Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Attila's rechtem Flügel mit Franken und Gepiden wider des Aetius Legionen gefochten. Waffen und Weh! fuhr er fort, Waffen und Weh! König Etzel's Kapp' ist zerschnitten, sein Mantel abgesägt, unsere Besten sind todt, was übrig blieb, hat Kehrt gemacht, in wenig Tagen kommt das Heergefolg heim . . . es steht unterwegs noch Etliches zu verwüsten, sonst wären sie schon da, wie ich.

Hugideo aber ging wieder hinüber auf seine Felsplatte, und wie er jetzt nach seinem theuern Steinbild schaute, war der Marmor rostfleckig und eisenfarbig überlaufen von dem aus den Steinritzen träufenden Kalkgewässer. Darum nahm er's heraus und stellte es auf die Mauer der Felsterrasse und reinigte es sorgsam -- und wie er davor stand und seinen Blick darauf haften ließ, als wolle er sich ganz versenken in die Pracht der Züge, da ward ihm plötzlich, als ob dies Haupt voll stiller Majestät auch zu ihm herüberblicke mit beseelten Augen, ein seliger Schauer zog durch des einsamen Mannes Herz, und er drückte einen Kuß auf die steinerne Stirn. Da wich die Büste von dem Mauerrand und stürzte hinab, schlug an die Felskanten auf, ohne zu zerschellen, zischte in die Rheinflut und versank . . .

Lange blickte ihr Hugideo nach, bis daß die letzten Wasserringe auf dem Spiegel der Wellen zerronnen waren, dann lächelte er vor sich hin, ging in seine Klause hinüber, griff Schaufel und Hacken und grub

Attila's rechtem Flügel mit Franken und Gepiden wider des Aetius Legionen gefochten. Waffen und Weh! fuhr er fort, Waffen und Weh! König Etzel's Kapp' ist zerschnitten, sein Mantel abgesägt, unsere Besten sind todt, was übrig blieb, hat Kehrt gemacht, in wenig Tagen kommt das Heergefolg heim . . . es steht unterwegs noch Etliches zu verwüsten, sonst wären sie schon da, wie ich.

Hugideo aber ging wieder hinüber auf seine Felsplatte, und wie er jetzt nach seinem theuern Steinbild schaute, war der Marmor rostfleckig und eisenfarbig überlaufen von dem aus den Steinritzen träufenden Kalkgewässer. Darum nahm er's heraus und stellte es auf die Mauer der Felsterrasse und reinigte es sorgsam — und wie er davor stand und seinen Blick darauf haften ließ, als wolle er sich ganz versenken in die Pracht der Züge, da ward ihm plötzlich, als ob dies Haupt voll stiller Majestät auch zu ihm herüberblicke mit beseelten Augen, ein seliger Schauer zog durch des einsamen Mannes Herz, und er drückte einen Kuß auf die steinerne Stirn. Da wich die Büste von dem Mauerrand und stürzte hinab, schlug an die Felskanten auf, ohne zu zerschellen, zischte in die Rheinflut und versank . . .

Lange blickte ihr Hugideo nach, bis daß die letzten Wasserringe auf dem Spiegel der Wellen zerronnen waren, dann lächelte er vor sich hin, ging in seine Klause hinüber, griff Schaufel und Hacken und grub

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="0">
        <p><pb facs="#f0015"/>
Attila's rechtem Flügel mit Franken und Gepiden wider des         Aetius Legionen gefochten. Waffen und Weh! fuhr er fort, Waffen und Weh! König Etzel's Kapp'         ist zerschnitten, sein Mantel abgesägt, unsere Besten sind todt, was übrig blieb, hat Kehrt         gemacht, in wenig Tagen kommt das Heergefolg heim . . . es steht unterwegs noch Etliches zu         verwüsten, sonst wären sie schon da, wie ich.</p><lb/>
        <p>Hugideo aber ging wieder hinüber auf seine Felsplatte, und wie er jetzt nach seinem theuern         Steinbild schaute, war der Marmor rostfleckig und eisenfarbig überlaufen von dem aus den         Steinritzen träufenden Kalkgewässer. Darum nahm er's heraus und stellte es auf die Mauer der         Felsterrasse und reinigte es sorgsam &#x2014; und wie er davor stand und seinen Blick darauf haften         ließ, als wolle er sich ganz versenken in die Pracht der Züge, da ward ihm plötzlich, als ob         dies Haupt voll stiller Majestät auch zu ihm herüberblicke mit beseelten Augen, ein seliger         Schauer zog durch des einsamen Mannes Herz, und er drückte einen Kuß auf die steinerne         Stirn. Da wich die Büste von dem Mauerrand und stürzte hinab, schlug an die Felskanten auf,         ohne zu zerschellen, zischte in die Rheinflut und versank . . .</p><lb/>
        <p>Lange blickte ihr Hugideo nach, bis daß die letzten Wasserringe auf dem Spiegel der Wellen         zerronnen waren, dann lächelte er vor sich hin, ging in seine Klause hinüber, griff Schaufel         und Hacken und grub<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] Attila's rechtem Flügel mit Franken und Gepiden wider des Aetius Legionen gefochten. Waffen und Weh! fuhr er fort, Waffen und Weh! König Etzel's Kapp' ist zerschnitten, sein Mantel abgesägt, unsere Besten sind todt, was übrig blieb, hat Kehrt gemacht, in wenig Tagen kommt das Heergefolg heim . . . es steht unterwegs noch Etliches zu verwüsten, sonst wären sie schon da, wie ich. Hugideo aber ging wieder hinüber auf seine Felsplatte, und wie er jetzt nach seinem theuern Steinbild schaute, war der Marmor rostfleckig und eisenfarbig überlaufen von dem aus den Steinritzen träufenden Kalkgewässer. Darum nahm er's heraus und stellte es auf die Mauer der Felsterrasse und reinigte es sorgsam — und wie er davor stand und seinen Blick darauf haften ließ, als wolle er sich ganz versenken in die Pracht der Züge, da ward ihm plötzlich, als ob dies Haupt voll stiller Majestät auch zu ihm herüberblicke mit beseelten Augen, ein seliger Schauer zog durch des einsamen Mannes Herz, und er drückte einen Kuß auf die steinerne Stirn. Da wich die Büste von dem Mauerrand und stürzte hinab, schlug an die Felskanten auf, ohne zu zerschellen, zischte in die Rheinflut und versank . . . Lange blickte ihr Hugideo nach, bis daß die letzten Wasserringe auf dem Spiegel der Wellen zerronnen waren, dann lächelte er vor sich hin, ging in seine Klause hinüber, griff Schaufel und Hacken und grub

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:06:35Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:06:35Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910/15
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910/15>, abgerufen am 24.11.2024.