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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Die Münze kennen wir nicht!

Was heischet ihr denn für ein Lösegeld? fragte die Herzogin. Sie
war der Ungeduld nahe.

Der Bischof Salomo von Konstanz war auch unser Gefangener,
sprach der Schüler, der hat uns drei weitere Vacanztage erwirkt im
Jahr und eine Recreation an Fleisch und Brod, und hat's in seinem
Testament gebrieft und angewiesen.64)

O nimmersatte Jugend! sprach Frau Hadwig, so muß ich's zum
mindesten dem Bischof gleich thun. Habt ihr schon Felchen aus dem
Bodensee verspeist?

Nein! riefen die Jungen.

So sollt ihr jährlich sechs Felchen zum Angedenken an mich er-
halten. Der Fisch ist gut für junge Schnäbel.

Gebt Ihr's mit Brief und Siegel?

Wenn's sein muß!

Langes Leben der Frau Herzogin in Schwaben! Heil ihr! rief's
von allen Seiten, Heil, sie ist frei! Die Schulbänke wurden in Ord-
nung gestellt, der Ausgang gelichtet, springend und jubelnd geleiteten
sie die Gefangene zurück. Im Hintergrund flogen die Pergament-
blätter der Logica als Freudenzeichen in die Höhe, selbst Notker Labeo's
Mundwinkel neigten sich zu einem gröblichen Lachen und Frau Hadwig
sprach: Sie waren recht huldvoll, die jungen Herren; wollet die Ruthe
wieder in Verschlag thun, Herr Professor!

An ein Weitererklären des Aristoteles war heut nicht mehr zu
denken. Ob die Ausgelassenheit der Schüler nicht in nahem Zusam-
menhang mit ihrem Studium der Logik stand? Der Ernst ist oft-
mals ein gar zu dürrer blattloser hohler Stamm, sonst hätt' die
Thorheit nicht Raum, ihn üppig grün zu umranken ...

Wie die Herzogin mit dem Abt den Hörsaal verlassen, sprach
dieser: Es übrigt noch, Euch des Klosters Bücherei zu zeigen, die
Arzneikammer lernbegieriger Seelen, das Zeughaus für die Waffen
des Wissens. Aber Frau Hadwig war ermüdet, sie dankte. Ich muß
mein Wort halten, sprach sie, und die Schenkung an Eure Schulknaben
urkundlich machen. Wollet die Handfeste aufsetzen lassen, daß wir sie
mit Unterschrift und Sigill versehen.

Die Münze kennen wir nicht!

Was heiſchet ihr denn für ein Löſegeld? fragte die Herzogin. Sie
war der Ungeduld nahe.

Der Biſchof Salomo von Konſtanz war auch unſer Gefangener,
ſprach der Schüler, der hat uns drei weitere Vacanztage erwirkt im
Jahr und eine Recreation an Fleiſch und Brod, und hat's in ſeinem
Teſtament gebrieft und angewieſen.64)

O nimmerſatte Jugend! ſprach Frau Hadwig, ſo muß ich's zum
mindeſten dem Biſchof gleich thun. Habt ihr ſchon Felchen aus dem
Bodenſee verſpeist?

Nein! riefen die Jungen.

So ſollt ihr jährlich ſechs Felchen zum Angedenken an mich er-
halten. Der Fiſch iſt gut für junge Schnäbel.

Gebt Ihr's mit Brief und Siegel?

Wenn's ſein muß!

Langes Leben der Frau Herzogin in Schwaben! Heil ihr! rief's
von allen Seiten, Heil, ſie iſt frei! Die Schulbänke wurden in Ord-
nung geſtellt, der Ausgang gelichtet, ſpringend und jubelnd geleiteten
ſie die Gefangene zurück. Im Hintergrund flogen die Pergament-
blätter der Logica als Freudenzeichen in die Höhe, ſelbſt Notker Labeo's
Mundwinkel neigten ſich zu einem gröblichen Lachen und Frau Hadwig
ſprach: Sie waren recht huldvoll, die jungen Herren; wollet die Ruthe
wieder in Verſchlag thun, Herr Profeſſor!

An ein Weitererklären des Ariſtoteles war heut nicht mehr zu
denken. Ob die Ausgelaſſenheit der Schüler nicht in nahem Zuſam-
menhang mit ihrem Studium der Logik ſtand? Der Ernſt iſt oft-
mals ein gar zu dürrer blattloſer hohler Stamm, ſonſt hätt' die
Thorheit nicht Raum, ihn üppig grün zu umranken ...

Wie die Herzogin mit dem Abt den Hörſaal verlaſſen, ſprach
dieſer: Es übrigt noch, Euch des Kloſters Bücherei zu zeigen, die
Arzneikammer lernbegieriger Seelen, das Zeughaus für die Waffen
des Wiſſens. Aber Frau Hadwig war ermüdet, ſie dankte. Ich muß
mein Wort halten, ſprach ſie, und die Schenkung an Eure Schulknaben
urkundlich machen. Wollet die Handfeſte aufſetzen laſſen, daß wir ſie
mit Unterſchrift und Sigill verſehen.

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[42/0064] Die Münze kennen wir nicht! Was heiſchet ihr denn für ein Löſegeld? fragte die Herzogin. Sie war der Ungeduld nahe. Der Biſchof Salomo von Konſtanz war auch unſer Gefangener, ſprach der Schüler, der hat uns drei weitere Vacanztage erwirkt im Jahr und eine Recreation an Fleiſch und Brod, und hat's in ſeinem Teſtament gebrieft und angewieſen. ⁶⁴⁾ O nimmerſatte Jugend! ſprach Frau Hadwig, ſo muß ich's zum mindeſten dem Biſchof gleich thun. Habt ihr ſchon Felchen aus dem Bodenſee verſpeist? Nein! riefen die Jungen. So ſollt ihr jährlich ſechs Felchen zum Angedenken an mich er- halten. Der Fiſch iſt gut für junge Schnäbel. Gebt Ihr's mit Brief und Siegel? Wenn's ſein muß! Langes Leben der Frau Herzogin in Schwaben! Heil ihr! rief's von allen Seiten, Heil, ſie iſt frei! Die Schulbänke wurden in Ord- nung geſtellt, der Ausgang gelichtet, ſpringend und jubelnd geleiteten ſie die Gefangene zurück. Im Hintergrund flogen die Pergament- blätter der Logica als Freudenzeichen in die Höhe, ſelbſt Notker Labeo's Mundwinkel neigten ſich zu einem gröblichen Lachen und Frau Hadwig ſprach: Sie waren recht huldvoll, die jungen Herren; wollet die Ruthe wieder in Verſchlag thun, Herr Profeſſor! An ein Weitererklären des Ariſtoteles war heut nicht mehr zu denken. Ob die Ausgelaſſenheit der Schüler nicht in nahem Zuſam- menhang mit ihrem Studium der Logik ſtand? Der Ernſt iſt oft- mals ein gar zu dürrer blattloſer hohler Stamm, ſonſt hätt' die Thorheit nicht Raum, ihn üppig grün zu umranken ... Wie die Herzogin mit dem Abt den Hörſaal verlaſſen, ſprach dieſer: Es übrigt noch, Euch des Kloſters Bücherei zu zeigen, die Arzneikammer lernbegieriger Seelen, das Zeughaus für die Waffen des Wiſſens. Aber Frau Hadwig war ermüdet, ſie dankte. Ich muß mein Wort halten, ſprach ſie, und die Schenkung an Eure Schulknaben urkundlich machen. Wollet die Handfeſte aufſetzen laſſen, daß wir ſie mit Unterſchrift und Sigill verſehen.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/64>, abgerufen am 23.11.2024.