel hat ver- ſchiedene Jahre gedauert. Die in jedem Sinn unvortheilhafte Win- tereampagne bey Collberg, in der man bis in die Mitte des Decembers ohne Zelte herumzog und Haͤuſer und Gaͤrten zum un- entbehrlichſten Feurungsbedarf zerſtoͤrte, ge- hoͤrt zu meinem Soldatenkreuz. Beym Stuͤr- men der von den Ruſſen ſtark beſetzten Schanze bey Spy ward ich zum Lohn mei- ner Naſeweisheit, indem ich die Anfuͤhrung G

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/114>, abgerufen am 24.11.2024.