Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.einem Schreiben an den Abt Mellitus und den Erzbischof Augustinus von England ausgesprochen. "Saget dem Augustinus, heißt es dort, zu welcher Ueberzeugung ich nach langer Betrachtung über die Be- kehrung der Engländer gekommen bin: daß man nämlich die Götzen- kirchen bei jenem Volk ja nicht zerstören, sondern nur die Götzenbilder darin vernichten, das Gebäude mit Weihwasser besprengen, Altäre bauen und Reliquien hineinlegen soll. Denn sind jene Kirchen gut gebaut, so muß man sie vom Götzendienst zur wahren Gottesverehrung umschaffen, damit das Volk, wenn es seine Kirchen nicht verstören sieht, von Herzen seinen Irrglauben ablege, den wahren Gott erkenne und lieber an den Stätten, wo es gewöhnt war, sich versammle. Und weil die Leute bei ihren Götzenopfern viele Ochsen zu schlachten pflegen, so muß auch diese Sitte ihnen zu irgend einer christlichen Feierlichkeit umgewandelt werden. Sie sollen sich also am Tag der Kirchweihe oder am Gedächtnißtag der heiligen Martyrer, deren Re- liquien in ihren Kirchen niedergelegt werden, aus Baumzweigen Hüt- ten um die ehemaligen Götzenkirchen machen, den Festtag durch reli- giöse Gastmähler feiern, nicht mehr dem Teufel Thiere opfern, son- dern sie zum Lobe Gottes zur Speise schlachten, dadurch dem Geber aller Dinge für ihre Sättigung zu danken, damit sie, indem ihnen einige äußerliche Freuden bleiben, um so geneigter zu den innerlichen Freuden werden. Denn rohen Gemüthern auf einmal Alles abzu- schneiden, ist ohne Zweifel unmöglich, und weil auch derjenige, so auf die höchste Stufe steigen will, durch Tritt und Schritt, nicht aber durch Sprünge in die Höhe kommt." s. Mone Geschichte des Hei- denthums etc. II. 105. 126) Das Aufnageln von Pferdeschädeln war uralte Gewohnheit deutscher Völker. Schon die römischen Legionen, die Caccina in die Einsamkeit des teutoburger Waldes führte, um den Gefallenen der Varusschlacht die letzte Ehre zu erweisen, erschracken, da von den Stämmen der Eichen die angenagelten Häupter geopferter Römer- pferde auf das bleichende Gebein gefallener Krieger und die Schlacht- altäre herabnickten. Tacitus Annal. I. 61. 127) Den merkwürdigen Gebrauch, daß durch Werfung der "Chrene Chruda" auf den nächsten zahlungsfähigen Verwandten dieser in das 28*
einem Schreiben an den Abt Mellitus und den Erzbiſchof Auguſtinus von England ausgeſprochen. „Saget dem Auguſtinus, heißt es dort, zu welcher Ueberzeugung ich nach langer Betrachtung über die Be- kehrung der Engländer gekommen bin: daß man nämlich die Götzen- kirchen bei jenem Volk ja nicht zerſtören, ſondern nur die Götzenbilder darin vernichten, das Gebäude mit Weihwaſſer beſprengen, Altäre bauen und Reliquien hineinlegen ſoll. Denn ſind jene Kirchen gut gebaut, ſo muß man ſie vom Götzendienſt zur wahren Gottesverehrung umſchaffen, damit das Volk, wenn es ſeine Kirchen nicht verſtören ſieht, von Herzen ſeinen Irrglauben ablege, den wahren Gott erkenne und lieber an den Stätten, wo es gewöhnt war, ſich verſammle. Und weil die Leute bei ihren Götzenopfern viele Ochſen zu ſchlachten pflegen, ſo muß auch dieſe Sitte ihnen zu irgend einer chriſtlichen Feierlichkeit umgewandelt werden. Sie ſollen ſich alſo am Tag der Kirchweihe oder am Gedächtnißtag der heiligen Martyrer, deren Re- liquien in ihren Kirchen niedergelegt werden, aus Baumzweigen Hüt- ten um die ehemaligen Götzenkirchen machen, den Feſttag durch reli- giöſe Gaſtmähler feiern, nicht mehr dem Teufel Thiere opfern, ſon- dern ſie zum Lobe Gottes zur Speiſe ſchlachten, dadurch dem Geber aller Dinge für ihre Sättigung zu danken, damit ſie, indem ihnen einige äußerliche Freuden bleiben, um ſo geneigter zu den innerlichen Freuden werden. Denn rohen Gemüthern auf einmal Alles abzu- ſchneiden, iſt ohne Zweifel unmöglich, und weil auch derjenige, ſo auf die höchſte Stufe ſteigen will, durch Tritt und Schritt, nicht aber durch Sprünge in die Höhe kommt.“ ſ. Mone Geſchichte des Hei- denthums etc. II. 105. 126) Das Aufnageln von Pferdeſchädeln war uralte Gewohnheit deutſcher Völker. Schon die römiſchen Legionen, die Caccina in die Einſamkeit des teutoburger Waldes führte, um den Gefallenen der Varusſchlacht die letzte Ehre zu erweiſen, erſchracken, da von den Stämmen der Eichen die angenagelten Häupter geopferter Römer- pferde auf das bleichende Gebein gefallener Krieger und die Schlacht- altäre herabnickten. Tacitus Annal. I. 61. 127) Den merkwürdigen Gebrauch, daß durch Werfung der „Chrene Chruda“ auf den nächſten zahlungsfähigen Verwandten dieſer in das 28*
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¹²⁵⁾ einem Schreiben an den Abt Mellitus und den Erzbiſchof Auguſtinus
von England ausgeſprochen. „Saget dem Auguſtinus, heißt es dort,
zu welcher Ueberzeugung ich nach langer Betrachtung über die Be-
kehrung der Engländer gekommen bin: daß man nämlich die Götzen-
kirchen bei jenem Volk ja nicht zerſtören, ſondern nur die Götzenbilder
darin vernichten, das Gebäude mit Weihwaſſer beſprengen, Altäre
bauen und Reliquien hineinlegen ſoll. Denn ſind jene Kirchen gut
gebaut, ſo muß man ſie vom Götzendienſt zur wahren Gottesverehrung
umſchaffen, damit das Volk, wenn es ſeine Kirchen nicht verſtören
ſieht, von Herzen ſeinen Irrglauben ablege, den wahren Gott erkenne
und lieber an den Stätten, wo es gewöhnt war, ſich verſammle.
Und weil die Leute bei ihren Götzenopfern viele Ochſen zu ſchlachten
pflegen, ſo muß auch dieſe Sitte ihnen zu irgend einer chriſtlichen
Feierlichkeit umgewandelt werden. Sie ſollen ſich alſo am Tag der
Kirchweihe oder am Gedächtnißtag der heiligen Martyrer, deren Re-
liquien in ihren Kirchen niedergelegt werden, aus Baumzweigen Hüt-
ten um die ehemaligen Götzenkirchen machen, den Feſttag durch reli-
giöſe Gaſtmähler feiern, nicht mehr dem Teufel Thiere opfern, ſon-
dern ſie zum Lobe Gottes zur Speiſe ſchlachten, dadurch dem Geber
aller Dinge für ihre Sättigung zu danken, damit ſie, indem ihnen
einige äußerliche Freuden bleiben, um ſo geneigter zu den innerlichen
Freuden werden. Denn rohen Gemüthern auf einmal Alles abzu-
ſchneiden, iſt ohne Zweifel unmöglich, und weil auch derjenige, ſo auf
die höchſte Stufe ſteigen will, durch Tritt und Schritt, nicht aber
durch Sprünge in die Höhe kommt.“ ſ. Mone Geſchichte des Hei-
denthums etc. II. 105.
¹²⁶⁾ Das Aufnageln von Pferdeſchädeln war uralte Gewohnheit
deutſcher Völker. Schon die römiſchen Legionen, die Caccina in die
Einſamkeit des teutoburger Waldes führte, um den Gefallenen der
Varusſchlacht die letzte Ehre zu erweiſen, erſchracken, da von den
Stämmen der Eichen die angenagelten Häupter geopferter Römer-
pferde auf das bleichende Gebein gefallener Krieger und die Schlacht-
altäre herabnickten. Tacitus Annal. I. 61.
¹²⁷⁾ Den merkwürdigen Gebrauch, daß durch Werfung der „Chrene
Chruda“ auf den nächſten zahlungsfähigen Verwandten dieſer in das
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