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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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'S geht an, sprach der Alte, im Mund der Bischöfe und kaiser-
lichen Räthe, in den Capitularien und Synodalbeschlüssen nimmt sich's
haarsträubend aus, wenn sie den heidnischen Irrwahn abzeichnen und
mit Strafsatzung bedräuen. 'S ist eben alter Glaube hierlands, im
Baum und Fluß und auf luftiger Bergeshöhe der Gottheit nachzu-
spüren. Jeder auf der Welt muß seine Apokalypsis haben, die He-
gauer suchen sie draußen .. es läßt sich auch Etwas dabei denken,
wenn der Mensch frühmorgens im Schilfe steht und die Sonne über
ihm aufgeht ...

Deßhalb kommen sie am Tage des Herrn doch zu mir, und singen
die Messe mit, und wenn der Sendbote ihnen nicht so manchen Straf-
schilling aus dem Sack zwickte, würden sie noch fröhlicher sich zum
Evangelium wenden. --

Stoßt an, Confrater, die frische Luft ...

Erlaubt, sprach Ekkehard mit feiner Wendung, daß ich das Wohl
Marcellus des Lehrers an der Klosterschule, des Verfassers der irischen
Uebersetzung des Priscianus trinke.

Mir auch recht, lachte Moengal. Was aber die irische Uebersetzung
betrifft, die möchte einen Haken haben.112)

In Ekkehard war das Verlangen groß, seinen hohen Twiel zu
erreichen. Kurz vor dem Ziele weiter Fahrt hat noch selten Einer
lange Rast gehalten. Der Berg steht fest in der Erden, sprach zwar
Moengal, der entfleucht Euch nimmer.

Aber Moengal's Wein und seine Lehre von der frischen Luft
hatten für den, der einer Herzogin entgegen sollte, wenig Verstrickendes.
Er brach auf.

Ich geh' mit Euch bis an des Pfarrsprengels Grenze, sagte der
Leutpriester, heute dürft Ihr mir noch zur Seite gehen, trotz meines
verblichenen Gewandes; wenn Ihr auf dem Berg droben festsitzet,
dann werdet Ihr meinen, die Verklärung sei über Euch gekommen,
und werdet ein vornehmer Herr werden, und wenn Ihr dereinst an
Frau Hadwig's Seite gen Radolf's Zelle geritten kommet, und der
alte Moengal steht an der Schwelle, so wird ihm eine gnädige Hand-
bewegung als Almosen zugeworfen -- der Welt Lauf! Wenn der
Heuerling groß geworden, heißt er Felchen und frißt die Kleinen
seines Geschlechts.

'S geht an, ſprach der Alte, im Mund der Biſchöfe und kaiſer-
lichen Räthe, in den Capitularien und Synodalbeſchlüſſen nimmt ſich's
haarſträubend aus, wenn ſie den heidniſchen Irrwahn abzeichnen und
mit Strafſatzung bedräuen. 'S iſt eben alter Glaube hierlands, im
Baum und Fluß und auf luftiger Bergeshöhe der Gottheit nachzu-
ſpüren. Jeder auf der Welt muß ſeine Apokalypſis haben, die He-
gauer ſuchen ſie draußen .. es läßt ſich auch Etwas dabei denken,
wenn der Menſch frühmorgens im Schilfe ſteht und die Sonne über
ihm aufgeht ...

Deßhalb kommen ſie am Tage des Herrn doch zu mir, und ſingen
die Meſſe mit, und wenn der Sendbote ihnen nicht ſo manchen Straf-
ſchilling aus dem Sack zwickte, würden ſie noch fröhlicher ſich zum
Evangelium wenden. —

Stoßt an, Confrater, die friſche Luft ...

Erlaubt, ſprach Ekkehard mit feiner Wendung, daß ich das Wohl
Marcellus des Lehrers an der Kloſterſchule, des Verfaſſers der iriſchen
Ueberſetzung des Priscianus trinke.

Mir auch recht, lachte Moengal. Was aber die iriſche Ueberſetzung
betrifft, die möchte einen Haken haben.112)

In Ekkehard war das Verlangen groß, ſeinen hohen Twiel zu
erreichen. Kurz vor dem Ziele weiter Fahrt hat noch ſelten Einer
lange Raſt gehalten. Der Berg ſteht feſt in der Erden, ſprach zwar
Moengal, der entfleucht Euch nimmer.

Aber Moengal's Wein und ſeine Lehre von der friſchen Luft
hatten für den, der einer Herzogin entgegen ſollte, wenig Verſtrickendes.
Er brach auf.

Ich geh' mit Euch bis an des Pfarrſprengels Grenze, ſagte der
Leutprieſter, heute dürft Ihr mir noch zur Seite gehen, trotz meines
verblichenen Gewandes; wenn Ihr auf dem Berg droben feſtſitzet,
dann werdet Ihr meinen, die Verklärung ſei über Euch gekommen,
und werdet ein vornehmer Herr werden, und wenn Ihr dereinſt an
Frau Hadwig's Seite gen Radolf's Zelle geritten kommet, und der
alte Moengal ſteht an der Schwelle, ſo wird ihm eine gnädige Hand-
bewegung als Almoſen zugeworfen — der Welt Lauf! Wenn der
Heuerling groß geworden, heißt er Felchen und frißt die Kleinen
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[73/0095] 'S geht an, ſprach der Alte, im Mund der Biſchöfe und kaiſer- lichen Räthe, in den Capitularien und Synodalbeſchlüſſen nimmt ſich's haarſträubend aus, wenn ſie den heidniſchen Irrwahn abzeichnen und mit Strafſatzung bedräuen. 'S iſt eben alter Glaube hierlands, im Baum und Fluß und auf luftiger Bergeshöhe der Gottheit nachzu- ſpüren. Jeder auf der Welt muß ſeine Apokalypſis haben, die He- gauer ſuchen ſie draußen .. es läßt ſich auch Etwas dabei denken, wenn der Menſch frühmorgens im Schilfe ſteht und die Sonne über ihm aufgeht ... Deßhalb kommen ſie am Tage des Herrn doch zu mir, und ſingen die Meſſe mit, und wenn der Sendbote ihnen nicht ſo manchen Straf- ſchilling aus dem Sack zwickte, würden ſie noch fröhlicher ſich zum Evangelium wenden. — Stoßt an, Confrater, die friſche Luft ... Erlaubt, ſprach Ekkehard mit feiner Wendung, daß ich das Wohl Marcellus des Lehrers an der Kloſterſchule, des Verfaſſers der iriſchen Ueberſetzung des Priscianus trinke. Mir auch recht, lachte Moengal. Was aber die iriſche Ueberſetzung betrifft, die möchte einen Haken haben. ¹¹²⁾ In Ekkehard war das Verlangen groß, ſeinen hohen Twiel zu erreichen. Kurz vor dem Ziele weiter Fahrt hat noch ſelten Einer lange Raſt gehalten. Der Berg ſteht feſt in der Erden, ſprach zwar Moengal, der entfleucht Euch nimmer. Aber Moengal's Wein und ſeine Lehre von der friſchen Luft hatten für den, der einer Herzogin entgegen ſollte, wenig Verſtrickendes. Er brach auf. Ich geh' mit Euch bis an des Pfarrſprengels Grenze, ſagte der Leutprieſter, heute dürft Ihr mir noch zur Seite gehen, trotz meines verblichenen Gewandes; wenn Ihr auf dem Berg droben feſtſitzet, dann werdet Ihr meinen, die Verklärung ſei über Euch gekommen, und werdet ein vornehmer Herr werden, und wenn Ihr dereinſt an Frau Hadwig's Seite gen Radolf's Zelle geritten kommet, und der alte Moengal ſteht an der Schwelle, ſo wird ihm eine gnädige Hand- bewegung als Almoſen zugeworfen — der Welt Lauf! Wenn der Heuerling groß geworden, heißt er Felchen und frißt die Kleinen ſeines Geſchlechts.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/95>, abgerufen am 23.11.2024.