Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Begrabe sie heut Nacht! sprach Hugideo. Und er trug sie hinauf in seine Klause und setzte sie sorgsam auf die steingehauene Bank der Zelle und setzte sich ihr gegenüber und hielt schweigend Todtenwache, und flocht vom Epheu, das den Fels umrankte, zwei Kränze, und schmückte das Haupt der Leiche und sein eigenes damit, und füllte sich einen Becher Weines und nickte ihr zu, da er ihn leerte, und wich nicht mehr von ihr. Um Mitternacht aber trug er sie hinab, wo die zwei Gräber von seiner Hand aufgeworfen, zum Empfang gerüstet standen, und senkte sie ein und warf drei Schollen alamannischer Erde als letzten Gruß auf die todte Römerin, und begrub sie in einsamer Stille der Mondnacht und wälzte einen Stein auf das Grab. Dann ging er zu des Fischers Hütte und rief hinein: 's ist besorgt, alter Schaufelbruder, und der Ruheplatz neben ihr ist für mich, merk dir's! Des folgenden Tages trug der Rhein Manchen ans Ufer, an dessen Leichnam der Mauerkampf und Fall und Mordbrand von Augusta Rauracorum mit blutigen Zügen geschrieben stand. Auch du, Junius Messianus, alter Baumeister, Freund und Lehrer! sprach Hugideo, da sie einen ehrwürdigen, wundenbedeckten Graukopf aus den Fluten zogen. Aber bei einem Anblick schütterte er zusammen: ein trotzig keckes, axthiebdurchfurchtes Männerhaupt tauchte Begrabe sie heut Nacht! sprach Hugideo. Und er trug sie hinauf in seine Klause und setzte sie sorgsam auf die steingehauene Bank der Zelle und setzte sich ihr gegenüber und hielt schweigend Todtenwache, und flocht vom Epheu, das den Fels umrankte, zwei Kränze, und schmückte das Haupt der Leiche und sein eigenes damit, und füllte sich einen Becher Weines und nickte ihr zu, da er ihn leerte, und wich nicht mehr von ihr. Um Mitternacht aber trug er sie hinab, wo die zwei Gräber von seiner Hand aufgeworfen, zum Empfang gerüstet standen, und senkte sie ein und warf drei Schollen alamannischer Erde als letzten Gruß auf die todte Römerin, und begrub sie in einsamer Stille der Mondnacht und wälzte einen Stein auf das Grab. Dann ging er zu des Fischers Hütte und rief hinein: 's ist besorgt, alter Schaufelbruder, und der Ruheplatz neben ihr ist für mich, merk dir's! Des folgenden Tages trug der Rhein Manchen ans Ufer, an dessen Leichnam der Mauerkampf und Fall und Mordbrand von Augusta Rauracorum mit blutigen Zügen geschrieben stand. Auch du, Junius Messianus, alter Baumeister, Freund und Lehrer! sprach Hugideo, da sie einen ehrwürdigen, wundenbedeckten Graukopf aus den Fluten zogen. Aber bei einem Anblick schütterte er zusammen: ein trotzig keckes, axthiebdurchfurchtes Männerhaupt tauchte <TEI> <text> <body> <div n="0"> <pb facs="#f0018"/> <p>Begrabe sie heut Nacht! sprach Hugideo.</p><lb/> <p>Und er trug sie hinauf in seine Klause und setzte sie sorgsam auf die steingehauene Bank der Zelle und setzte sich ihr gegenüber und hielt schweigend Todtenwache, und flocht vom Epheu, das den Fels umrankte, zwei Kränze, und schmückte das Haupt der Leiche und sein eigenes damit, und füllte sich einen Becher Weines und nickte ihr zu, da er ihn leerte, und wich nicht mehr von ihr.</p><lb/> <p>Um Mitternacht aber trug er sie hinab, wo die zwei Gräber von seiner Hand aufgeworfen, zum Empfang gerüstet standen, und senkte sie ein und warf drei Schollen alamannischer Erde als letzten Gruß auf die todte Römerin, und begrub sie in einsamer Stille der Mondnacht und wälzte einen Stein auf das Grab. Dann ging er zu des Fischers Hütte und rief hinein: 's ist besorgt, alter Schaufelbruder, und der Ruheplatz neben ihr ist für mich, merk dir's!</p><lb/> <p>Des folgenden Tages trug der Rhein Manchen ans Ufer, an dessen Leichnam der Mauerkampf und Fall und Mordbrand von Augusta Rauracorum mit blutigen Zügen geschrieben stand.</p><lb/> <p>Auch du, Junius Messianus, alter Baumeister, Freund und Lehrer! sprach Hugideo, da sie einen ehrwürdigen, wundenbedeckten Graukopf aus den Fluten zogen.</p><lb/> <p>Aber bei einem Anblick schütterte er zusammen: ein trotzig keckes, axthiebdurchfurchtes Männerhaupt tauchte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
Begrabe sie heut Nacht! sprach Hugideo.
Und er trug sie hinauf in seine Klause und setzte sie sorgsam auf die steingehauene Bank der Zelle und setzte sich ihr gegenüber und hielt schweigend Todtenwache, und flocht vom Epheu, das den Fels umrankte, zwei Kränze, und schmückte das Haupt der Leiche und sein eigenes damit, und füllte sich einen Becher Weines und nickte ihr zu, da er ihn leerte, und wich nicht mehr von ihr.
Um Mitternacht aber trug er sie hinab, wo die zwei Gräber von seiner Hand aufgeworfen, zum Empfang gerüstet standen, und senkte sie ein und warf drei Schollen alamannischer Erde als letzten Gruß auf die todte Römerin, und begrub sie in einsamer Stille der Mondnacht und wälzte einen Stein auf das Grab. Dann ging er zu des Fischers Hütte und rief hinein: 's ist besorgt, alter Schaufelbruder, und der Ruheplatz neben ihr ist für mich, merk dir's!
Des folgenden Tages trug der Rhein Manchen ans Ufer, an dessen Leichnam der Mauerkampf und Fall und Mordbrand von Augusta Rauracorum mit blutigen Zügen geschrieben stand.
Auch du, Junius Messianus, alter Baumeister, Freund und Lehrer! sprach Hugideo, da sie einen ehrwürdigen, wundenbedeckten Graukopf aus den Fluten zogen.
Aber bei einem Anblick schütterte er zusammen: ein trotzig keckes, axthiebdurchfurchtes Männerhaupt tauchte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T11:06:35Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T11:06:35Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |