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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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chen, nicht an die Hand oder den Arm zu
fassen. Es ärgert mich, daß Sveton vom
Tiber, von dem ich nichts ähnliches haben
möchte, sagen konnte: incedebat non sine
molli digitorum gesticulatione.
Die ma-
num loquacem
der römischen Damen muß
ich zum Trost ansehen.

Bey jeder Gelegenheit ritten die mehre-
sten meiner Cameraden nach den Städten,
so bald sie Tanz oder Spielgesellschaften ver-
mutheten; ich kroch auf alle Berge der freyen
Ansicht wegen und erinnere mich noch, wie
man mich auslachte, als ich nach einem be-
schwerlichen Marsch die Landskrone er-
klimmte, statt nach Görlitz zu reiten, wo
man mir wunderschöne Dinge zu zeigen ver-
sprach. Auch übernahm ich oft eine unru-
hige Feldwache, um nur nicht unter die
lockern Ordonanzofficiere ins Hauptquartier
reiten zu dürfen. Meine Abneigung gegen
solche Gesellschaft bewog mich einmal für
einen Cameraden, der diesen Ritt zweymal
für mich zu machen versprach, ein achttägi-
ges mühsames Commando zu übernehmen,
das mir aber Gelegenheit schaffte, manches
vom Mönchsleben zu erfahren, indem ich
diese Zeit über im Kloster Wahlstatt hau-

chen, nicht an die Hand oder den Arm zu
faſſen. Es aͤrgert mich, daß Sveton vom
Tiber, von dem ich nichts aͤhnliches haben
moͤchte, ſagen konnte: incedebat non ſine
molli digitorum geſticulatione.
Die ma-
num loquacem
der roͤmiſchen Damen muß
ich zum Troſt anſehen.

Bey jeder Gelegenheit ritten die mehre-
ſten meiner Cameraden nach den Staͤdten,
ſo bald ſie Tanz oder Spielgeſellſchaften ver-
mutheten; ich kroch auf alle Berge der freyen
Anſicht wegen und erinnere mich noch, wie
man mich auslachte, als ich nach einem be-
ſchwerlichen Marſch die Landskrone er-
klimmte, ſtatt nach Goͤrlitz zu reiten, wo
man mir wunderſchoͤne Dinge zu zeigen ver-
ſprach. Auch uͤbernahm ich oft eine unru-
hige Feldwache, um nur nicht unter die
lockern Ordonanzofficiere ins Hauptquartier
reiten zu duͤrfen. Meine Abneigung gegen
ſolche Geſellſchaft bewog mich einmal fuͤr
einen Cameraden, der dieſen Ritt zweymal
fuͤr mich zu machen verſprach, ein achttaͤgi-
ges muͤhſames Commando zu uͤbernehmen,
das mir aber Gelegenheit ſchaffte, manches
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[91/0108] chen, nicht an die Hand oder den Arm zu faſſen. Es aͤrgert mich, daß Sveton vom Tiber, von dem ich nichts aͤhnliches haben moͤchte, ſagen konnte: incedebat non ſine molli digitorum geſticulatione. Die ma- num loquacem der roͤmiſchen Damen muß ich zum Troſt anſehen. Bey jeder Gelegenheit ritten die mehre- ſten meiner Cameraden nach den Staͤdten, ſo bald ſie Tanz oder Spielgeſellſchaften ver- mutheten; ich kroch auf alle Berge der freyen Anſicht wegen und erinnere mich noch, wie man mich auslachte, als ich nach einem be- ſchwerlichen Marſch die Landskrone er- klimmte, ſtatt nach Goͤrlitz zu reiten, wo man mir wunderſchoͤne Dinge zu zeigen ver- ſprach. Auch uͤbernahm ich oft eine unru- hige Feldwache, um nur nicht unter die lockern Ordonanzofficiere ins Hauptquartier reiten zu duͤrfen. Meine Abneigung gegen ſolche Geſellſchaft bewog mich einmal fuͤr einen Cameraden, der dieſen Ritt zweymal fuͤr mich zu machen verſprach, ein achttaͤgi- ges muͤhſames Commando zu uͤbernehmen, das mir aber Gelegenheit ſchaffte, manches vom Moͤnchsleben zu erfahren, indem ich dieſe Zeit uͤber im Kloſter Wahlſtatt hau-

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/108>, abgerufen am 23.11.2024.