auflegte, und war von damals auch der Herzogin giftig gestimmt, -- kaum merkte er die Absicht, so drückte er sich vergnüglich seitwärts und schob den Pörtner auf den Decanssitz. Neben Ekkehard kam der Herzogin Kämmerer Spazzo zu sitzen, dem zur Seite der Mönch Sindolt.
Die Mahlzeit begann. Der Küchenmeister, wohl wissend wie bei Ankunft fremder Gäste Erweiterung der schmalen Klosterkost gestattet sei, hatte es nicht beim üblichen Muß mit Hülsenfrüchten70) bewen- den lassen. Auch der strenge Küchenzettel des seligen Abt Hartmuth ward nicht eingehalten.
Wohl erschien zuerst ein dampfender Hirsebrei, auf daß, wer ge- wissenhaft bei der Regel71) bleiben wolle, sich daran ersättige; aber Schüssel auf Schüssel folgte, bei mächtigem Hirschziemer fehlte der Bärenschinken nicht, sogar der Biber vom obern Fischteich hatte sein Leben lassen müssen; Fasanen, Rebhühner, Turteltauben und des Vogelheerds kleinere Ausbeute folgten, der Fische aber eine unendliche Auswahl, so daß schließlich ein jeglich Gethier, watendes, fliegendes, schwimmendes und kriechendes, auf der Klostertafel seine Vertretung fand.
Und Mancher der Brüder kämpfte damals einen schweren Kampf in seines Gemüthes Tiefe; selbst Gozbert, der alte Decan ... des Hirsebreis war er gesättigt und hatte mit mächtigem Stirnrunzeln des Hirsches Braten und des Bären Schinken weggeschoben als wär's eine Versuchung des bösen Feindes: aber wie auch ein schön bräunlich gebraten Birkhuhn in seine Nähe gestellt ward, da schlug der Braten- duft träumerisch an seine Nase, mit dem Duft hielten die Geschichten seiner Jugend bei ihm Rückkehr: wie er selber vor vierzig Jahren dem Waidwerk oblag und in frühem Morgennebel dem Auerhahn balzend nachstellte, und die Geschichte von des Försters Töchterlein, die ihm damals begegnet, nnd ... zweimal noch kämpfte er des Arms Bewegung zurück, das drittemal hielt's nimmer, des Birkhuhns Hälfte lag vor ihm und ward in Eile verzehrt.
Der Kämmerer Spazzo hatte Beifall nickend der Schüsseln man- nigfache Zahl erscheinen sehen, ein großer Rheinlank,72) der Fische besten einer, war schier unter seinen Händen verschwunden, fragend schaute er sich nach einigem Getränk um, da zog Sindolt, sein Nach- bar, ein steinern Krüglein herbei, schenkte ihm den metallenen Becher
auflegte, und war von damals auch der Herzogin giftig geſtimmt, — kaum merkte er die Abſicht, ſo drückte er ſich vergnüglich ſeitwärts und ſchob den Pörtner auf den Decansſitz. Neben Ekkehard kam der Herzogin Kämmerer Spazzo zu ſitzen, dem zur Seite der Mönch Sindolt.
Die Mahlzeit begann. Der Küchenmeiſter, wohl wiſſend wie bei Ankunft fremder Gäſte Erweiterung der ſchmalen Kloſterkoſt geſtattet ſei, hatte es nicht beim üblichen Muß mit Hülſenfrüchten70) bewen- den laſſen. Auch der ſtrenge Küchenzettel des ſeligen Abt Hartmuth ward nicht eingehalten.
Wohl erſchien zuerſt ein dampfender Hirſebrei, auf daß, wer ge- wiſſenhaft bei der Regel71) bleiben wolle, ſich daran erſättige; aber Schüſſel auf Schüſſel folgte, bei mächtigem Hirſchziemer fehlte der Bärenſchinken nicht, ſogar der Biber vom obern Fiſchteich hatte ſein Leben laſſen müſſen; Faſanen, Rebhühner, Turteltauben und des Vogelheerds kleinere Ausbeute folgten, der Fiſche aber eine unendliche Auswahl, ſo daß ſchließlich ein jeglich Gethier, watendes, fliegendes, ſchwimmendes und kriechendes, auf der Kloſtertafel ſeine Vertretung fand.
Und Mancher der Brüder kämpfte damals einen ſchweren Kampf in ſeines Gemüthes Tiefe; ſelbſt Gozbert, der alte Decan ... des Hirſebreis war er geſättigt und hatte mit mächtigem Stirnrunzeln des Hirſches Braten und des Bären Schinken weggeſchoben als wär's eine Verſuchung des böſen Feindes: aber wie auch ein ſchön bräunlich gebraten Birkhuhn in ſeine Nähe geſtellt ward, da ſchlug der Braten- duft träumeriſch an ſeine Naſe, mit dem Duft hielten die Geſchichten ſeiner Jugend bei ihm Rückkehr: wie er ſelber vor vierzig Jahren dem Waidwerk oblag und in frühem Morgennebel dem Auerhahn balzend nachſtellte, und die Geſchichte von des Förſters Töchterlein, die ihm damals begegnet, nnd ... zweimal noch kämpfte er des Arms Bewegung zurück, das drittemal hielt's nimmer, des Birkhuhns Hälfte lag vor ihm und ward in Eile verzehrt.
Der Kämmerer Spazzo hatte Beifall nickend der Schüſſeln man- nigfache Zahl erſcheinen ſehen, ein großer Rheinlank,72) der Fiſche beſten einer, war ſchier unter ſeinen Händen verſchwunden, fragend ſchaute er ſich nach einigem Getränk um, da zog Sindolt, ſein Nach- bar, ein ſteinern Krüglein herbei, ſchenkte ihm den metallenen Becher
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auflegte, und war von damals auch der Herzogin giftig geſtimmt,
— kaum merkte er die Abſicht, ſo drückte er ſich vergnüglich ſeitwärts
und ſchob den Pörtner auf den Decansſitz. Neben Ekkehard kam
der Herzogin Kämmerer Spazzo zu ſitzen, dem zur Seite der Mönch
Sindolt.
Die Mahlzeit begann. Der Küchenmeiſter, wohl wiſſend wie bei
Ankunft fremder Gäſte Erweiterung der ſchmalen Kloſterkoſt geſtattet
ſei, hatte es nicht beim üblichen Muß mit Hülſenfrüchten
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ward nicht eingehalten.
Wohl erſchien zuerſt ein dampfender Hirſebrei, auf daß, wer ge-
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bleiben wolle, ſich daran erſättige; aber
Schüſſel auf Schüſſel folgte, bei mächtigem Hirſchziemer fehlte der
Bärenſchinken nicht, ſogar der Biber vom obern Fiſchteich hatte ſein
Leben laſſen müſſen; Faſanen, Rebhühner, Turteltauben und des
Vogelheerds kleinere Ausbeute folgten, der Fiſche aber eine unendliche
Auswahl, ſo daß ſchließlich ein jeglich Gethier, watendes, fliegendes,
ſchwimmendes und kriechendes, auf der Kloſtertafel ſeine Vertretung fand.
Und Mancher der Brüder kämpfte damals einen ſchweren Kampf
in ſeines Gemüthes Tiefe; ſelbſt Gozbert, der alte Decan ... des
Hirſebreis war er geſättigt und hatte mit mächtigem Stirnrunzeln des
Hirſches Braten und des Bären Schinken weggeſchoben als wär's eine
Verſuchung des böſen Feindes: aber wie auch ein ſchön bräunlich
gebraten Birkhuhn in ſeine Nähe geſtellt ward, da ſchlug der Braten-
duft träumeriſch an ſeine Naſe, mit dem Duft hielten die Geſchichten
ſeiner Jugend bei ihm Rückkehr: wie er ſelber vor vierzig Jahren
dem Waidwerk oblag und in frühem Morgennebel dem Auerhahn
balzend nachſtellte, und die Geſchichte von des Förſters Töchterlein,
die ihm damals begegnet, nnd ... zweimal noch kämpfte er des Arms
Bewegung zurück, das drittemal hielt's nimmer, des Birkhuhns Hälfte
lag vor ihm und ward in Eile verzehrt.
Der Kämmerer Spazzo hatte Beifall nickend der Schüſſeln man-
nigfache Zahl erſcheinen ſehen, ein großer Rheinlank,
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beſten einer, war ſchier unter ſeinen Händen verſchwunden, fragend
ſchaute er ſich nach einigem Getränk um, da zog Sindolt, ſein Nach-
bar, ein ſteinern Krüglein herbei, ſchenkte ihm den metallenen Becher
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/68>, abgerufen am 23.11.2024.
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